Eine Reise zwischen Epochen, Welten und Emotionen macht diesen Abend im Konzerthaus Berlin unvergesslich

Anne-Sophie Mutter, Lambert Orkis,  Konzerthaus Berlin

Foto © Harald Hoffmann / DG
Konzerthaus Berlin
, 11. November 2017
Anne-Sophie Mutter, Violine
Daniel Müller-Schott, Violoncello
Vladimir Babeshko, Viola
Lambert Orkis, Klavier
André Previn: Klaviertrio
Ludwig van Beethoven: Streichtrio op. 9 Nr. 3 in c-Moll
Dmitri Schostakowitsch: Klaviertrio Nr. 2 op. 67 in e-Moll

von Yehya Alazem 

Als Künstler müssen wir spielen können, wann und wo und was wir wollen. Wir haben nur ein Leben dazu.“
Mstislaw Rostropowitsch (27. März 1927 – 27. April 2007)

Die Musikwoche im Konzerthaus Berlin ist dem legendären Cellisten Mstislaw „Slawa“ Rostropowitsch gewidmet. Alles, was er musikalisch, menschlich und politisch mit seiner Musik vermitteln wollte, kann man dank der phantastischen Musiker an diesem Abend erspüren.

Das musikalische Phänomen Anne-Sophie Mutter, die von Herbert von Karajan als 13 Jahre altes Mädchen entdeckt wurde und in diesem Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum als Solistin in Salzburg gefeiert hat, gehört zu den absolut besten Geigern unserer Zeit. In den 1980er-Jahren spielte sie mit dem Meistercellisten Rostropowitsch, sie machten viele Aufnahmen zusammen.

Am Klavier sitzt Lambert Orkis, seit 25 Jahren Begleiter von Mutter, 54, er ist mit ihr auf den größten Bühnen der Welt aufgetreten. Am Cello Daniel Müller-Schott, der Anfang der 1990er-Jahre Privatunterricht von Rostropowitsch bekam. Die Bratsche spielt Vladimir Babeshko, geboren in Kazan; er hat schon eine Reihe von internationalen Wettbewerben gewonnen und ist seit 2009 Stipendiat der Anne-Sophie Mutter Stiftung.

In seinem 2009 komponierten Klaviertrio mischt André Previn Welten und Epochen zusammen. Im ersten Satz hören wir moderne Musik, der Filmmusik ähnlich, sie behält ihre Tonalität. Man befindet sich irgendwann in den 1920er-Jahren – und wird an die Musik Kurt Weills erinnert, und auch ein kleines Gefühl von Jazz ist da. Die Musiker spielen mit Energie und Freude.

Der zweite Satz fängt in der Romantik an, es klingt ein wenig wie die Musik von Robert Schumann und Johannes Brahms, dann nähert sich der Satz der Jahrhundertwende und der Musik von Richard Strauss und Franz Schreker. Das Cello vermittelt Leidenschaft, die Geige ist eher trotzig, das Klavier ist hoffnungsvoll und nach vorne blickend. Die Musiker verkörpern das Gespräch zwischen den verschiedenen Klangwelten auf phantastische Art und Weise. Sie verschmelzen, und der Satz endet in einem Mysterium.

Der Beginn des dritten Satzes ist wild. Nun sind sich Geige und Cello einig, sie argumentieren aggressiv, während das Klavier Fragen stellt. Das Ganze endet in der Turbulenz der Welt. Die Musiker halten die Präzision und die Transparenz das ganze Werk hindurch.

Das dritte Streichtrio von Beethoven bringt eine unglaubliche Energie und Neuheit hervor. c-Moll ist ja eine zentrale Tonart in Beethovens Kompositionsschaffen – die 5. Symphonie, das 3. Klavierkonzert, drei Klaviersonaten und andere Werke. Das Trio fängt mit Leidenschaft zu spielen an, aber mit ein wenig Vorsicht. Die Musiker spielen kontrolliert, ohne Überfluss von Emotionen, aber sehr empfindlich. Wir spüren eine großartige Subtilität und Spielfreude. Mitten im ersten Satz taucht endlich der starke Charakter von Beethoven auf – der Wille, die Menschlichkeit und die tiefe Innerlichkeit.

Im Vergleich zum ersten Satz spielen die Musiker den zweiten Satz direkter und mit weniger Vorsicht, ohne dabei die Empfindlichkeit zu verlieren. Wie sie den großartigen, ergreifenden Beethoven-Kosmos aufbauen, ist unfassbar! Im dritten und vierten Satz spüren wir das Feuer, den Charakter und die Dominanz in Beethovens Musik. Den Musikern gelingt es, die visionäre, starke Persönlichkeit des Jahrtausendkomponisten aus den Noten herauszukitzeln.

Sein zweites Klaviertrio hatte Dmitri Schostakowitsch seinem Freund Iwan Sollertinski gewidmet, der 1944 im Alter von nur 41 Jahren gestorben war. Die Musiker spielen im ersten Satz weich und melancholisch. Es klingt ängstlich und schicksalsvoll.

Im zweiten Satz geht es schärfer, direkter und kompromissloser zu. Wir spüren immer noch die Trauer, aber auch Rache und Krieg. Das Trio spielt aggressiv und temperamentvoll. Die Pizzicati klingen wie Gewehrschüsse. Im gesamten Klang liegt ein warnendes Gefühl und eine innerliche Sorge. Es ist einfach zauberhaft, wie die Musiker diese Klangwelt ausmalen.

Der dritte Satz klingt tief, innerlich, dem Tode nah. Wir spüren die Schmerzen, das Mitleid, die Menschheit. Im vierten Satz befinden wir uns mitten im barbarischen Zweiten Weltkrieg. Es klingt roh. Man spürt die unglaubliche Spannung des Kriegswahnsinns. Die Musiker spielen sehr authentisch.

An diesem bewegenden Abend konnte man fast alles mitfühlen, was einem Menschen im Leben widerfahren kann. Es war eine Reise zwischen Epochen, Welten und Emotionen, die diese Stunden unvergesslich machte.

Yehya Alazem, 13. November 2017,
für klassik-begeistert.de

 

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