Der Schlauberger 63: Schluss mit fidirallalla – Alles über die arglose Kreatur

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Ich sag’s nur ungern: Unser Umgang mit der harm- und arglosen Kreatur ist manchmal recht großzügig. Deshalb will ich eine Lanze brechen für die, die sich nicht wehren können. „Der Schlauberger 63: Schluss mit fidirallalla – Alles über die arglose Kreatur“ weiterlesen

Die Missa solemnis im Kölner Dom: Kent Nagano dirigiert Beethovens größte Sakralkomposition sensibel – die Akkustik ist teilweise grenzwertig

Besonders bitter – der Videomitschnitt des Konzertes steht in einem krassen Gegensatz zu dem hier geschilderten Konzerterlebnis und unterstreicht noch einmal die gute musikalische Leistung aller Beteiligten, die dem Rezensenten aber größtenteils vorenthalten wurde.

Concerto Köln, Kölner Dom, 29. Oktober 2021

Foto: https://www.harrisonparrott.com/artists/kent-nagano ©

Kent Nagano, Dirigent
Valentina Farcas, Sopran
Rachel Frenkel, Mezzosopran
Werner Güra, Tenor
Andreas Wolf, Bassbariton
Vokalensemble Kölner Dom, Eberhard Metternich, Einstudierung
Concerto Köln

Karlheinz Stockhausen – “Gesang der Jünglinge im Feuerofen”, Elektronische Musik 1955/56
Ludwig van Beethoven– Messe für vier Solostimmen, Chor, Orchester und Orgel D-Dur op. 123 “Missa solemnis” (1819 – 23)

von Daniel Janz

Das Beethoven-Fest Bonn ist als nationale Institution eine der wichtigsten Einrichtungen zur kulturellen Pflege. Jedes Jahr findet die Musik des rheinischen Komponisten-Genies zu diesem Anlass erneut zahlreiche Aufführungen und Zuhörer. Zum Anlass von Beethovens 250. Geburtstag sollte eigentlich schon für das Jahr 2020 seine „Missa solemnis“ im Kölner Dom den strahlenden Höhepunkt bilden. Corona ist es zu verschulden, dass diese Aufführung damals nicht stattfinden konnte. Jedoch wurde mit dem 29. Oktober 2021 ein Ersatztermin gefunden, an dem nun mit viel Medienrummel, strengen Platzanweisungen, Verhaltensmaßnahmen und Live-Aufzeichnung im Fernsehen dieses Ereignis nachgeholt werden konnte.

Beethovens Messe für Orchester und Gesang, ein Spätwerk des rheinischen Meisters, gilt gemeinhin als eine seiner Schlüsselkompositionen. Er selber – zur Komposition dieses Werks bereits vollständig ertaubt – soll es als sein bestes Werk bezeichnet haben. Was könnte also angemessener sein, als dieses Werk im Kölner Dom – selbst ein Bauwerk architektonischer Meisterkunst – aufzuführen? Dazu auch noch zum Anlass von Beethovens 250. Geburtstag. Das ist eine Mischung, die kaum schief gehen kann, die kaum schief gehen darf. Ein besonderes Privileg auch, das sich hier allen Beteiligten bietet und die Kathedrale an diesem Abend auch komplett füllt. „Ludwig van Beethoven, Missa solemnis, Concerto Köln
Kölner Dom, 29. Oktober 2021“
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Das Mozart-Requiem bei den Salzburger Osterfestspielen: eine kurze Andacht statt einer Liturgie

In Salzburg lässt man der Musik den Raum, den sie benötigt, um in Ruhe ausschwingen zu können. Und der mag gar nicht enden. Selbst nachdem Thielemann am Ende die Körperspannung fallen lässt, herrscht Stille. Eine gefühlte Ewigkeit. Die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen würde man fallen hören. Zum Glück fällt sie nicht. Es wäre schade drum. Erst nach einer leichten Handbewegung, mit der Thielemann fast schon um den Applaus bittet, traut man sich. Dann allerdings gewaltig.

Fotos: Christian Thielemann © OFS / Matthias Creutziger

Osterfestspiele Salzburg, Großes Festspielhaus, 29. Oktober 2021
Requiem d-Moll KV 626, Wolfgang Amadeus Mozart

Christian Thielemann, Dirigent
Sächsische Staatskapelle Dresden
Golda Schultz,
Sopran
Christa Mayer,
Alt
Sebastian Kohlhepp,
Tenor
René Pape,
Bass

von Jürgen Pathy

Eigentlich ist er bekannt für das romantische Repertoire. Dass er auch imstande ist als Mozart-Interpret zu begeistern, hat Christian Thielemann nicht erst 2017 bei den Salzburger Osterfestspielen bewiesen. Bereits eine Dekade zuvor fühlte er sich zu Salzburgs Touristenmagneten Nr. 1 hingezogen. 2006 hat er das Mozart-Requiem eingespielt, mit den Münchner Philharmonikern. Das war es dann allerdings fast schon. Mit wenigen Ausnahmen gibt es kaum mehr zu finden, wenn nach Thielemann und Mozart gesucht wird. Das hat seinen Grund. Immerhin war es Thielemann selbst, der einst wissen ließ, dass man sich irgendwann entscheiden müsse: schweres romantisches Repertoire oder der Rest. Beides ließe sich nicht vereinen. Das hat sich am Freitagabend im Großen Festspielhaus in Salzburg bestätigt – phasenweise zumindest.

„Requiem d-Moll KV 626, Wolfgang Amadeus Mozart
Osterfestspiele Salzburg, Großes Festspielhaus, 29. Oktober 2021“
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Sommereggers Klassikwelt 110: Ginette Neveu – Ein nur kurz leuchtender Stern

Als der Pilot der Air France Maschine am 28. Oktober 1949 beim Anflug auf die Azoren die Inseln Santa Maria und São Miguel verwechselte, da er auf Sicht flog, prallte die Maschine gegen einen Berg. Alle 48 Menschen an Bord verloren dabei ihr Leben.

von Peter Sommeregger

Der Flug Paris-New York sollte auf den Azoren zum Auftanken unterbrochen werden. Flüge in die USA waren zu dieser Zeit noch wenigen privilegierten und wohlhabenden Menschen vorbehalten, daher befanden sich unter den Toten nicht wenige bekannte Persönlichkeiten. Unter ihnen war der ehemalige Boxweltmeister Marcel Cerdan, der auf dem Weg zu seiner Geliebten Edith Piaf war. Prominenteste Opfer aber waren die bereits weltberühmte Geigerin Ginette Neveu und ihr Bruder Jean, der seine Schwester auf der vorgesehenen dreimonatigen Tournee durch die USA als Pianist begleiten sollte. „Sommereggers Klassikwelt 110: Ginette Neveu“ weiterlesen

Ladas Klassikwelt 83: Eine Nachtigall im Warschauer Ghetto 

 von Jolanta Łada-Zielke

Der Roman „Sing, Luna, sing. Ein Mädchen erlebt das Warschauer Ghetto“ ist im Urachhaus-Verlag Stuttgart erschienen. Dieses Buch habe ich zufällig in der Vitrine der Bartels-Buchhandlung in Bremen gemerkt. Mein erster Gedanke war: Hätte jemand an einem solchen Ort wie dem Warschauer Ghetto überhaupt singen können? Man weiß nicht, was dort schlimmer war: die allgegenwärtige Armut, der drohende Tod oder die Angst vor dem Tod. Irgendjemand muss hier eine ausgelassene Fantasie gehabt haben, über so etwas zu schreiben. Aber ich beschloss, den Roman trotzdem zu lesen. „Ladas Klassikwelt 83: Eine Nachtigall im Warschauer Ghetto “ weiterlesen

Ein intellektuell weltgewandter Haydn strahlt beim 2. Philharmonischen Konzert in der Elphi

Elbphilharmonie, Hamburg, Großer Saal, 25. Oktober 2021

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Dirigent Andreas Spering
Sopran Layla Claire

Foto: Claire outside the Metropolitan Opera, May 2015. © Wikipedia.com

Joseph Haydn

Symphonie Nr. 75 D-Dur Hob. I:75
Cantata „Miseri noi, misera patria“ Hob. XXIVa:7
Rezitativ und Arie “Misera! Chi m’aiuta” – “Dove fuggo” aus der Oper La vera costanza Hob. XXVIII:8
Symphonie Nr. 102 B-Dur Hob. I:102

von Elżbieta Rydz

Ich muss meine leichten Zweifel beim Studieren des Programms gestehen: Haydn und Symphonie ja, aber Haydn und Solo-Sopran? Kann das gut gehen? Ich bin gespannt auf dieses Konzert, freue mich auf diesen Abend.

Die Symphonie Nr. 75 entstand wohl im Jahr 1779 während Haydns Anstellung als Kapellmeister beim Fürsten Nikolaus I. Esterházy. Schon der erste Satz: Grave – Presto mit der Fortissimo Einleitung und anschliessend aufsteigender  Dreiklangsfigur im Piano erfüllt den Großen Saal der Elbphilharmonie mit harmonischer Wärme und Wohlgefühl. Die Musiker entwickeln sehr schnell eine gemeinsame Mitte, ergänzen sich, folgen spielerisch dem kompositorischen Thema. „Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Andreas Spering, Layla Claire
Elbphilharmonie, Hamburg, Großer Saal, 25. Oktober 2021“
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Strahlendes Nordlicht!

Nicht wenige aus dem beseelten Publikum hätten nach dem langanhaltenden Applaus gerne gleich eine Fähre nach Oslo oder Helsinki bestiegen.

2. Symphoniekonzert in der Musik- und Kongresshalle Lübeck (MUK),
25. Oktober 2021

Foto: Lilya Zilberstein, © ANDREJ GRILC

Jean Sibelius: Karelia-Suite op. 11
Edvard Grieg: Klavierkonzert a-Moll op. 16
Niels Wilhelm Gade: Symphonie Nr. 4 B-Dur op. 20
Jean Sibelius: Finlandia op. 26

Leitung: Takahiro Nagasaki
Klavier: Lilya Zilberstein

Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck

von Dr. Andreas Ströbl

Leidenschaftliche Rhythmik und aufbrandende Emotionen sind nicht gerade das, was man mit dem Adjektiv „nordisch“ assoziiert. Aber genau das gab es mit Entschiedenheit im 2. Lübecker Symphoniekonzert, dem musikalischen Begleitprogramm zur „Nordischen Woche“, die heuer ihr 100-jähriges Jubiläum feiert. Diese Veranstaltung sollte nach dem Ersten Weltkrieg die jahrhundertalten Beziehungen Lübecks zu den skandinavischen Nachbarn wieder mit Leben erfüllen.

Quicklebendig präsentierte sich sowohl programmatisch als auch von der spielerischen Darbietung her das Konzert in der Musik- und Kongresshalle, die endlich wieder ihrem eigentlichen Zweck dienen darf, nachdem sie die Corona-Zeit hindurch das zentrale Impfzentrum der Hansestadt war. „Takahiro Nagasaki, Lilya Zilberstein, Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck“ weiterlesen

Über den Dächern von Nürnberg

Die Oper Leipzig glänzt mit einer herausragenden Produktion von Richard Wagners „Meistersingern“.

Oper Leipzig, 23. Oktober 2021
Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg

Fotos: Oper Leipzig, Die Meistersinger von Nürnberg © Kirsten Nijhof

Musikalische Leitung: Ulf Schirmer
Regie: David Pountney
Bühne: Leslie Travers
Kostüme: Marie Jeanne Lecca
Licht: Fabrice Kebour

Hans Sachs: James Rutherford
Walther von Stolzing: Magnus Vigilius
David: Matthias Stier
Eva: Elisabet Strid
Magdalene: Kathrin Göring
Veit Pogner: Sebastian Pilgrim
Gewandhausorchester
Chor und Zusatzchor der Oper Leipzig

von Kirsten Liese

Ulf Schirmer und David Pountney sind ein bewährtes Team wie einst Daniel Barenboim und Harry Kupfer. Mehrfach haben Dirigent und Regisseur bei den Bregenzer Festspielen packende Produktionen auf die Beine gestellt, ihre allererste Gemeinschaftsarbeit war 1989 der „Fliegende Holländer“ auf der Seebühne. Wie gut die beiden miteinander harmonieren, konnte man zur jüngsten Premiere in Leipzig wieder erleben. Dort galt es  – um das vorwegzunehmen –  die trefflichsten und ansprechendsten „Meistersinger“  seit Jahren zu erleben. Dies vor allem auch deshalb, weil Pountney sich nicht an der NS-Rezeptionsgeschichte und an Wagners Antisemitismus abarbeitet wie so viele Andere in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, sondern sich wieder ganz auf das Stück selbst besinnt.  Folglich ist es auch das mittelalterliche, im Titel verankerte Nürnberg, das hier in nie gesehener Weise Raum erfährt. „Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg
Oper Leipzig, 23. Oktober 2021“
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Testen Sie Ihr Wissen im Klassik-Quiz – Folge 62

In der letzten Woche ging es in unserer Preisfrage um eine zeitgenössische Oper. Der Preis, auf den wir anspielten, war der Grammy Award. Den Grammy für die beste Opernaufnahme gewann im Jahr 2012 Alan Gilbert, als Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters seit 2019 in Hamburg engagiert. John Adams heißt der Komponist, der sich seinen Namen mit dem zweiten Präsidenten der USA teilt (Amtszeit 1797 – 1801). Die Oper, um die es ging, befasst sich mit dem „Manhattan-Projekt“, also der Entwicklung der Atombombe in den USA. Zu einem Opernstoff machte Adams dies unter dem Titel Doctor Atomic, was somit unser Lösungswort war. Wir gratulieren Jennifer Schmitt aus Maintal, die unter den richtigen Einsendungen als Gewinnerin der Überraschungs-CD gezogen wurde! „Das Klassik-Quiz – Folge 62“ weiterlesen

Der Schlauberger 62: Unerhört! Der neue Promi ist leider nicht bekannt

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Die Zeitungswelt ist voll von Unbekannten. Sie kommen vor allem auf der Straße und in Wohn- und Geschäftshäusern vor, am liebsten nachts, wenn alles schläft. Dort treiben die Wesen ihr Unwesen als unbekannte Unerkannte. Und die Polizei hat dann die Gleichung mit manchmal sogar mehreren Unbekannten zu lösen. „Der Schlauberger 62: Unerhört! Der neue Promi ist leider nicht bekannt“ weiterlesen