Zwischen Tod und Leidenschaft: Werke von Schönberg, Saint-Saëns und Ravel flirren in der Elbphilharmonie

Photos: Sophie Wolter

Elbphilharmonie, Großer Saal, 12. Juni 2022

9. Philharmonisches Konzert

Arnold Schönberg
Pelleas und Melisande / Sinfonische Dichtung op. 5

Camille Saint-Saëns
Danse macabre / Sinfonische Dichtung g-Moll op. 40

Maurice Ravel
Tzigane / Konzertrhapsodie für Violine und Orchester
La valse / Poème chorégraphique für Orchester

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Frank Beermann, Dirigent
Arabella Steinbacher, Violine

von Dr. Andreas Ströbl

Eine schwül-impressionistische Atmosphäre prägt die Werke des 9. Philharmonischen Konzerts am 12. Juni 2022 in der Hamburger Elbphilharmonie. Und so erwartete das Publikum im Großen Saal ein Spannungsbogen zwischen Leidenschaft und Morbidität.

Arnold Schönbergs Tondichtung „Pelleas und Melisande“ nach dem Schauspiel von Maurice Maeterlinck gibt einer tragischen Liebesgeschichte, die mit dem Tod der Protagonisten endet, einen rauschhaften, stellenweise beklemmenden Ausdruck. Der Komponist stand damals – wie viele andere Kunstschaffende – unter dem Einfluss der sinnlich-überladenen, symbolistischen Dichtung von Stefan George und so nimmt es nicht wunder, dass Richard Strauss eine Überladenheit auch Schönbergs Frühwerk attestierte. In seinem Gemenge aus Geheimnis und höchster Emotionalität entspricht aber gerade dieses Tongemälde kongenial dem literarischen Vorbild.

Die Interpretation des Dirigenten Frank Beermann allerdings geriet eher hanseatisch trocken. Der „Gott der südlichen Zonen“, wie Gustav Mahler sich ausgedrückt hätte, hielt sich vor allem zu Beginn hier im Hintergrund und das oszillierende Flirren, das dieser Musik in ihrem immer wieder zögernden Vorantasten und Innehalten bis zur ekstatischen Steigerung innewohnt, geriet zuweilen etwas breiig und wenig differenziert. Die spätromantische Treibhausstimmung stellte sich erst zum Ende dieser Musik mit ihren aufwogenden Ausbrüchen und zauberisch-innigen Momenten ein. Diese Komposition endet nicht in einem dramatischen Finale, sie erstirbt – ebenso wie die erschütterte Mélisande nach dem Mord an ihrem Geliebten. „9. Philharmonisches Konzert, Frank Beermann, Dirigent, Arabella Steinbacher, Violine
Elbphilharmonie, Großer Saal, 12. Juni 2022“
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Elphi HH... ceterum censeo: Das Publikum klatscht jegliche Zartheit, Innigkeit und Sehnsucht, die in dieser Musik liegt, tot

… anders formuliert: Die tumbe Minorität quält die klassik-begeisterte Majorität!

Magdalena Kožená zeichnete mit aller gebotenen Zartheit diesen in der Musik einmaligen Abschied, der in völliger Versöhnung das Selbst in die Weite des Universums entlässt.

Das Klatschen zwischen den Sätzen einer Symphonie und den Liedern eines Zyklus zerstört jegliche Spannung, es macht all diese Werke zu Revue-Nummern und nimmt ihnen Würde und Ausdruck. Offenbar meinen diese Leute, dass, wie in einer Fernseh-Show, jede Leistung sofort durch unreflektierten Applaus beantwortet werden muss.

Foto: Daniel Dittus

Großer Saal der Elbphilharmonie, Hamburg, 7. Juni 2022

Richard Strauss: Metamorphosen
Gustav Mahler: Das Lied von der Erde

Chamber Orchestra of Europe
Simon Rattle, Dirigent

Magdalena Kožená, Mezzosopran
Andrew Staples, Tenor

von Dr. Andreas Ströbl

Eine wehmütige Melancholie färbt die Werke von zwei – zeitweise – musikalischen Weggefährten; beide gelten jeweils als deren persönlichste Äußerungen, beide sind im reifen Schaffensstadium entstanden.

Über der Wehklage „Metamorphosen“ von Richard Strauss aus dem Kriegsjahr 1944 schwebt die Trauer über die dramatischen Kriegsverluste durch die Bombardierung der Kulturstätten, an denen der Komponist gewirkt hatte. Der Titel erinnert an die gleichnamige Dichtung Ovids und Strauss ging es um die Darstellung der Verwandlung der Seele in einen anderen Zustand. Der wehklagende Gestus lässt auch an eine Rückentwicklung zu einem Vorzustand denken, der Musikwissenschaftler Timothy Jackson spricht sogar von einer negativen Umwandlung.

Die Musik hat etwas Ruheloses, die Themen greifen in fugenartiger Verschlingung ineinander und werden unentwegt variiert – es gibt nur eine einzige kurze Generalpause im dritten Abschnitt, in dem auch der Trauermarsch aus Beethovens „Eroica“ zitiert wird. Ansonsten erlaubt das Werk kein Verschnaufen, wirkt getrieben wie eine von Schlaflosigkeit geplagte, trauernde Seele, die sich vom bisherigen Leben verabschieden muss. „Richard Strauss, Gustav Mahler
Großer Saal der Hamburger Elbphilharmonie, 7. Juni 2022“
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Junge, komm bald wieder!

Foto: Oslo Philharmonic / Klaus Mäkelä (c) Daniel Dittus

Elbphilharmonie, 1. Juni 2022

Oslo Philharmonic
Klaus Mäkelä

PROGRAMM

Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 3 C-Dur op. 52

– Pause –

Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 5 Es-Dur op. 82

Zugabe:

Jean Sibelius
Lemminkäinen zieht heimwärt / aus: Lemminkäinen-Suite op. 22

von Harald Nicolas Stazol

Danke, Oslo. Danke, Helsinki. Danke, Klaus Mäkelä.

 Was haben wir also in den letzten drei Tagen gelernt, an denen die Abende nachwirkten, die sich zum Sommer anschicken, über Jean Sibelius? Über Wunder, und über Wunderkinder?

Dass in der Elphi alles möglich ist: Sieben Symphonien, eine die andere im dankenswerten Wechsel ergänzend, ein Lebenswerk eines Mannes von wahrer Seelentiefe und Leidensfähigkeit, eines Weisen wie Virtuosen, eines Weltgeistes, einer Haltung, und einer Vision. Eines, der wenn schon an nichts mehr glaubte, dann an die Musik.

Verhältnismäßig wenig hat Sibelius geschrieben, und verhältnismäßig wenige kennen oder verstehen ihn. Man braucht Anleitung von kundiger, verständiger, ja liebender Hand.

Und so haben uns die Oslo Philharmonics an die Hand genommen, unter den Händen jenes Dirigenten, Mäkelä, in dem wohl so etwas wie Fügung ein Jahrhundertphänomen einem wirklich großem Talent in die Hände spielt, wie es mir in dieser Perfektion nicht erinnerlich ist. „Oslo Philharmonic, Klaus Mäkelä,Jean Sibelius Sinfonien Nr.3 und 5
Elbphilharmonie, 1. Juni 2022“
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Oslo Philharmonic und Klaus Mäkelä mit Sibelius – wer hat hier wen im Griff?

Foto: Oslo Philharmonic / Klaus Mäkelä (c) Daniel Dittus

Die Osloer übertreffen sich selbst. Ich weiss um Karajan, Bernstein ist im Goldenen Saal hinreissend, Dame Iona Brown hingegeben, Parvo Järvi glänzt vor Begeisterung, – aber sowas?

Elbphilharmonie, 31. Mai 2022

Oslo Philharmonic
Klaus Mäkelä

Jean Sibelius: Sinfonien Nr. 2 & 4 – Internationales Musikfest Hamburg

von Harald Nicolas Stazol

So muss sich London gefühlt haben, wenn Paganini gastierte. Ich jedenfalls, ach was, die ganze Elphi, von der Rolltreppe bis zur Orgel, Hamburg, von Blankenese bis Steilshoop fiebert dem heutigen Abend entgegen – naja, nicht ganz:

Eine Mutter findet glückstrahlend noch zwei Karten an der Abendkasse, man wartet, während die Dame in der Glasvitrine einen Platz, nein, zwei anbieten kann, aber der Teenie an ihrer Seite, der sie stolze zwei Köpfe überragt, mag nicht so recht. „Ach neeee, Klassik?“ Ich erlaube mir, zu bemerken: „Sie werden es nicht bereuen, es wird ein Erlebnis!“

Nun mag er gar nicht mehr.

Nun, völlig einerlei. Gelingt es mir doch, meine Nachbarin Sabine, die beste Hutmacherin der Hanse, für Jean Sibelius zu begeistern. „Kann ich auch nach der Pause gehen?“, fragt sie vorher schüchtern, fast errötend, – ich gebe zu, wir haben einen Metternich zu Gast, der schnell verschwindet, aber solch leise Fragen erlaubt. Wir sitzen also an der Elbe unter der Elphi, das Rondell am Wasser kannte ich gar nicht, man mag dort eine ruhige Minute vorher verbringen, und sich ein wenig sammeln, oder eben plaudern. „Oslo Philharmonic, Klaus Mäkelä, Jean Sibelius: Sinfonien Nr. 2 & 4
Elbphilharmonie, 31. Mai 2022“
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Jugend, Schönheit und Brillanz: Klaus Mäkelä erntet Jubelstürme in der Elphi

Foto: Klaus Mäkelä © Daniel Dittus

Elbphilharmonie, 30. Mai 2022

Oslo Philharmonic
Klaus Mäkelä, Dirigent

Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 1 e-Moll op. 39

– Pause –

Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 6 d-Moll op. 104
Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105

Zugabe:

Jean Sibelius
Valse triste / aus der Schauspielmusik zu »Kuolema« op. 44

von Harald Nicolas Stazol

Ich muss bei aller Begeisterung anmerken, dass mir niemand auf allen social-media-Kanälen so sehr aufgedrängt wurde wie dieser geniale Jungstar, der scheinbar alles hat: Jugend, Schönheit und Brillanz, gefundenes mediales Fressen von Print und online, von Facebook zu Instagram – nur, weil ich ihn wohl einmal gegoogelt habe. Umjubelt, bestürmt, wunderkindert er nun also vor sich hin.

Wenn sich das erfahrene Oslo Philharmonic diesem nun wirklich sehr jungen Mann hingibt – der nun zugegebenermaßen zu Bewegungen fähig ist, die ich zuletzt in meiner Studi-WG konnte, wenn ich mein Rennrad 5 Stockwerke hochtrug – (man ist ja nun wirklich gesetztere Herren und Damen am Pult gewohnt), dann wird es gute Gründe haben, die nicht nur Marketing sein werden – aber wie dieser Jüngling unter den Dirigenten sich hin- und herwirft, als gäbe es keine Bandscheiben, ist schon bewundernswert! „Oslo Philharmonic Klaus Mäkelä,Jean Sibelius
Elbphilharmonie, 30. Mai 2022“
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Das Kammerkonzert der StipendiatInnen der NDR Akademie überzeugt begeisterte Zuhörer

Foto: StipendiatInnen der NDR Akademie; Foto Patrik Klein

Rolf Liebermann Studio Hamburg, 29. Mai 2022

Mozart, Anderson und Tschaikowsky erklangen im Rolf Liebermann Studio

von Patrik Klein

Die Akademie des NDR Elbphilharmonie Orchesters Hamburg feierte in diesen Tagen ihr zehnjähriges Jubiläum. Klassik-begeistert berichtete bereits ausführlich und interviewte die Hornistin Lucie Krysatis und den Geschäftsführer der Akademie Jens Plücker.

Den Link zu dem bereits erschienenen Artikel finden sie hier:

Interview NDR Akademie, Lucie Krysatis und Jens Plücker Klassik – Klassik begeistert (klassik-begeistert.de)

Wie man auch diesem Artikel entnehmen kann, gibt es einmal im Jahr ein Kammerkonzert der StipendiatInnen der Akademie. Das Konzert fand nun am 29. Mai 2022 im Rolf Liebermann Studio Hamburg statt.

Auf dem Programm standen Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Dave Anderson und Peter Tschaikowsky. Diese Werke wurden eigens von den StipendiatInnen ausgesucht und mit einem der Mentoren, Jens Plücker, gemeinsam einstudiert. Die Moderation des live im NDR Kultur Radiosender übertragenen Konzertes übernahmen Petra Rieß und Stephan Sturm mit Leidenschaft und einer Portion Humor. Zwischen den musikalischen Leckerbissen wurden AkademistInnen und Mentoren über ihre Rolle und Zukunftspläne befragt. „Kammerkonzert der StipendiatInnen der Akademie des NDR Elbphilharmonie Orchesters
Rolf Liebermann Studio Hamburg, 29. Mai 2022“
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Elisabeth Leonskaja und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen entfachen ein funkelndes Beethoven-Feuerwerk

Dank an Elisabeth Leonskaja und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Und Dank an den Komponisten, der so etwas noch immer zum Erlebnis werden lässt!

Foto: Elisabeth Leonskaja, © Daniel Dittus

Internationales Musikfest Hamburg

Elbphilharmonie Hamburg, 26. Mai 2022 (Großer Saal)

Ludwig van Beethoven
Elisabeth Leonskaja, Klavier

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58
Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Sarah Christian, Konzertmeisterin und Leitung

von Dr. Holger Voigt

Lebte er noch, wäre selbst Ludwig van Beethoven aufgesprungen und hätte begeistert applaudiert. Was hier am Abend zelebriert wurde, war ein fast beispielloses musikalisches Feuerwerk, welches das Publikum in der Elbphilharmonie Hamburg geradezu zum Toben brachte. Dabei war es insbesondere das junge Orchester der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, das die Zuhörer von den Sitzen riss. Zuvor hatte die nunmehr 76jährige, in Tiflis, Georgien, geborene und heute in Wien lebende russische Pianistin Elisabeth Leonskaja das 4. Klavierkonzert Beethovens vorgetragen.

Eher selten geworden sind die Konzertauftritte der lebenden Klavierlegende, die vor einem halben Jahrhundert mit Swjatoslaw Richter in Kontakt kam und von ihm kontinuierlich gefördert wurde. Ihr Klavierspiel ist genauso filigran wie ausdrucksstark und meistert jegliche technische Schwierigkeit mit Noblesse und Ausgewogenheit. Sie ist sich über Jahre und Jahrzehnte treu geblieben und versteht es heute wie früher, das Publikum bis in die Sprachlosigkeit hinein zu faszinieren. Auch an diesem Konzertabend gelang es ihr, Blicke und Ohren des Publikums auf den Kern der Musik auszurichten und das ihr persönlich sehr am Herzen liegende Klavierkonzert Beethovens mitfühlend anzuhören. „Ludwig van Beethoven, Elisabeth Leonskaja, Klavier
Elbphilharmonie Hamburg, 26. Mai 2022“
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Dies ist der leiseste Beethoven, der mir je zu Ohren kam

Foto: © Daniel Dittus

Elbphilharmonie, 24. Mai 2022

Orchestra of the Age of Enlightenment
Sir András Schiff

Ludwig van Beethoven (1770–1827)

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37 (1802)
Allegro con brio  Largo
Rondo: Allegro

Joseph Haydn (1732–1809)

Sinfonie Es-Dur Hob. I:99 (1793)

Adagio – Vivace assai Adagio
Menuetto. Allegretto Finale: Vivace

Pause

Ludwig van Beethoven

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58 (1806)
Allegro moderato Andante con moto Rondo: Vivace

von Harald Nicolas Stazol

Wenn man heute von einem Anschlag schreibt, befürchtet man immer das Schlimmste. Doch einen zarteren werde ich wohl nie wieder hören, den des András Schiff nämlich, vom Klavier aus dirigierend, wie Beethoven es tat. Zwei Klavierkonzerte des Genies an einem Abend.

Nur ohne Klavier.

Wie bitte?

Das 5., „Emperor“ genannte, weil Ludwig van Beethoven es Kaiser Napoleon widmete?

Denn tatsächlich: Auf der Empore steht ein Instrument, zwar mit Tasten, und der Form nach eindeutig ein Tasteninstrument in hellbraunem Nußholz, das fällt schon auf, während man noch die Plätze einnimmt – auch fällt auf, dass nur wenige Pulte aufgestellt sind, denn dieses wahrhaft elitäre „Orchestra of The Age of Enlightenment“, das 1986 in London gegründete Ensemble der Aufklärung, ist klein-fein, und wie oft hat man den Namen schon auf NDR Kultur gehört, und immer „unter Sir András Schiff“. Und wahrlich, da ist er, silberhaarig, von unglaublicher Präsenz, doch da spricht er schon, der Ungar: „Es ist schön, endlich wieder vor einem vollbesetzten Haus spielen zu können“ (das hat er gerade in der Wigmore Hall auch gesagt) jajaja, aber wo ist das Klavier? „Orchestra of the Age of Enlightenment, Sir András Schiff
Elbphilharmonie, 24. Mai 2022“
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Asmik Grigorian und Lukas Geniušas zelebrieren Rachmaninow, Mussorgsky und Rimski-Korsakow in tief bewegender Schönheit

Foto: © Dr. Holger Voigt

Elbphilharmonie Hamburg, 24. Mai 2022 (Kleiner Saal)

Liederabend, Musikfest Hamburg, 4. Konzert

Sergej Rachmaninow

Asmik Grigorian, Sopran
Lukas Geniušas, Klavier

von Dr. Holger Voigt

Asmik Grigorian und Lukas Geniušas hätten ohne Probleme den großen Saal der Elbphilharmonie in Hamburg füllen können – doch darum ging es ihnen nicht. Sie bevorzugten das intimere Setting des akustisch hervorragenden kleinen Saals der Hamburger Elbphilharmonie und zelebrierten einen Liederabend von Referenzqualität. Einziger Abstrich waren leider erneut Anteile des Elbphilharmonie-Publikums, das durch unzeitiges Klatschen und zahlreiche Nebengeräusche eine eigene Marke setzte – sehr zum Verdruss der beiden Künstler. Gleichwohl war der Liederabend an Klangschönheit und emotionaler Sogwirkung nicht zu toppen. Es war eine Darbietung von Referenzwert mit unentrinnbarer affektiver Spannung. Stürmischer Applaus und zahlreiche Bravi!-Rufe dankten es den Künstlern.

Das Programm, in großen Teilen auch auf dem CD-Album „Dissonanz“ zusammengefasst, rankte sich um Lieder Sergej Rachmaninows (1873-1943), deren melancholische Grundstimmung beinahe der gegenwärtigen Wahrnehmungsrealität zu entsprechen scheint. Deutlich ist ihnen die postromantisch-modernistische Kompositionssprache anzumerken, die abschnittsweise den Liedkompositionen von Richard Strauss (1864-1949), einem Zeitgenossen Rachmaninows, ähnelt. Dabei zeigt sich die Stimmbehandlung, auch in der nicht-sinfonischen Klavierbegleitung, in allen Facetten wie eine Abfolge opernartiger Szenenbilder, deren emotionaler Ausdruck eine beträchtliche Sammlung und Konzentration erforderlich macht.

Gerade deshalb ist es umso unverzeihlicher, wenn der konzentrative Aufbau einer emotionalen Spannung immer wieder von einem unverständigen Publikum unterbrochen wird, was die Sängerin anfänglich mit einem kurzen, freundlichen Lächeln – fast etwas scheu und schüchtern wirkend – quittierte. Da dieses Fehlverhalten von Teilen des Publikums aber einfach nicht aufhörte, schienen beide Solisten bei gleichbleibender Freundlichkeit und großzügiger Toleranz zunehmend genervt zu sein, was ich nur allzu gut nachvollziehen kann. Es tut einfach nur weh, wenn so ein Verhalten so viel kaputt macht, was mit großer Hingabe aufgebaut und vorgetragen wurde. „Sergej Rachmaninow, Asmik Grigorian, Lukas Geniušas
Elbphilharmonie Hamburg, 24. Mai 2022“
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Christoph Lieben-Seutter stellt das Programm der neuen Saison 2022/23 vor – "ein Höhepunkt jagt den anderen"

(Christoph Lieben-Seutter; Foto: Patrik Klein)

Die Elbphilharmonie Hamburg erstrahlt nach pandemischer Durststrecke wieder optimistisch in neuem Glanz mit einer prallvollen Wundertüte.

von Patrik Klein

Hatte man noch in der letzten Saison mit einigen Absagen und Programmänderungen wegen der Lage bei der Corona Pandemie zu kämpfen und dabei auch finanziell Mindereinnahmen verzeichnet, so blickt man im Angesicht der aktuellen Lage wieder auf ein neues Saisonprogramm, das keine internationalen Vergleiche zu scheuen braucht.

So kann dann auch der Intendant der Elbphilharmonie Hamburg, Christoph Lieben-Seutter, mit stolzer Brust vor VertreterInnen aus der Medienlandschaft die mittlerweile sechste echte Saisonplanung seit der Eröffnung im Januar 2017 verkünden.

Eine prallvolle Wundertüte abwechslungsreicher Konzerte mit Orchestern von Weltklasse neben themenbezogenen, das komplette Spektrum der Musikkultur ausschöpfenden Events auch weniger bekannter InterpretInnen, prägt das vorgestellte Hochglanzsaisonprogrammheft, welches sich lediglich auf einzelne Themenbereiche konzentriert. Die Details und im Laufe des Jahres dazu kommenden Events sind noch ausführlicher und chronologisch auf der Webseite der Elbphilharmonie zu finden.

Dabei dürfte wohl jeder Musikkulturgeschmack bedient werden und jeden Besucher des Hauses vor die Qual der Wahl stellen. „Elbphilharmonie Saisonprogramm 2022/23
Elbphilharmonie, 17. Mai 2022“
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