Bärenstarke Bühnenbilder, meisterhafte Marzelline, Applaus eher mäßig: Mit Fidelio eröffnet die neue Premieren-Serie in der Bismarckstraße

Fidelio, Musik von Ludwig van Beethoven  Deutsche Oper Berlin, 25. November 2022 PREMIERE

Foto: © Bernd Uhlig, Fidelio, Watson, Brimberg

Von bärenstarken Bühnenbildern bis zu einer meisterhaften Marzelline: Viele Sternstunden in der Bismarckstraße, auch, wenn die namenlose Freude in einem nicht so sehr erweckt wird wie bei den befreiten Gefangenen. Für eine Premiere hätte die Stimmung insgesamt besser sein können.

Fidelio

Musik von Ludwig van Beethoven
Libretto von Joseph Sonnleithner und Georg Friedrich Treitschke nach Jean Nicolas Bouilly

Deutsche Oper Berlin, 25. November 2022 PREMIERE

von Johannes Karl Fischer

Solch wunderbar mächtigen Bilder wünscht man sich von jeder Inszenierung des Musiktheaters! Der Vorhang erhebt sich, eine mondartige Wüstenlandschaft in Fidelios Kerker kommt zum Vorschein. Diese bärenstark konzipierte Szene von David Hermann und seinem Bühnenbilder Johannes Schütz lässt die Temperatur im – noch – kuschelig warm beheizten Opernhaus in der Bismarckstraße um gefühlte 10 Grad absacken.  Das ist die hohe Kunst des Theaters: Bühnenbilder, die mit Wärme und Kälte, mit Licht und Schatten malen!

Auch an Brutalität mangelt es in dieser Inszenierung nicht: Leonore alias Fidelio erschießt auf Roccos Befehl einen unschuldigen Gefangenen, um ihn in das ausgehobene Grab – anstelle von Florestan – zu legen. Jenes Grab, in dem am Ende auch Don Pizarro landet. Der selbsterklärte Rächer wird selbst gerächt. Eigentlich sehr starke Bilder, auch, wenn sie die namenlose Freude in einem vielleicht nicht so stark erwecken wie bei den befreiten Gefangenen…

Beim Schlussapplaus überwiegen Buh-Rufe für das Regieteam, war das ein ernst gemeintes Urteil oder gehört das einfach dazu? Nun ja, für eine Premiere hätte die Stimmung insgesamt besser sein können. Viele Arien endeten in einer schweigenden Stille, die eigentlich doch nur nach Applaus schreit.

Vor allem die Marzelline war mit Sua Jo aber herausragend besetzt. So müsste man Beethoven immer singen: Rund, sanft, trotzdem ausdrucksvoll, mit Gefühl eben. Sehr viel Mozart in ihrer Stimme, damit hat sie mehr als recht: Hätte der Schöpfer der Zauberflöte mehr als 35 Jahre auf dieser Erde verbracht, hätte er wohl den Bonner Jahrhundertkomponisten zum Schüler bekommen. Beethoven ist Mozart 2.0, und diese Marzelline ist Pamina 2.0!

Verliebt ist die Kerkermeistertochter in Fidelio – in Wirklichkeit ein Deckname für Florestans Frau Leonore. Ingela Brimberg sang die wohl mutigste Sopranrolle des Opernrepertoires mit viel Bravour und Einsatz. Ihr strahlender Sopran besiegt jede Kälte des Kerkers, jede Härte des Gouverneurs. Ausnahmsweise ist das klassische Opern-Klischee – Tenor kämpft um Sopran – auf den Kopf gestellt.

Da hätte sich Robert Watson als Florestan stimmlich mal gerne etwas mehr an die Hand nehmen lassen können. Sein eher harter, kampfeslustiger Tenor kann vielleicht eine Sieglinde erobern oder die Verbrechen eines Gouverneurs aufdecken, aber sich nicht aus seinen Ketten befreien.

Im Weg der Gerechtigkeit steht nämlich der böse Don Pizarro, und was für eine starke Darbietung dieses Antagonisten war das von Jordan Shanahan! Ein rächender Gouverneur, wie er im Buch steht: donnernd, hasserfüllt, rachesüchtig. Der Lohn für seine Verbrechen ist – in dieser Inszenierung – das Grab. Leider wurde diese stimmliche Meisterleistung mit teils heftigen Buh-Rufen belohnt, warum eigentlich?

Für Rocco (Albert Pesendorfer) – übrigens auch ein Einspringer – gab es hingegen viel Ehrenbeifall. Eine sehr zweispaltige Rolle in dieser Inszenierung, für die Befreiung Florestans lässt ihn David Hermann über Leichen gehen. Wie schon als Veit Pogner sang er zu Beginn etwas murmelig, zum Ende hin mit bärenstarkem Bass.

Gideon Poppes Jaquino und Thomas Lehmann als mächtiger Gerechtigkeitsminister Don Fernando komplettierten die rundum robuste Gesangsbesetzung. Ein Highlight des Abends kam aus dem Graben: Flott und fetzig musizierten Streicher und Bläser, dieser Schlusschor könnte auch glatt den Beinhamen „Eroica“ tragen. Dirigent Donald Runnicles regt die Beethoven’sche Symphonie-Revolution auch in seinem Opernorchester an, der Chor von Jeremy Bines folgt nach und feiert mit einem feurigen Jubelchor den Triumph der Leonore.

Ein wirkliches Feierfest war es dennoch nicht, die grundsolide Gesangsbesetzung brachte aus dem Publikum nicht mehr als mäßigen Applaus heraus. War es das Werk oder die Aufführung?

Johannes Karl Fischer, 26. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

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