Berlin: Michael Volle ist als Falstaff kraftvoll, machtdurstig und souverän

Giuseppe Verdi, Falstaff
Staatsoper Unter den Linden, Berlin
, 28. März 2018
Daniel Barenboim, Dirigent
Mario Martone, Inszenierung
Margherita Palli, Bühne
Ursula Patzak, Kostüme
Michael Volle, Sir John Falstaff
Barbara Frittoli, Alice Ford
Alfredo Daza, Ford
Francesco Demuro, Fenton
Nadine Sierra, Nannetta
Daniela Barcellona, Mrs. Quickly
Katharina Kammerloher, Mrs. Meg Page

von Yehya Alazem

„Falstaff“ wurde Verdis Abschied von der Opernbühne, obwohl Verdi selbst glaubte, dass sein „Otello“ sein letztes Werk sein würde. Niemand glaubte, dass Verdi nach einer großen Reihe von erfolgreichen Tragödien seinen künstlerischen Lebenslauf mit einer Komödie abschließen würde – sein größter Misserfolg war eine komische Oper gewesen: „Un giorno di regno“ (1840). Genau wie beim „Otello“ sorgte Arrigo Boito für das Libretto und schickte Verdi den ersten Entwurf im Sommer 1889, doch wurde die Oper erst im Februar 1893 am Teatro alla Scala uraufgeführt.

„Falstaff“ ist ein Phänomen in der musikalischen Komödie. Der Ausdruck in der Oper ist so direkt und konzentriert und das Gleichgewicht zwischen dem Vokalen und dem Instrumentalen ist so vollendet, dass die Oper wie szenische Kammermusik erlebt werden kann.

Im Falstaff muss einfach alles klappen, sonst wird es schnell langweilig, und an diesem Abend klappt alles genau in der Berliner Staatsoper! Der italienische Film- und Theaterregisseur Mario Martone bietet den Berlinern eine modernisierte Inszenierung voller Lust und Humor, die zwischen der Welt von Falstaff und der Welt von Ford differenziert und mit einer durchdachten Personenregie und vielen „practical jokes“ die Zuschauer lachen lässt. Die Welt von Falstaff ist das arme Leben auf den Bierbänken im Kreuzberger Hinterhof – die Welt von Ford ist das luxuriöse Leben in der modernen Villa, die auch einen Pool hat. Das Bühnenbild wechselt zwischen den zwei Welten in den ersten beiden Akten; im dritten Akt sehen wir nur ein altes, halbzerstörtes Gebäude. Die Handlung ist im Übrigen wie sie sein sollte.

Die Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim liefert ein lebendiges Spiel, das das szenische Geschehen auf wunderbare Art und Weise kommentiert. Die Musiker zeigen eine großartige Spielfreude, und es gab überhaupt keinen Mangel an Präzision. Orchester und Sänger waren an diesem Abend ein einziger Körper!

Der Mexikaner Alfredo Daza überzeugt mit seinem konzentrierten, soliden Bariton als Ford. Er ist kompromisslos in seiner Handlung und vom Anfang bis zum Ende wütend, alle zittern vor ihm.

Die junge amerikanische Sopranistin Nadine Sierra singt eine sehr schöne Nannetta. Sie besitzt einen weichen, ziemlich dunklen Klang, der wunderschön entwickelt ist und in der Höhe glitzert. Als ihr Geliebter Fenton kann der Italiener Francesco Demuro leider nicht vollends überzeugen. Er besitzt zwar einen schönen hellen Tenor, klingt aber fast immer atemlos und anstrengt.

Daniela Barcellona als Mrs. Quickly und Katharina Kammerloher als Mrs. Meg Page liefern sowohl wunderschöne individuelle Einsätze in ihren Rollen als auch ein hervorragendes Zusammenspiel und schöne gesangliche Kontraste.

Barbara Frittoli ist eine phantastische Alice Ford! Ihr Klang ist rund, berührend und hat ein großes Maß an Sensibilität und Eleganz. Sie strahlt mit ihrer Energie und starkem Charakter und sorgt für wunderbare Momente.

Und was soll man über den Titelheld sagen? Hier gibt es keinen Darsteller: Michael Volle IST Sir John Falstaff! Er ist kraftvoll, machtdurstig und souverän. Sein Bariton hat einen unendlichen Facettenreichtum und klingt schön und angenehm in allen Lagen. Darstellerich ist er auch beeindruckend und dominiert die ganze Inszenierung. Diese Leistung ist total vollkommen!

Das ist Musikdramatik und Komödie der absolut höchsten Klasse! Wie Musik und Schauspiel zusammengehen, ist genau das, was man an einem Falstaff-Abend wünscht. Bravi Tutti!

Yehya Alazem, 29. März 2018, für
klassik-begeistert.de

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