Ladas Klassikwelt 33: Wahnfried

Ladas Klassikwelt 33  klassik-begeistert.de

von Jolanta Łada-Zielke

#WirBleibenzuHause – trotz aller Lockerungen, die nach und nach eingeführt werden, ist dieses Sprichwort immer noch aktuell. Während der noch andauernden Pandemie fühlen wir uns zu Hause am sichersten.

Was ist aber mein Zuhause? Ich habe meinen Wohnort schon vielmals gewechselt und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mehr von Menschen als von Orten angezogen bin. Es gibt aber eine Stadt, in der ich mich am wohlsten fühle; dort, wo mein Lieblingskomponist sein Zuhause fand und den Traum seines Lebens erfüllte.

Die Bayreuther Festspiele 2005  waren eine sehr fruchtbare Zeit für mich. Damals machte ich Materialien für drei Medien in Krakau: für das Radio RMF Classic, das Internetradio ART und den Akademischen Radiorundfunksender. Außer Interviews am Grünen Hügel führte ich einige interessante Gespräche an anderen mit Wagner verbundenen Orten in der Stadt. Eines davon war sein Haus Wahnfried, das seit 1976  als Museum funktioniert. Dort unterhielt ich mich mit dem Museums-und Archivdirektor Dr. Sven Friedrich. Ich fragte ihn zuerst nach der genauen Bedeutung des Begriffs „Wahnfried“.

>>Es ist schwer zu erklären, da es sich um ein von Wagner selbst erfundenen Wort handelt <<,  antwortete Dr. Friedrich. >>Teilweise kann das der vom Komponisten selbst gesprochene Satz definieren: Hier, wo mein Wähnen Frieden fand /sei dieses Haus von mir benannt.„Wähnen“ ist ein altes deutsches Wort, das verschiedene Bedeutungen hat:  „hoffen“, „erwarten“, „träumen“, aber auch „Angst haben“. „Wahn“ kann man mit „Einbildung“ oder „Manie“ assoziieren; „Wahnsinn“ heißt „etwas Verrücktes“. All dies enthält der Begriff „Wähnen“. In diesem Haus fand Wagner Frieden von allen Ängsten und Befürchtungen, die ihn quälten. Deshalb nannte er die Villa Wahnfried. <<

Richard Wagner starb 1883 in Venedig und wurde hinter der Villa Wahnfried beigesetzt…

>>Er wünschte sich, seine Ruhestätte wäre  hier, im Garten seines Hauses Wahnfried. Für ihn war es sehr wichtig, wo er seine ewige Ruhe findet. Deshalb organisierte er den Bau seines Grabes noch zu seinen Lebzeiten. Er stand oft, von Cosima begleitet, auf dem Balkon und beobachtete die Fortschritte der Arbeit. Das beruhigte ihn, denn er war sich bewusst, dass er eines Tages diesen Ort brauchen würde. Die Stadtverwaltung von Bayreuth hat anerkannt, dass weder Richard noch Cosima auf dem Friedhof, sondern hier beigesetzt werden wollen. <<

Auch der Lieblingshund des Komponisten wurde hier begraben…

>> Und nicht nur einer. Wagner hatte immer Hunde, besonders Neufundländer. Man kann sagen, dass er verrückt nach ihnen war. Und als einer dieser Tiere starb, waren alle Haushaltsmitglieder sehr traurig. Wagner konnte keinen Platz finden und weinte schrecklich. Die Beerdigung jedes seiner Hunde wurde sehr pompös arrangiert und sie wurden auch im hinter der Villa Wahnfried bestattet. <<

Als ich zurück in Krakau war, schrieb ich dieses Gedicht, zu dem ich Wagners Wahnfried-Spruch „ausgeliehen“ habe:

 Wahnfried (in der Übersetzung von Joachim Neander)

Dies ist eine Stätte, von allem so ferne,

dem ich einst folgte, gerne zumeist.

Wer und warum nur, wüsste ich so gerne,

bracht‘ mich hierhin: ein williger Geist?

 

Mein Leben in seinen wirren, verzweigten

Bahnen wendet sich, hab ich gedacht.

Und als in der Dämmerung die Götter sich zeigten,

fühlt‘ ich mich fremd, doch blieb über Nacht.

 

Hier, wo mein Wähnen Frieden fand,

sei dieses Haus von mir benannt.

 

Du, der im Leben nichts spartest den Deinen,

bewusst Deiner Größe, o Genius Du—

Friede der Asche und Deinen Gebeinen,

hinter dem Hause schlafe in Ruh!

 

Hier, wo mein Wähnen Frieden fand,

sei dieses Haus von mir benannt.

 

Niemand erreicht mich, nichts wird mich rühren,

nur Ruhe, die tief in den Klängen verborgen.

Und Liebe ist wieder aufs Neue zu spüren,

im Herzen keimend, und ledig von Sorgen.

 

Wahnfried (polnische Version)

 

Jest takie miejsce z dala od wszystkiego,

za czym goniłam i co mnie ścigało

nie wiem, kto przywiódł mnie tu i dlaczego

czy duch ochoczy, czy oporne ciało?

 

Myślałam: ot, kolejny zakręt drogi

mojego życia i tak już pokrętnej,

lecz gdy zaskoczył mnie zmierzch cudzych bogów

zostałam na noc, chociaż niezbyt chętnie.

 

Hier, wo mein Wähnen Frieden fand,

sei dieses Haus von mir benannt

 

Ty, co za życia grzeszyłeś wielkością

Geniuszu, świadom potęgi twej ogromu,

pokój Twym prochom, pokój Twoim kościom,

spokojnie śpij na tyłach swego domu!

 

Hier, wo mein Wähnen Frieden fand,

sei dieses Haus von mir benannt

 

Nikt mnie nie dotknie, nic mnie nie dosięgnie,

tylko ten spokój skryty w głębi dźwięków

A nowa miłość, co się w sercu lęgnie

jest po raz pierwszy pozbawiona lęku.

 Jolanta Lada-Zielke, 25. Mai 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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© Jolanta Lada-Zielke

Jolanta Lada-Zielke, 48, kam in Krakau zur Welt, hat an der Jagiellonen-Universität Polnische Sprache und Literatur studiert und danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre beim Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART anlässlich der Bayreuther Festspiele zusammen. 2003 bekam sie ein Stipendium vom Goethe-Institut Krakau. Für ihre  journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie der Liebe wegen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA.  Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den Zwanzigern und Dreißigern. Sie ist seit 2019 Autorin für klassik-beigeistert.de.

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Joachim Neander wurde 1938 in Sopot, ehemals Freie Stadt Danzig, geboren. Nach dem Krieg lebte er hauptsächlich in Deutschland, aber auch einige Zeit in Italien, Frankreich und in den USA. 1999 zog er der Liebe wegen nach Krakau. Er ist Mathematiker, Physiker, Pädagoge und Experte für das Alte Testament. 1997 hat er seine Doktorarbeit in Geschichte verteidigt. Mit diesem Fachgebiet beschäftigt er sich als auf den Holocaust spezialisierter Freiberufler. Er veröffentlicht wissenschaftliche Texte in Deutschland, Belgien, Polen, Tschechien, England, Israel, den USA, in der Ukraine und im Forum: holocaustcontroversies.blogspot.com.
Sein Hobby sind Fremdsprachen.

Joachim schreibt Kurzgeschichten auf Portugiesisch (er ist Mitglied der Gruppe „Escritores Prudentinos“ in Brasilien) sowie Prosa und Gedichte auf Polnisch. Sein literarisches Debüt ist „Nocne widma“(Nachtgespenster), ein 2010 in Krakau veröffentlichter Band. Seit 2019 gehört er zu dem Verband Polnischer Schriftsteller. Joachim ist auch Hobbymusiker: Blockflöte und Saxophon.

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