Sommereggers Klassikwelt 121: Maria Ewing 1950-2022 – samtig dunkle Sopranstimme und brillantes Singschauspiel

Sommereggers Klassikwelt 121: Maria Ewing 1950-2022,  klassik-begeistert.de

 

Fotos: amazon.com

von Peter Sommeregger

Am 9. Januar 2022 starb die Sopranistin Maria Ewing im Alter von 71 Jahren in ihrer Heimatstadt Detroit. Diese Meldung, die in den aktuellen Medien keinen großen Stellenwert hatte, berührt den interessierten Opernfreund aber doch sehr. Aus diesem Anlass sei ein Blick zurück auf die schillernde Persönlichkeit Ewings geworfen.

Maria Louise Ewing wurde am 23 März 1950 in Detroit als Tochter einer Holländerin und eines Afro-Amerikaners geboren. Ihre Ausbildung erhielt sie in Cleveland and New York, wo sie Unterricht bei den ehemaligen Met-Stars Jennie Tourel und Eleanor Steber erhielt. Tourel war Mezzosopran, Steber Sopran, darin könnte der Grund liegen, dass Ewing im Laufe ihrer Karriere Partien beider Fächer in ihr Repertoire aufnahm. Auch ihr frühes Debüt Mitte der 1970er Jahre an der Metropolitan Opera New York ist wohl den guten Beziehungen ihrer Lehrerinnen zu danken.

Nach ihrem Debüt als Cherubino nahm Ewings Karriere schnell an Fahrt auf. Auch Opernhäuser in Europa wurden auf die aparte Sängerin aufmerksam, die neben ihrer musikalischen auch über eine deutliche schauspielerische Begabung verfügte. Bereits 1976 sang sie an der Mailänder Scala die Melisande von Debussy unter Georges Pretre, eine Rolle, für die auch Claudio Abbado sie später verpflichtete und mit ihr auf Schallplatten einspielte.

Große Erfolge feierte Ewing auch in England, wo sie regelmäßig bei den Festspielen von Glyndebourne auftrat. Dort lernte sie auch den Regisseur Sir Peter Hall kennen, der mit ihr einige erfolgreiche Produktionen erarbeitete. Die beiden heirateten im Jahr 1982, wurden aber 1990 wieder geschieden. Der Ehe entstammt eine Tochter, Rebecca Hall, die aktuell als Schauspielerin und Regisseurin erfolgreich ist.

Maria Ewings aparte Erscheinung, ihr schauspielerisches Talent verbunden mit ihrer dunkel timbrierten Sopranstimme machten sie zu einer gesuchten Carmen und Salome, beides Rollen für die Ewings erotische Ausstrahlung sie prädestinierte.

Es existieren erfreulich viele Mitschnitte von Aufführungen mit Maria Ewing. Allen voran ihre Carmen in der Regie ihres damaligen Ehemannes, ebenso die Poppea in Monteverdis Oper, die Deutsche Grammophon veröffentlichte eine Aufführung von Schostakowitsch‘ Oper „Lady Macbeth von Misensk“ aus der Opera Badstille in Paris.
Von ihren Mezzopartien ist besonders die Charlotte in Massenets „Werther“ zu nennen, die in einem Mitschnitt aus San Francisco existiert. Ihre Debüt-Rolle Cherubino verkörpert sie auch in Jen-Pierre Ponelles „Nozze di Figaro“-Verfilmung.

Ewings letzte Rolle war das Monodrama „La Voix humaine“ von Francis Poulenc. Etwa um die Jahrtausendwende zog sich die Sängerin von der Bühne zurück. In Erinnerung bleiben ihre intensiven Rollenporträts, aber auch ihre schlanke, samtig timbrierte Stimme. Unverwechselbaren Singschauspielern wie ihr verdankt die Kunstform Oper ihr Leben!

Peter Sommeregger, 12. Januar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus auf. Schon vor der Einschulung verzauberten ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 1994 lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen‘. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de. Jeden Mittwoch: „Sommereggers Klassikwelt“.

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