Schweitzers Klassikwelt 1: "DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG" AM 3. NOVEMBER 1960 IN DER WIENER STAATSOPER

Schweitzers Klassikwelt 1: „DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG“  klassik-begeistert.de

von Lothar Schweitzer

Diesen Bericht habe ich ganz aus dem Gedächtnis verfasst und erst nachher den Programmzettel wieder in die Hand genommen. Ergänzt habe ich nichts, nur das Aufführungsdatum korrigiert. Wie ich sehe, kann ich mit meinem Langzeitgedächtnis zufrieden sein. Oder  war es das hohe Niveau der Aufführung?

Die Besprechung auf der Kulturseite der Zeitung „Kurier“ begann ziemlich ungewöhnlich mit der Figur des Beckmessers und war voll des Lobes für den Gast Karl Schmitt-Walter. Seine Stimme besaß ein sehr individuelles Timbre und betonte eher die ernste Seite des Merkers. Ich sehe ihn vor mir, wie er mit einem angewinkelten Bein von einem Meister zum andren geht und ihnen die Tafel mit den vielen Strichen präsentiert. Grund für mich, die Aufnahme von „Feuersnot“ mit dem Künstler als Kunrad zu kaufen.

Zwei außerordentliche Tenöre blieben mir von diesem Abend in schöner, bleibender Erinnerung. Wolfgang Windgassens „Morgenlich leuchtend im rosigen Schein“ mit seinen leuchtenden eingestrichenen a´s und g´s habe ich noch heute im Ohr. Windgassen war ein sehr lyrischer Heldentenor. Ich erlebte ihn wenig später als Tamino in der Wiener Staatsoper. Der zweite Tenor war noch nicht so bekannt. Mir war Gerhard Stolze im Frühjahr schon als Rheingold-Mime aufgefallen. Er war ein sehr dynamischer David mit kräftigem hohen a, allerdings mit Kopfstimme: „Das Blumenkränzchen aus Seiden fein, wird das dem Herrn Ritter beschieden sein?“ Er wurde zu einem meiner Lieblingssänger.

Otto Edelmann sang den Hans Sachs, eine seiner selteneren Partien in diesem Haus. In der hohen Lage etwas angestrengt. Ein Wiederhören gab es mit Otto von Rohr als Veit Pogner, der mich anlässlich eines Gastspiels der Württembergischen Staatsoper als Gurnemanz ein Jahr zuvor nachhaltig beeindruckt hatte. Dieser „Parsifal“ war mein erstes Wagnererlebnis gewesen. Jetzt allerdings im Vergleich zum Gurnemanz in einer mittleren Partie. Der mir von der Decca-Schallplatte als Baron Ochs von Lerchenau bekannte Ludwig Weber gab den Kothner. Der samtene, leider sehr früh verstorbene  Bass Ludwig Welter (Osmin, Don Alfonso, Sarastro) sang den Nachtwächter.

Ira Malaniuk war die Magdalena. Eine Sängerin mit noblem Mezzosopran, für die ich – erst zwei Jahre lang Opernfan – mit meinen siebzehn Jahren noch zu wenig reif war.

Lothar Schweitzer, 30. März 2020, für
klassik-begeistert.at und klassik-begeistert.de

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Lothar und Sylvia Schweitzer

Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de:Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk  im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“

 

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Ein Gedanke zu „Schweitzers Klassikwelt 1: „DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG“
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  1. Sehr schön zu lesen. Lustigerweise könnte ich theoretisch von meinen ersten Wiener Meistersingern als 1990 noch 14-Jähriger ebenfalls aus dem Gedächtnis und ohne Programmzettel eine Kritik verfassen.

    Einen charismatischen, prägnanten, wortdeutlichen, wenn auch etwas knorrigen Hans Sachs wie Theo Adam zu erleben, war ein wirklicher Glücksfall, aber auch an die schon etwas reife Helen Donath als Eva, Josef Hopferwieser mit viel Schmelz und guter Höhe, als Stolzing (für William Johns eingesprungen), Gottfried Hornik als Beckmesser, Helmut Wildhaber als etwas grelle David und Kurt Rydl als Pogner erinnere ich mich gerne.

    Gertrude Jahn als Maddalena und Walter Berry als Kothner waren Luxusbesetzungen. Nachtwächter war der Schwiegersohn von Theo Adam, Jürgen Hartfield, bei seinem einzigen Wiener Auftritt. Ich glaube Horst Stein dirigierte, aber das ist das einzige, was ich nicht mehr weiß.

    Helmut Fischer

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