Oper im Krieg

Oper trotz Krieg  Israel Opera, Tel Aviv, 12. Oktober 2023

Israeli Opera, de.wikipedia.org

Israel Opera Tel Aviv spielt weiter und hofft auf „ruhigere Zeiten“

von Dr. Charles E. Ritterband

Die „Israeli Opera“ hat verlautbart, dass die Abhaltung oder Annullierung von Vorstellungen nur kurzfristig angekündigt würden. Israeli Opera führt gegenwärtig die „Zauberflöte“ auf und wird in Kürze „Hanoch Levin – The Opera“ auf die Bühne bringen. Levin (1943 – 1999, Bialik-Preis 1994) war Schriftsteller und einer der führenden israelischen Dramatiker und Regisseure und verfasste insbesondere Stücke für das Tel Aviver Cameri-Theater (Vorläufer der Israeli Opera).
Er machte von sich reden als Kritiker der israelischen Besetzung Cisjordaniens nach dem Sechstagekrieg. Auf Druck der Öffentlichkeit und der damaligen Regierung wurde er seiner Ämter im Cameri enthoben. Für November ist im Opernhaus des Performing Arts Center Tel Aviv die Neuinszenierung (in italienischer Sprache) von Donizettis „Lucia di Lammermoor“ geplant – falls die Umstände dies zulassen. In einer Meldung auf ihrer Website meldet die Operngesellschaft, dass „wegen der gegenwärtigen Situation“ die Kundendienst-Abteilung mit reduzierter Kapazität ihren Betrieb aufrecht erhalte und endet mit der Botschaft: „Wir hoffen auf friedliche und ruhigere Zeiten“.

Verwirklichung einer Utopie

Israels renommierte Oper – die 1985 vom Theaterdirektor Uri Offer und dam Israel Chamber Orchestra gegründete New Israeli Opera, die seit 1994 ein eigenes Opernhaus im Tel Aviv Performing Arts Centre betreibt – bietet dem kulturhungrigen israelischen Publikum, das sich Reisen nach Europa oder in die USA nicht ohne weiteres leisten kann, im Durchschnitt Acht Opern-Inszenierungen jährlich. Die Ursprünge der Oper im damaligen Palästina reichen zurück ins Jahr 1917, als der ukrainische Dirigent Mordechai Golinkin (1875-1963) im utopischen Essay „Citadel of Art in Palestine“ von seiner Vision sprach, Oper nach Palästina – damals noch Teil des osmanischen Reichs und nach dem Ersten Weltkrieg britisches Mandatsgebiet – zu bringen.

Golinkin gründete einen jüdischen Chor mit Vorstellungen in einigen Städten des zaristischen Russland: Höhepunkt war ein Konzert in Petrograd 1918, an dem der legendäres russische Bassist Feodor Chaliapin die „Hatikva“ (Lied von der Hoffnung), die spätere Nationalhymne Israels, sang. Mit den Erträgen aus diesen Konzerten rief Golinkin, der 1923 kam ins erst 14 Jahre zuvor gegründete Tel Aviv, um dort eine Oper ins Leben zu rufen – eine Geschichte, die an Fitzcarraldo und seinen Traum von einem Opernhaus in Manaus erinnert…

Domingo als Star

Am 28. Juli 1923 eröffnete die „Erez-Israel-Opera“ ihre erste Saison mit Verdis „La Traviata“ – in Ermangelung eines Opernhauses in einem Kino: Mordechai Golinkin  dirigierte. Ursprünglich wollte er sein Opernhaus in Jerusalem errichten, entschloss sich dann aber für Tel Aviv, da sich dort die Mehrzahl der Musiker und Sänger niedergelassen hatte. Allerdings schloss die Oper im Jahr 1929 wegen der damals ausgebrochenen Unruhen ihre Tore. 1940 bis 1945 war es die „Palestine Folk Opera“ unter dem Komponisten Marc Lavry und dem Dirigenten Georg Sinter, welche 16 Produktionen auf die Bühne brachte, darunter die erste Oper in hebräischer Sprache („Dan Hashomer“ von Lavry, nach Texten  von Shalom Yosef Shapira und Max Brod).

1945 wurde als Nachfolgerin die Israel National Opera von der amerikanischen Sopranistin Edis de Philippe gegründet. Große Namen standen auf den Programmzetteln – unter anderem, vom 1962 bis 1965, Plácido Domingo. Die israelische Nationaloper hatte Bestand bis 1982, als das Kultur- und Erziehungsministerium ihr den Geldhahn zudrehte – das Ensemble wurde in der Folge aufgelöst. Dennoch: Im Jahr 1985 gründete der Kunst- und Kulturrat die „New Israeli Opera“, als Partnerschaft zwischen dem Cameri Theater Tel Aviv und dem israelischen Kammerorchester. Uri Offer, Generaldirektor des Cameri, wurde der neue Direktor der Oper.

Dr. Charles Ritterband, 12. Oktober 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

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