Diese neue Edition ist eine weitere Bereicherung der inzwischen erfreulich angewachsenen Zahl von Veröffentlichungen der Berliner Philharmoniker auf ihrem Eigenlabel, die nicht nur das Ohr, sondern auch das Auge erfreuen.
Berliner Philharmoniker
Kirill Petrenko
Sergei Rachmaninoff
BPHR 230461
von Peter Sommeregger
Im letzten Jahr wurde des 150. Geburtstages von Sergei Rachmaninoff gedacht, zahlreiche Tonträger wurden dafür neu aufgelegt, auch neue entstanden.
Die nun vorliegende prächtige Box der Berliner Philharmoniker schöpft einmal mehr aus dem Vollen, und veröffentlicht insgesamt vier Konzertmitschnitte, in denen Chefdirigent Kirill Petrenko zwischen 2020 und 2022 Werke seines Landsmannes dirigierte.
Es waren die Jahre der Corona-Pandemie, die zu schmerzlichen Einschränkungen des Konzertbetriebes führten. Die „Symphonischen Tänze“ wurden im Februar 2020 aufgezeichnet, kurz bevor das Musikleben zum Erliegen kam. Die „Toteninsel“ konnte im Januar 2021 nur vor leerem Saal aufgezeichnet werden, die 2. Symphonie im März 2021 vor einem durch Schachbrettanordnung reduzierten Publikum. Das Waldbühnenkonzert mit dem 2. Klavierkonzert im Juni 2022 markierte schließlich die ersehnte Rückkehr zur Normalität. So gesehen ist diese Edition auch eine Chronik und ein Dokument dieser bedrückenden Zeit.
Der Komponist Rachmaninoff, der sich seinen Ruhm auch als Klaviervirtuose erwarb, verbindet in seinen Kompositionen üppige Spätromantik mit durchaus modernen Elementen. Rachmaninoff hatte den Verlust der russischen Heimat, die er der Oktoberrevolution wegen verließ, nie ganz verwunden. Die anklingenden russischen Melodien sind Ausdruck der Sehnsucht nach der verlorenen Heimat.
Kirill Petrenko hat diese Musik gleichsam in seiner DNA, seine Mimik während der Dirigate verrät seine große Affinität zu dieser Musik. Seine Begeisterung greift spürbar auf sein Orchester über und es gelingen denkwürdige Interpretationen. Die reich orchestrierten Symphonischen Tänze, die düstere „Toteninsel“, die durch den Eindruck des gleichnamigen Gemäldes von Arnold Böcklin entstand, erfordern ebenso wie die zweite Symphonie, mit der sich der Komponist vom Trauma des Misserfolges seiner ersten befreite, einen großen Orchesterapparat, den Petrenko zu souveräner Leistung führt.
Im Waldbühnenkonzert vom Juni 2022 war ursprünglich Daniil Trifonov als Solist für Rachmaninoffs 2. Klavierkonzert vorgesehen, nach dessen Erkrankung fand man in Kirill Gerstein einen ebenbürtigen Ersatz. Nur wenige Monate nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine war die Wahl russischer Komponisten für dieses populäre Konzert ein bewusst gesetztes Zeichen. Die Fülle der russischen Kultur, speziell auf dem Gebiet der Musik, hat nichts, aber auch gar nichts mit jenem Mann und seinem Regime zu tun, das die Welt gerade empört.
Der Zufall wollte es, dass Gerstein vor Jahren sein Debüt bei den Berliner Philharmonikern mit eben diesem Klavierkonzert gab. Das spätromantische, schon auf die Moderne weisende Werk ist ein wunderbares Vehikel für große Pianisten. Rachmaninow hat für sich selbst und seine späteren Interpreten einen hohen Schwierigkeitsgrad gesetzt, Gerstein gewinnt mit Souveränität und großer Virtuosität sofort die Herzen des Berliner Publikums. Die Zuhörer, an diesem Ort auch an leichtere Kost gewöhnt, erlagen dem Zauber dieser Klänge, die Gerstein dem Steinway-Flügel entlockte.
Die Edition umfasst zwei Audio-CDs, und eine Blu-ray-Disc, die alle Konzertmitschnitte in gestochener Bildqualität enthält. Ein aufwändig gestaltetes Begleitbuch enthält interessante Textbeiträge und Hintergrundinformationen über die Werke und ihre Aufführungen. Die Illustration bilden reizvolle künstlerische Fotos winterlicher Natur. Für das geschmackvolle Artwork zeichnet Thomas Struth verantwortlich.
Diese neue Edition ist eine weitere Bereicherung der inzwischen erfreulich angewachsenen Zahl von Veröffentlichungen der Berliner Philharmoniker auf ihrem Eigenlabel, die nicht nur das Ohr, sondern auch das Auge erfreuen.
Peter Sommeregger, 14. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD-Rezension: Berliner Philharmoniker, Unsuk Chin klassik-begeistert.de, 28. Dezember 2023
Gustav Mahlers „Blaues Wunder“, Berliner Philharmoniker CD/DVD-Rezension