Science of Senses: Wie Bilder in der Gallery Lazarus erklingen

Gallery Lazarus, SCIENCE OF SENSES,  Wexstraße 42, Hamburg, 7. Juli 2022

Foto: Pianistin Marina Savova (l.) und Malerin Dr. Emilia Ivanova Jücker
© Jolanta Łada-Zielke

In Hamburg-Neustadt, einem der schönsten Viertel der Hansestadt, findet man eine gemütliche Ecke mit mehreren Kneipen, Restaurants und einer Galerie, die an diesem Juliabend von Kunst und Musik von Chopin, Schumann und Mendelssohn Bartholdy nur so wimmelt. Diese Töne konnte man am Großneumarkt nicht nur hören, sondern auch sehen.

von Jolanta Łada-Zielke

Die Gallery Lazarus an der Wexstraße 42 in Hamburg spezialisiert sich auf Fotoausstellungen. Nun nahm sie eine neue Herausforderung an und zeigt die Gemälde zweier Künstler: Dr. Emilia Ivanova Jücker aus Hamburg und Professor Vassilen Vasevski aus Chicago unter dem Titel SCIENCE OF SENSES. Die Gäste der Vernissage am 7. Juli 2022 konnten sich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie Musik die Vorstellungskraft des Schöpfers beeinflusst. Dr. Jücker zeigte dies in einer beeindruckenden Live Performance begleitet von der Konzertpianistin Marina Savova.

Die aus Bulgarien stammende Dr. Emilia Ivanova Jücker ist Naturwissenschaftlerin (Diplom-Chemieingenieurin mit Promotion in Biologie) und hatte für klassische Musik schon immer große Vorliebe. Ihre Malerei ist eine Visualisierung von Tönen aus Klavierkonzerten, Opern und Symphonien in Kurven, die einer seismischen Aufzeichnung ähneln. Beim Live-Musik-Hören registriert sie den Klang in diagrammatische Skizzen. Dann skaliert sie diese, ordnet ihnen Farben zu, die einer bestimmten Emotion entsprechen, und überträgt das Ganze auf Leinwand. So entstehen ihre „Klangbilder“.

Das Programm des kleinen Begleitkonzerts der Vernissage beinhaltet Werke von Chopin, daher bin ich als Polin sehr gespannt. Zunächst schaue ich mir die malerischen Darstellungen seiner zwei Werke an: Walzer in cis-Moll Op. 64 Nr. 2 und Nocturne in Es-Dur Op. 9 Nr. 2. Die melodische Linie bildet stellenweise unregelmäßige Kreise, im Walzer auf goldenem, in der Nocturne auf silbrigem Hintergrund.

Walzer cis-moll (c) Jolanta Łada-Zielke
Chopin Nocturne Es-Dur (c) Jolanta Łada-Zielke

Zwei zauberhafte junge Damen eröffnen die Ausstellung: die Galeristin und Kuratorin Joya Erlebach sowie die Kunsthistorikerin und Kuratorin der Ausstellung Zahra Hasson-Taheri.  Es folgt der musikalische Teil des Abends. Die Aufführung beider Chopin Stücke von Marina Savova vertieft den Eindruck der vibrierenden Fünflinien, die im Gemälde sichtbar sind. Das kleine, weiße KAWAI-Klavier sieht unscheinbar aus, aber sein Klang erfüllt den ganzen Raum und ist auch draußen zu hören, Passanten bleiben vor dem Fenster stehen und lauschen. Der Walzer in cis-Moll, ein sehr nostalgisches für mich mit schönen Erinnerungen verbundenes Stück, erklingt. Wenn man das gut spielt, bekomme ich Tränen in den Augen, und so geschah es auch an diesem Abend.

Joya Erlebach (r.) und Dr. Emilia Ivanova (c) Andreas Schmidt

Bei der „Träumerei“ aus „Kinderszenen“ op. 15 von Robert Schumann zeigt Dr. Jücker zum ersten Mal, wie die Musik ihre Hände zum Schaffen anregt. Sie bewegt ihre Arme, Hände und Finger und zeichnet die Klanglinien in der Luft. Auf dem geöffneten Deckel des Klaviers sieht man die Wiederspiegelung ihrer zwei Bilder, welche die „Träumerei“ in silbernen und himmelblauen Farben darstellen. Richard Wagner sagte, bei Malerei und Bildhauerei stehe die Idee voran und suche sich zu verkörpern [1].

In diesem Fall kommt die Idee gleichzeitig mit der Musik und verkörpert sich in Bewegung. Es fällt ein weiterer Vergleich des Agierens der Künstlerin mit dem Dirigat auf: Der Unterschied besteht darin, dass ein Dirigent jede Note vorzieht, die Malerin hingegen macht das mit einer leichten Verzögerung.

Schumann-Träumerei (c) Jolanta Łada-Zielke

Beim nächsten Werk – Präludium in e-Moll von Felix Mendelssohn – nimmt Dr. Jücker ein Skizzenbuch und malt darin konzentriert die melodische Linie. Das Rascheln des Markers auf dem Papier mischt sich in den Klang der Passagen aus dem Klavier. Im Endeffekt entsteht eine Art Übersetzung der Sprache der Musik in die Sprache der Malerei.

Dr. Emilia Ivanova Jücker (c) Andreas Schmidt

Die Gemälde von Professor Vassilen Vasevski, der sich während der Veranstaltung sehr bescheiden gibt, sind ebenfalls sehr beeindruckend. Der Künstler ist auch Pädagoge und lehrt Zeichnen, Design und Kunstverständnis am Harold Washington College in den USA. Er greift die Themen wie Liebe, Natur und die Metaphysik auf.

Kritiker beschreiben seine Kunst als ruhig, traumhaft und fesselnd fließend; er selbst bezeichnet sie als „metaphysische Romantik“. Ich würde noch „subtile Sinnlichkeit“ hinzufügen. Die Erotik seiner weiblichen Akte finde ich raffiniert und unaufdringlich. Wie Zahra Hasson-Taheri erklärt, zeigen Vasevskis Bilder die Beziehung nicht nur zwischen Menschen, sondern auch innerlich zwischen dem Menschen und sich selbst. Umso mehr passt zu seinen Werken das „Geschenk“ von Marina Savova, die ihm die gewidmete Nocturne op. 6 Nr.2 von Clara Schumann spielt.

Ehe ich die Galerie verlasse, betrachte ich nachdenklich die gemalte Allegorie von Verdis „Aida“ von Dr. Jücker. Es sind zwei miteinander verbundene Herzen auf einem farbigen, aus bunten Linien bestehenden Hintergrund: Aida und Radamès im Tal der Tränen. Die Herzen fallen sofort auf, als würden sie schreien: Hier sind wir, unsere Liebe existiert trotz der Grausamkeit und Gleichgültigkeit der umgebenden Welt!

AIDA (c) Andreas Schmidt

Die Vernissage ist vorbei, die Musik verstummt jedoch nicht. Sie bleibt im Raum und ihre Töne verzaubern sich in den Bildern.

Kommen auch Sie, werter Leser, vorbei, um diese Kunst neu zu entdecken, sie in Ihrer Vorstellung und Ihrem Herzen erklingen zu lassen!

Jolanta Łada-Zielke, 8. Juli 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Die Ausstellung ist  noch bis zum 23. Juli 2022 zu besichtigen.
Öffnungszeiten: Gallery Lazarus, Dienstag bis Freitag von 13:00 – 19:00 Uhr und Samstag von 12:00 – 16:00 Uhr an der Wexstraße 42 / Ecke Großneumarkt in 20355 Hamburg.

Man kann auch eine Führung mit Zahra Hasson-Taheri buchen.

[1] Richard Wagner, Über Trennung und Wiedereinigung der Künste, 1849

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert