Schöne CD-Einspielung der zweiten und dritten Sinfonie unter Yannick Nézet-Séguin.
Sergei Rachmaninoff (1873-1943)
Symphony No. 2 in E minor, Op 27 (1907-08)
Symphony No. 3 in A minor, Op 44 (1935-36)
The Isle of the Dead, Op 29 (1909)
The Philadelphia Orchestra/Yannick Nézet-Séguin
Deutsche Grammophon, DG 486 4775
von Brian Cooper, Bonn
Der joviale Dave Hurwitz war ja so gar nicht begeistert von diesem Doppel-Album: „Uninteresting“, schalt er, und „Not bad, but just not great.“ Umso gespannter war ich darauf, dieses Album endlich selbst zu hören (man kommt ja zu nix), nachdem ich bereits vor ein paar Wochen Hurwitz’ unterhaltsame Rezension (inklusive Gesangseinlage!) bei Classics Today im Netz konsumiert hatte.
Pünktlich zum Rachmaninow-Jahr 2023 erscheinen also bei der Deutschen Grammophon nach der ersten Sinfonie – gekoppelt mit den Sinfonischen Tänzen op. 45 – nun auch die zweite und dritte Sinfonie, nebst der Toteninsel op. 29, mit dem Philadelphia Orchestra unter Yannick Nézet-Séguin. Und um diese Doppel-CD soll es hier gehen.
Alle bisher genannten Werke erklingen am kommenden Wochenende in Baden-Baden; hinzu kommen zwei Werke für Klavier und Orchester mit Daniil Trifonov als Solist. Das Orchester ist bereits in Deutschland; ganz aktuell berichtet eine Freundin völlig aus dem Häuschen vom ersten der beiden Hamburger Konzerte. Wer Rachmaninows Sinfonik in voller Dröhnung mag, tut also gut daran, am Wochenende für drei Abende ins Festspielhaus mitzukommen.
Aufgenommen wurden die Werke zwischen 2018 (2. Sinfonie) und 2022 (Toteninsel). Gerade auf die bereits 2018 eingespielte 2. Sinfonie bin ich in Baden-Baden gespannt: Hat sich in diesen fünf Jahren der Rachmaninow-Klang des Spitzenorchesters unter Yannick verändert, entwickelt – und wenn ja, wie? Und ist das überhaupt erstrebenswert?
Denn schon die CD-Einspielung bietet eine mehr als nur solide Zweite. Das Werk ist Sergei Tanejew gewidmet, dem großen Kontrapunktiker, dessen Musik viel zu selten aufgeführt wird. Rachmaninows Zweite hingegen wird von allen drei seiner Sinfonien vermutlich am öftesten gespielt. Ich bin beeindruckt vom dichten Streicherklang im ersten Satz, der mich an die Amsterdamer erinnert: Endlose Melodielinien, die nirgends versanden, sondern in strahlend-blaue Höhepunkte münden. Schwelgerisches Auskosten.
Das folgende Scherzo ist herrlich trubelig und weckt in dieser Einspielung stellenweise Assoziationen an Jahrmärkte und Karneval; das Adagio ist ein Traum mit berückendem Klarinettensolo gleich zu Beginn und einem weiteren Höhepunkt kurz vor Minute acht, und mit dem Finalsatz endet das Werk in einem wahren Parforceritt. Die überschäumende Energie des Dirigenten ist das, was ich in seinen Konzerten am meisten schätze, und sie zeigt sich auch in vielen seiner Einspielungen. So wie hier.
Die 3. Sinfonie überzeugt im ersten Satz durch jenen warmen Orchesterklang, für den das Philadelphia Orchestra schon seit der Uraufführung des Werks 1936 durch Leopold Stokowski bekannt ist, und nicht zuletzt die bedeutende und jahrzehntelange Ära Ormandy ist ein Meilenstein in der Geschichte des Orchesters.
Der zweite Satz, vielleicht der am wenigsten zugängliche des Komponisten, bietet schönste Solopassagen (zu Beginn klingen Horn und Violine absolut beseelt, im weiteren Verlauf dann auch Englischhorn und Oboe) und blitzsaubere, strahlende Crescendi im Tutti. Und der Finalsatz, man kann’s nicht anders sagen, macht mit seinem vom Philadelphia Orchestra sinnlich dargebotenen Bolero einfach nur Spaß.
Die Toteninsel wird selten genug aufgeführt; umso mehr freue ich mich auf Baden-Baden. Denn die hier vorliegende Aufnahme des op. 29 ist eine der besten, die ich kenne: Sie ist atmosphärisch dicht, von Beginn an stimmungsvoll, und es ist eine sehr profunde und ergreifende Lesart eines düsteren Werks. Man versteht beim Hören sofort, warum der Komponist von Arnold Böcklins symbolistischem Gemälde bewegt war, das ihm zunächst auf einem schwarz-weiß-Foto begegnete.
Bietet dieses Album also etwas Neues? Ist es eine Aufnahme, ohne die man nicht auskommen kann? Diese Fragen kann man nicht mit einem unmissverständlichen Ja beantworten. Aber es ist eine sehr gute Aufnahme. Die Aufnahmetechnik überzeugt, was für meine Begriffe nicht bei jedem DG-Album der Fall ist, und der Orchesterklang ist ohnehin herrlich. Man langweilt sich keineswegs, und auch wenn mir Herr Hurwitz da widersprechen mag, bin ich insgesamt sehr angetan.
Wer sich nicht für eine Aufnahme der Sinfonien entscheiden mag, tut keinen Fehlgriff, wenn er oder sie diesen Philadelphia-Rachmaninow kauft. Aber es gibt natürlich unzählige Alternativen. Zu meinen persönlichen Favoriten gehört Mariss Jansons bei EMI (jetzt Warner) in der Gesamtaufnahme mit den Petersburgern sowie natürlich die Swetlanow-Aufnahmen bei Melodija.
Dr. Brian Cooper, 2. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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