Das Publikum der Oper Bonn unterhält sich bestens mit der Geschichte eines chinesischen Dichters

Clemens von Franckenstein, LI-TAI-PE, DES KAISERS DICHTER  Bonn, Opernhaus, 4. November 2023

Li-Tai-Pe  © Thilo Beu

Die Bonner Oper hat jetzt für November die gute Idee der Wiederaufnahme der unbekannten Oper “Li-Tai-Pe, des Kaisers Dichter” von Clemens von Franckenstein, die im Mai 2022 im Rahmen der Serie “Fokus ’33” Premiere hatte. Allen die, wie ich, diese Aufführung damals verpasst haben, sei diese Produktion ans Herz gelegt. Nicht nur, dass es sich hier um eine absolute Rarität handelt. Auch die musikalische und szenische Interpretation trägt in Bonn dazu bei, dass man einen vergnüglichen und  in allen Belangen künstlerisch anspruchsvollen Abend verbringt.


Clemens von Franckenstein (1875-1942)

LI-TAI-PE, DES KAISERS DICHTER
Oper in drei Akten, op. 43 (Libretto von Rudolf Lothar)

Musikalische Leitung   Hermes Helfricht
Inszenierung                    Adriana Altaras
Bühne                            Christoph Schubiger
Kostüme                               Nina Lepilina

Beethoven Orchester Bonn
Chor und Extrachor des Theater Bonn (Einstudierung Marco Medved)

Mark Morouse            Kaiser Hüan-Tsung
Mirko Roschkowski  Dichter Li-Tai-Pe
Carl Rumstadt             Ho-Tschi-Tschang, Doktor der Kaiserlichen Akademie
Tobias Schabel           Yang-Kwei-Tschung, Erster Minister
Santiago Sánchez      Kao-Li-Tse, Kommandant der Garden
Martin Tzonev            Ein Herold
Tae Hwan Yun             Ein Wirt
Pavel Kudinov             Ein Soldat
Ava Gesell                     Fei-Yen, eine koreanische Prinzessin
Anne-Fleur Werner  Yang-Gui-Fe, ein Mädchen aus dem Volke

Bonn, Opernhaus, 4. November 2023

Von Jean-Nico Schambourg

Clemens von Franckenstein ist vor allem bekannt als letzter Generalintendant der königlichen Münchner Hofoper von 1914 bis 1918.

Diese Stellung hatte er erneut ab 1924 inne an diesem Opernhaus, das in der Zwischenzeit zur “Bayerische Staatsoper” umbenannt worden war. 1934 wurde er von den Nationalsozialisten zum Rücktritt gezwungen und zog sich bis zu seinem Tode im Jahre 1942 gezwungenermaßen ins Privatleben zurück. Er wird öfters als “innerer Emigrant” bezeichnet, da er ein überzeugter Gegner des Regimes war, ein öffentliches Entgegentreten jedoch nie tat.

Beide Perioden unter seiner Verantwortung waren künstlerisch für die Oper München sehr wichtig. Unter seiner ersten Intendanz wurde Bruno Walter zum Generalmusikdirektor ernannt. Ebenfalls wurde Hans Knappertsbusch an die Münchener Oper verpflichtet. Auf dem Programm erschienen damals Opern von Klenau, Korngold, Braunfels, Courvoisier, Graener und Pfitzner.

Nach seinem ersten “Rausschmiss” nahm er sich Zeit, die Komposition seiner Oper “Li-Tai-Pe” fertig zustellen. Die Uraufführung erfolgte am 2. November 1920 in Hamburg. Wiederaufnahmen in München wurden gespielt mit u.a. Julius Patzak und Fritz Krauss in der Titelrolle. Bis 1944 war sie fester Bestandteil deutscher Opernspielpläne. Danach verschwand sie in der Vergessenheit bis sie 2022 von der Oper Bonn wiederentdeckt wurde.

Die Musik hat viele Melodien, die ins Ohr gehen. Vor allem die lyrischen Momente finden großen Anklang. Clemens von Franckenstein verschmilzt in seinem Werk, wie von Musikwissenschaftler beschrieben, “Elemente der von Wagner bestimmten Neuromantik mit einem von Debussy beeinflussten exotischen Impressionismus zu unverwechselbarer Eigensprache”. Aber auch Einflüsse von Richard Strauss, Massenet, Puccini, sowie von Jazz hört man heraus. Mit Momenten fühlt man sich erinnert an Filmmusik großer Hollywood-Blockbuster.

Das Libretto wurde verfasst von Rudolf Lothar, der ebenfalls das Libretto zu d’Alberts “Tiefland” geschrieben hat. Erzählt wird die Geschichte des chinesischen Dichters Li-Tai-Pe (auch Li-Bai genannt). Dieser lebte im 8. Jahrhundert und wurde Anfang des 20. Jahrhunderts im Westen bekannt durch die Übersetzungen von u.a. Hans Bethge. So liegen einige Texte von Li-Tai-Pe in Übertragungen von Bethge Gustav Mahlers Lied von der Erde“ zugrunde. Lothar hat einige Auszüge aus Li-Bais Dichtungen in das Libretto übernommen.

In der Geschichte der Oper schreibt der Dichter Li-Tai-Pe, der sehr gerne dem guten Weine frönt,  ein Gedicht für die Werbung seines Kaisers Hüan-Tsung um die koreanische Prinzessin Fei-Yen. Nach dem Erfolg seines Gedichtes wird Li-Tai-Pe von den neidischen Hofranzen beschuldigt, die Prinzessin verführt zu haben. Yang-Gui-Fe, ein einfaches Mädchen aus dem Volk, das den Dichter im Geheimen liebt, kann aber Li-Tai-Pes Unschuld beweisen. Der Kaiser will Li-Tai-Pe für seinen Werbegesang reichlich belohnen. Dieser lehnt aber alle Titel und Ämter ab und wünscht sich nur guten Wein und ein Leben an der Seite der Frau, die ihm das Leben gerettet hat.

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Li-Tai-Pe © Thilo Beu

Der versoffene, aber geniale Dichter Li-Tai-Pe wird dargestellt von Mirko Roschkowski mit klarer, lyrischer Tenorstimme, die sich aber auch in dramatischen Momenten problemlos über das volle Orchester hinwegsetzt. Anne-Fleur Werner spielt und singt eine wunderbare, liebende Yang-Gui-Fe. Ihr Lied vom Kormoran ist einer der Höhepunkte des Abends. Die Stimme von Mark Morouse hat leider nicht den nötigen Charme und Schmelz, um das Schmachten des verliebten Kaisers auszudrücken. Besser gelingt ihm die Darstellung des eifersüchtigen Herrschers. Baritonalen Wohlklang erzeugt dagegen Carl Rumstadt als Ho-Tschi-Tschang. Thomas Schnabel und Santiago Sánchez sind stimmlich und szenisch überzeugend in der Interpretation der beiden ulkigen Fieslinge, die versuchen Li-Tai-Pe beim Kaiser anzuschwärzen. Auch alle anderen kleineren Rollen passen sich perfekt in eine homogene Ensemble-Leistung ein.

Hermes Helfricht im Orchestergraben leitet mit viel Schwung und Präzision das Orchester der Beethovenhalle. Dieses erklingt mal bombastisch, mal romantisch, so wie es die Geschichte auf der Bühne erfordert. Auch der Chor und Extrachor der Oper Bonn tragen mit präzisem und rundem Chorklang zum Erfolg des Abends bei.

Die Inszenierung von Adriana Altaras sowie die Bühnenbilder und Kostüme von Christoph Schubiger und Nina Lepilina vermischen das moderne und das alte China. Alle gängigen China-Klischees wie Strassenküche, Fahrrad, Drachen, Lampions, usw. werden aufgeführt, ohne dass diese “Chinoiserie” sich je in Kitsch verwandelt. Neben vieler Romantik kommt auch der Humor nicht zu kurz, hauptsächlich durch die Darstellung der vier Mandarine, die verschiedene Szenen durch ihre Gestik untermauern.

 Das Bühnenbild zeigt im ersten Akt auf einer unteren Ebene eine chinesische Strassenküche, während auf einer höheren Ebene die Mandarine die Distanz zum gemeinen Volk unten unterstreichen. Eine riesige Treppe im zweiten Akt trennt das Volk anfangs vom Kaiser, der aber, angezogen durch die Kunst von Li-Tai-Pe, herabsteigt und sich mit dem Volke vermischt. Kunst kennt eben keine sozialen Grenzen. Im dritten Akt ist es die Liebe, die den Kaiser auf eine untere Ebene heruntersteigen lässt.

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Li-Tai-Pe © Thilo Beu

Für alle Beteiligten gibt es am Schluss der Oper viel Applaus vom zum großen Teil jungen Publikum, das sehr viel Gefallen an dieser Aufführung findet. Dies ist ein klarer Beweis, dass sich Zuhörer und Zuschauer auch an angenehm anzuschauenden, unterhaltsamen Opernaufführungen begeistern können und nicht nur lechzen nach der effekthaschenden Möchtegern-Tiefenpsychologie mancher sogenannten modernen Regisseure.

Jean Nico Schambourg, 7. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Georg Friedrich Haendel, Giulio Cesare Philharmonie Luxemburg, 19. Oktober 2023

Schammis Klassikwelt 19: Eileen Farrell klassik-begeistert.de, 17. September 2023

Schammis Klassikwelt 18: Wann geht der nächste Schwan? klassik-begeistert.de, 3. September 2023

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