Paris schwebt: Patrick Lange bettet „Giselle“ auf Rosen

Giselle (Ballett) Jean Coralli, Jules Perrot  Palais Garnier, Paris, 28. Mai 2024

© Julien Benhamou

Einmal Dirigent sein. Aus Reihe 1, Parkett, Opéra Garnier, fühlt es sich beinahe so an. „Fffuuh“, faucht Dirigent Patrick Lange. Seine Freude und Energie spiegelt sich im Orchester wider. Unheimlich lebendig & emotional tiefgründig die Musik, von Eleganz geprägt die Figuren auf der Bühne. „Giselle“, klassisches Ballett at its best.

Giselle (Ballett)
Jean Coralli, Jules Perrot


Palais Garnier, Paris, 28. Mai 2024

von Jürgen Pathy

„Er ist immer am Punkt“. Rubens Simon, erster Solotänzer, sticht nicht nur mir ins Auge. Meine Begleitung, links neben mir, spricht es ebenso laut aus. Gedankenübertragung zur selben Zeit. Faszination, wohin man nur blickt. Dass sie in Paris ihr Ballettensemble noch auf Händen tragen, wird sofort klar. Auftritt Hannah O’Neill, Primaballerina: Szenenapplaus. Die Asiatin rechts neben mir schlägt die Hände vor dem Mund zusammen. Entzückung und Hingabe pur. Der Zauber des Balletts fesselt alle.

Dirigat & Orchester auf höchstem Niveau

Im Graben holt Patrick Lange zum Geniestreich aus. Die Musik, besser könnte sie nicht sein, erweckt er zum Leben. Die Akustik: ein Traum. Die Sorge, Reihe 1 könnte nach hinten losgehen – völlig unbegründet. „Wie macht er das nur?“. Vom ersten Takt: Magie! Die Partitur ein Genuss. Nichts Revolutionäres, was Adolphe Adam der klassischen Choreographie vor die Füße gelegt hat. Viel Mozart, überhaupt bei den Holzbläsern. Beethoven, regelmäßig. Seine Fünfte, sein Violinkonzert – alles blitzt da auf. Die Balance zwischen Dramatik und Frohsinn hat der französische Komponist allerdings genau kalibriert. Keine Minute zu lang. 2 x 50 Minuten, eine Achterbahnfahrt der Gefühle.

„Nach der Pause war es mir zu zäh“, verzieht jemand das Gesicht. Wahrnehmungen eines Gastes, der nicht auditiv veranlagt sein dürfte. Perfekt – bietet doch Ballett für alle Sinne seinen Reiz. Viele Asiaten, fällt auf jeden Fall auf. Der Ferne Osten ringt Europa nicht nur in puncto Solisten und Sängern langsam den Rang ab. Auch in der Pariser Oper heißt es bald hinten anstellen. Hannah O’Neill, die „Giselle“ des Abends, hat vermutlich asiatische Wurzeln. Bei Saki Kuwabara verrät es der Name. Egal, Musik ist universell. Tanz genauso. Ein Ausdruck der Eleganz und des Geheimnisvollen.

Tragisches Ende

Das „Phantom der Oper“ hat sich zwar nicht blicken lassen. Loge 5, erster Rang links, dort soll der Mythos des Romans seine Wiege haben. Der Kronleuchter hält ebenso. 1896 hatten Teile bei einem tragischen Unfall einen Gast erschlagen. Ein Blick nach hinten, alles scheint sicher.

Auf der Bühne ereignet sich aber Tragisches. Giselle, ein einfaches Mädchen, verliebt sich in einen Adeligen. Der muss den Tod der Liebsten hinnehmen. Todesursache: gebrochenes Herz. Das Englischhorn im Graben lässt es bereits kurz zuvor erahnen – ein Synonym für Trauer, Verlust und Schmerz. Der ereilt letztendlich alle. Schlussstrich: schade! Aus diesem Traum wäre man am liebsten nie wieder erwacht.

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