Uri Caine und Rezensenten, Photo: Jan Galperin
Konzert im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals in der St. Gertrud-Kirche Lübeck mit Uri Caine
Uri Caine, Klavier und Moderation
Marko Trivunović, Akkordeon
Elaia Quartett
St. Gertrud-Kirche Lübeck, 25. Juli 2024
von Dr. Andreas Ströbl
Gleichsam als leichtgewichtiger Antipode zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele luden „Meister“ Uri Caine, Marko Trivunović und das Elaia Quartett am 25. Juli 2024, passend zur diesjährigen Mottostadt Venedig, zu Wagner ins venezianische Caféhaus, wobei dies in der Lübecker St. Gertrud-Kirche imaginiert wurde.
In der Tat kam trotz des sakralen Raums alles andere als eine heilige Stimmung auf, denn das muntere Ensemble in einer Besetzung mit Klavier, Akkordeon und Streichquartett, wie man sie im späten 19. Jahrhundert durchaus im berühmten Caffè Florian am Markusplatz und anderen erleben konnte, spielte einen denkbar charmanten, leichtfüßigen Wagner.
„Meisterschüler – Meister“ ist ein Format, das nun schon zum 16. Mal mit ganz neuen Interpretationen bekannter Werke überrascht und mitreißt. Diesmal bildete der amerikanische Pianist und Komponist Uri Caine mit den jungen Leuten eine wundervoll sympathische Einheit, blieb aber meist bescheiden am Flügel im Hintergrund und überließ den Geigerinnen Iris Günther und Leonie Flaksman, der Bratscherin Francesca Rivinius und der Cellistin Karolin Spegg, ergänzt durch Marko Trivunović am Akkordeon, die Vorderbühne und damit die größte Aufmerksamkeit.
Was das freundliche Ensemble mit den fröhlichen Gesichtern an diesem Abend bot, war keine Wagner-Parodie oder Uminterpretation, sondern eine schmiegsame Liebkosung seiner Musik und hatte man noch das „Tristan“-Vorspiel von der Übertragung aus Bayreuth dreieinhalb Stunden zuvor im Ohr, so genoss man gleichermaßen Ernst und italienische Leichtigkeit dieser Darbietung. Und ja – beim „Liebestod“, der ja eigentlich Isoldes Verklärung ist, gab es echte Gänsehaut-Momente, weil die jungen Künstler das Stück mit solch hingebungsvollem Schmelz spielten, dass man im Publikum seliges Seufzen vernahm.
Uri Caine gab zwischendrin ein paar Informationen über Wagners Zeit in Venedig zum Besten; der „Meister“ schätzte als Caféhaus-Liebhaber sogar die Salon-Versionen seiner Musik, konnte sich aber mit Kritteleien zu Tempo oder Dynamik nicht zurückhalten. Alles andere hätte uns auch sehr verwundert.
Vorspiele und Zwischenmusiken aus „Tannhäuser“, „Lohengrin“ und den „Meistersingern“ interpretierte das Ensemble gleichfalls aufgeweckt, spielte mit Dissonanzen und Tempi; da gab es schon die ersten Begeisterungsstürme.
Die von Caine kurz eingeführten Wesendonck-Lieder gerieten wunderbar zart und leidenschaftlich; nach dem dritten Lied hatten auch die wenigen nervigen Klatscher kapiert, dass dies ein Zyklus ist und man konnte die seelenvolle Darbietung angemessen genießen. In dieser Bearbeitung gleichsam unter der Lupe vermochte man auch zu hören, wie modern Wagners Melodieführung hier ist. „Im Treibhaus“ fast walzerhaft wiederzugeben, war eine reizvolle Idee und der angedeutete ¾-Takt nahm dem Stück nichts von seiner Tiefe und dem liebevollen Ernst.
Dass im „Walkürenritt“ die Rosse wirklich wiehern, hat man noch nie so plastisch gehört und die vier Musikerinnen jagten mit ihren Streichinstrumenten wie Wagners Wunschmädchen auf ihren wilden Pferden durch die Wolken um Walhall.
Den entfesselten Beifall lohnte zuerst Caine allein mit jazzigen Mozart-Improvisationen und dem Adagietto aus Mahlers 5. Symphonie – diese Venedig-Reminiszenz musste einfach sein! Das Publikum ließ die sympathischen Musiker nicht ohne weitere Zugabe gehen und so gab es nochmal den „Engel“ aus den Wesendonck-Liedern, diesmal aber mit stärkerer Beteiligung des Akkordeons.
Wer schon auf dem Sprung auf den „Hügel“ war, durfte eine ungemein frische und humorige Einstimmung mit ins Gepäck nehmen, gleichsam als sommerlich-leichtes Lunch-Paket für die Fahrt. Aber auch diejenigen Lübecker, die den Meister-Tempel lieber distanziert wahrnehmen, hatten den größten Spaß. Das war „Wagner Sprizz“ mit Prosecco!
Dr. Andreas Ströbl, 26. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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