Vom musikalischen Überschwang bei den Wertinger Festspielen 2024 konnte man auch im zweiten Teil einfach nicht genug bekommen

Sommerfestspiele in Wertingen – Teil 2

vlnr: Daniel Schliewa, Camilla Nylund, Anton Saris, Annika Egert, Jobst Schneiderat – Stars in Wertingen; Foto Patrik Klein

Sommerfestspiele in Wertingen – Teil 2

von Patrik Klein

Nach drei Tagen Festivalpause (über den ersten Teil berichtete ich bereits kürzlich) standen weitere drei aufregende und knallbunte Programme an drei aufeinander folgenden Abenden im Fokus der Wertinger Festspiele.

Zunächst lockte die Bläserphilharmonie der Stadtkapelle Wertingen mit einem Abend unter dem Motto „Broadway in Wertingen“, an dem auch der junge russische Pianist Evgeny Konnov sein Können zeigte.

Die Musikschule in Wertingen hat mit über 700 Schülern und der Pflege von vier verschiedenen Orchestern einen überregionalen Ruf erlangt. Als Spitzenbesetzung der Stadtkapelle Wertingen genießt die Bläserphilharmonie einen hervorragenden Ruf, den sie auch an diesem Abend unter Beweis stellte.

Unter der musikalischen Leitung des jungen Spaniers Germán Moreno López, der als Musiklehrer für Trompete und Chefdirigent der Wertinger Bläserphilharmonie in der Stadt engagiert ist, wurden dem aufmerksamen Publikum Erfolgsstücke des Broadways präsentiert. Über 60 meist junge Musiker saßen auf der Bühne der wieder einmal ausverkauften Wertinger Stadthalle. Mit einem Kontrabass, einem stark besetzten Schlagwerk, Tuben, Hörnern, Trompeten, Posaunen, Klarinetten, Saxophone, Flöten und Fagotten überreichte sie dem mitgehenden Publikum einen Blumenstrauß voller aufregender Werke.

Bläserphilharmonie Wertingen; Foto Patrik Klein

Es begann mit dem tiefsten Ton, der in der gesamten Orchesterliteratur vorliegt, im „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss, wo das blendend aufgelegte Orchester die erste Visitenkarte abgab.

Es folgten Broadwayhits von Leonard Bernsteins „Symhonic Dances“ aus dem Musical „West Side Story“, Ausschnitte aus Gershwins Oper „Porgy and Bess“, und Elton Johns „Lion King Medley“ aus dem Musical „König der Löwen“.

Das Orchester spielte voller Energie und Leidenschaft und die beinahe 60 Blasinstrumente zauberten eine ganz besondere Wucht gepaart mit leidenschaftlicher Finesse.

Eingewebt in den beeindruckenden Orchesterabend, der von Paul Kaußler humorvoll und kompetent moderiert wurde,  war dann das gemeinsame Interpretieren der bekanntesten Komposition des US-Amerikanischen Broadwaykönigs George Gershwin, seine berühmte „Rhapsody in Blue“. Der von der internationalen Presse hochgelobte junge Pianist Evgeny Konnov gab das „An experiment in modern Music“ mit technisch anspruchsvoller Notation und virtuosem Spiel. Als Zugabe vor der Pause spielten der Pianist und der Dirigent vierhändig den Summertime Blues von Gershwin.

Evgeny Konnov; Foto Patrik Klein

Zum Abschluss erklang dann „Sinatra in Concert“ vom amerikanischen Superstar Frank Sinatra. „New York, New York“ und „I did it my way“ durften dabei natürlich nicht fehlen.

Das begeisterte Publikum dankte den Mitwirkenden mit Jubel und rhythmischem Applaus und erarbeitete sich noch eine weitere Zugabe.

Der Name Camilla Nylund ist in der Opernwelt in aller Munde, jeder kennt sie als Weltklasse Sopranistin, die in dramatischen Partien u.a. von Richard Wagner und Richard Strauss rund um den Globus heiß begehrt ist. Vor zwei Tagen noch umjubelt als die neue Isolde bei den Bayreuther Festspielen, gab sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und Tenor Anton Saris in Wertingen ein fulminantes Konzert unter dem Motto „Stars in Wertingen“.

Die beiden Künstler zeigten dabei, dass man sie nicht nur auf Wagner und Strauss fokussieren sollte, sondern dass ihr Spektrum auch weit darüber hinaus geht. Am Klavier begleitet von dem einfühlsam spielenden Dresdner Liedbegleiter und Pianisten Jobst Schneiderat, kamen Lieder, Arien und Duette aus drei Jahrhunderten zur Aufführung.

Das mitgebrachte Programm der beiden Künstler bestand aus einem Blumenstrauß von innigst geliebten Stücken, bei denen man die Freude am Gesang spürte. Das aufmerksame und disziplinierte Publikum folgte den beiden auch bei ihren gesprochenen Einleitungen mit offenen Gehör und großer Zuwendung. Gerne ließ man sich an diesem Abend in Wertingen musikalisch verwöhnen.

Aus der Königsdisziplin des Gesangs, dem Kunstlied, durfte natürlich Franz Schubert und Richard Strauss nicht fehlen. Schuberts „Ständchen“ aus Shakespeares Cymbeline, „Das Fischermädchen“ aus seinem letzten Zyklus Schwanengesang und „Willkommen und Abschied“, eine Vertonung des berühmten Gedichts von Goethe eröffneten den Reigen an diesem Abend. Anton Saris sang mit lyrischer Leichtigkeit, Souveränität in Aussprache und Gestaltung, mit herrlicher Phrasierung und einer großen inneren Ausgeglichenheit. Ein erstes Highlight also bereits nach wenigen Minuten.

Vier Lieder des Komponisten Richard Strauss folgten mit der „Heimlichen Aufforderung“, „Ruhe, meine Seele“, „Morgen“ und „Cäcilie“. Camilla Nylund zeigte hier ihre große Kunst im Lied voller Farben in der Stimme, hauchte leiseste Töne oder füllte den Saal mit ihrem schier unendlichen Volumen.

Bereits in diesem ernsten Teil des Konzerts zeigten die beiden Künstler ihre Klasse mit hoher Textverständlichkeit, feinster Intonation und mit erkennbarer Freude am Musizieren.

Das Programm wurde nun zunehmend opernhafter mit einer Arie aus Catalanis Oper „La Wally“, in der Camilla Nylund ihre kraftvoll leuchtende Stimme erstrahlen ließ. Ein weiterer Höhepunkt des Abends stellte sich ein, als sie aus Dvořáks Oper „Rusalka“ die weltberühmte Arie „Lied an den Mond“ mit wundervollem Legato, feinster Stimmführung, rührendem Schmelz und strahlenden Farben interpretierte.

Camilla Nylund und Anton Saris – Stars in Wertingen; Foto Patrik Klein

Anton Saris sang dann voller Leidenschaft aus Mozarts Zauberflöte die Arie des Tamino „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“.

Dass die beiden nicht nur gemeinsam durchs Leben gehen, sondern auch zusammen großartige Interpreten auf der Bühne sind, wurde dann kurz vor der Pause deutlich, als die beiden „Glück, das mir verblieb“ aus Korngolds Oper „Die tote Stadt“ sangen. Ihre gesungenen Zeilen erzählten von der Freude der Liebe, aber auch von der Traurigkeit der mit ihr verknüpften Vergänglichkeit des Lebens. Ihre Stimmen vereinten sich voller Harmonie, die Kraft der Liebe preisend, um in einer vergänglichen Welt beständig bleiben zu wollen.

Ganz ohne Richard Wagner ging es natürlich nicht an diesem Abend, denn mit der Arie „Dich teure Halle“ aus der Oper Tannhäuser wurde der zweite Teil eröffnet. Camilla Nylund flutete die Wertinger Stadthalle mit ihrer voluminösen lyrisch-dramatischen Sopranstimme und gab ihre Visitenkarte als eine der weltbesten Wagnerinterpretinnen an das Publikum ab.

Der abschließende Teil des fulminanten Konzerts nahm dann von Stück zu Stück an Heiterkeit zu. Neben Franz Lehárs „Wolgalied“, Johann Strauß’ “Klänge der Heimat“, Robert Stolz’ „Im Prater blühn wieder die Bäume“ und „Wien wird bei Nacht erst schön“, bei denen das Publikum den Refrain mitsingen durfte, kamen dann auch Lieder von Richard Rogers, Victor Young und Hans May zur Darbietung.

Die beiden Lieder von Richard Rodgers lagen Camilla Nylund besonders am Herzen, denn diese hatte sie während der Pandemie in einem Projekt „American Songbook“ mit dem ORF in Wien erarbeitet.

Gemeinsam gesungen wurde das Finale mit Franz Lehárs „Wer hat die Liebe uns ins Herz geschenkt“ aus der Operette „Das Land des Lächelns“.

Das Publikum war mehr als verzückt und dankte mit großem Jubel, Standing Ovations und brachte das Paar noch zu zwei weiteren Zugaben, bei der natürlich „Lippen schweigen“ nicht fehlen durfte.

Wertinger Festspiele, Finale, Désirée von Delft; Foto Patrik Klein

Am Abschlusstag der Festspiele, beim großen Finale, lockte man noch einmal das Publikum aus Wertingen und Umgebung mit einem Reigen der schönsten Melodien aus der Welt der Operette unter dem Motto „Freunde, das Leben ist lebenswert“.

An diesem Finale war dann auch beinahe das gesamte Festspielensemble auf der Bühne. Unter der Moderation der Sopranistin und Schauspielerin Désirée von Delft sowie dem Tenor Philip Lüsebrink, die auch beide selbst mitsangen wurden Annika Egert, Daniel Schliewa,  und Jacoub Eisa von der erfahrenen Pianistin Mira Teofilova, musikalisches Feuer ausstrahlend begleitet.

Ein Who is Who aus der Operettenwelt gab sich ein Stelldichein. Klangvolle Namen wie Franz Lehár, Albert Lortzing, Carl Zeller, Johann Strauß, Paul Linke, Leo Fall und Emmerich Kálmán wurden mit herrlichen Arien, Duetten und Gesamtensembleszenen erstklassig zitiert.

Ob man da „Im Theater ist nichts los“ aus Lola Blau vernahm, „Ach mit solchen Advokaten“ hinter einer Ecke hervor lugte, oder „Dein ist mein ganzes Herz“ geschmettert anstand, die „Berliner Luft“ durch die Stadthalle strömte, Anklänge der Hamburger Reeperbahn zum Vorschein kamen, der Kulturnabel der Welt Wien begrüßt wurde, die Vorherrschaft der Weiber bedauert werden musste und zum Schluss mit allen zusammen über das Studium des weiblichen Geschlechts philosophiert wurde, der Stimmung im Saal gab das Geschehen auf der Bühne von Mal zu Mal einen Schub in Richtung Überschwang.

Lokale Besonderheiten, wie statt dem Salzkammergut „In Wertingen kann man gut…“ oder bei den Klängen der Heimat auf „Fristingen“, dem Geburtsort Annika Egerts anspielend, wurden in das dicht gepackte Programm voller Hits aus der Operette eingewoben.

Wertinger Festspiele, Finale, Désirée von Delft; Foto Patrik Klein

Es wurde auf sehr hohem Niveau musiziert, gesungen, kokettiert, sich passend zum Inhalt positioniert und mit mehr als Worten kommuniziert. Dem Funken blieb daher nichts anderes übrig, als sich auf das Auditorium aus der Wertinger Region auszubreiten.

Die Stimmung in der Wertinger Stadthalle, die bis auf den letzten Platz gefüllt war, ging dann auch zu Recht ab wie eine Rakete zum Silvesterfeuerwerk.

Als Zugabe gabs dann noch „Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“ als kleiner Rausschmeißer, nicht ohne vorher den vielen Helfern, Organisatoren und Unterstützern zu danken.

Eines war bereits jetzt gewiss: im nächsten Jahr werden die Wertinger Festspiele 2025 erneut auf sich aufmerksam machen und mit u.a. Johann Strauß’ Fledermaus aufwarten. Man sollte sich so früh als möglich die begehrten Tickets sichern.

 26.7.24 Broadway in Wertingen (von Gershwin zu Bernstein)

Evgeny Konnov, Klavier
Bläserphilharmonie Wertingen

Leitung: Germán Moreno López

27.7.24 Stars in Wertingen

Camilla Nylund, Sopran
Anton Saris, Tenor

Musikalische Leitung/Pianist: Jobst Schneiderat

28.7.24 Freunde, das Leben ist lebenswert; Die Operettengala

Annika Egert, Sopran
Daniel Schliewa, Tenor
Philip Lüsebrink, Tenor
Jacoub Eisa, Bass

Moderation: Désirée von Delft (Sopran) und Philip Lüsebrink (Tenor)

Klavier: Mira Teofilova

Sommerfestspiele in Wertingen – Teil 1 Stadthalle Wertingen, 22. Juli 2024

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