CD-Besprechung
François-André Danican Philidor
Ernelinde
Princesse de Norvège
Orkester Nord Vox Nidrosiensis
Martin Wåhlberg
CVS 161
von Peter Sommeregger
Der französische Komponist Philidor soll zu Lebzeiten ein genialer Schachspieler gewesen sein, einige von ihm entwickelte Eröffnungen und Verteidigungsstrategien sind in der Welt des Schachspiels bis heute geläufig. Sein Ruhm als Komponist ist dagegen verblasst.
Es ist sehr verdienstvoll, dass das Label Château de Versailles nun in Coproduktion mit dem Opernhaus von Oslo diese große Oper als Weltersteinspielung veröffentlicht. Das Werk entstand im Jahr 1769, also zu einer Zeit, als W.A. Mozart sich anschickte, seine ersten Bühnenwerke zu schreiben. Stilistisch kann man sie als durchaus modern bezeichnen, sie nimmt in Teilen die Reformen Glucks vorweg.
Die Handlung, die im mittelalterlichen Norwegen verortet ist, bietet Gelegenheit für große Tableaus, Fanfaren, Chöre, aber auch individuelle Arien und Ensembles. Eingespielt wurde die Aufnahme im Juni 2024, der eine konzertante Aufführung vorausgegangen war. Als Orchester fungiert das 2018 begründete Ensemble Orkester Nord, das in Trondheim beheimatet ist, dem Schauplatz der Handlung. Unter seinem engagierten Leiter Martin Wåhlberg musizieren zusätzlich das Vokalensemble Vox Nidrosiensis und Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles.
Die Zahl der handelnden Personen ist überschaubar, was dem Ablauf Klarheit und Stringenz verleiht. In der Titelrolle der norwegischen Prinzessin Ernelinde überzeugt Judith van Wanroij mit einem klangschönen, facettenreichen Sopran. Als dänischer König Sandomir bringt Reinoud van Mechelen seinen agilen Tenor zu großer Wirkung, die Beweglichkeit seiner Stimme kommt seiner tragenden Rolle sehr entgegen. Als Ernelindes Vater Rodoald ist Thomas Dolié mit warm timbriertem Bariton zu hören. Der Bassbariton Matthieu Lécroart gibt dem Störenfried Ricimer ein gewichtiges Profil. Auch die kleineren Rollen sind adäquat gut besetzt. Der Chor Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles hat ebenfalls am Gelingen der Aufführung nicht unwesentlichen Anteil.
Dieses nahezu vergessene Werk wieder aufzuführen, und einem größeren Publikum nahezubringen, ist an sich schon ein Verdienst. Die sehr gelungene Einspielung eröffnet die Chance, es auch langfristig dem Vergessen zu entreißen.
Peter Sommeregger, 2. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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