Manuela Uhl: "Ich bin sehr naturverbunden und brauche die Energie des Wassers"

Interview mit der Sopranistin Manuela Uhl – Teil 2  klassik-begeistert.de, 24. Mai 2025

Photo Credit: Xiaojing Wang

Im Interview mit Getong Feng, Doktorandin an der Ludwig-Maximilians-Universität, sprach Prof. Manuela Uhl über ihre Mitwirkung an der Walküre-Inszenierung als Sieglinde in der NCPA Peking und über ihr Leben innerhalb und außerhalb der Opernwelt. Das Interview mit der Sopranistin fand im NCPA Peking statt.

Die aus dem Bodenseeraum stammende Sängerin war zunächst an den Opernhäusern in Kiel und Karlsruhe engagiert, danach Ensemblemitglied an der Deutschen Oper Berlin. Seit 2011 ist Manuela Uhl freischaffend international tätig. Sie ist seit 2015 auch Professorin für Gesang an der Musikhochschule Lübeck.

Interview: Goteng Feng

klassik-begeistert: Sie haben sowohl die Brünnhilde als auch Sieglinde gesungen. Dadurch hatten Sie die Gelegenheit, Die Walküre aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und zu verstehen. Ist diese Oper für Sie vielleicht – gerade durch diese Vielschichtigkeit – zu einem echten Gesamtkunstwerk geworden?

Manuela Uhl: Das kann gut sein. Ich versuche immer, mich auf jede Inszenierung ganz neu einzulassen. Aber ja, jetzt für diesen Ring ist es für mich tatsächlich hilfreich, das Ganze auch aus der Perspektive von Brünnhilde zu kennen. Ich habe die drei Brünnhilden in Walküre, Siegfried und Götterdämmerung bereits gesungen und nun wieder Sieglinde. Insofern weiß ich ziemlich genau, wo die Grenzen von Sieglinde liegen – also, wo sie nicht hin soll.

Brünnhilde ist emotional breiter aufgestellt. Diese Klarheit, diese Pureness im dritten Akt – das ist eine andere Einsamkeit als bei Sieglinde.

Bei Sieglinde ist es eine Verzweiflung, ein Sich-Verloren-Fühlen. Bei Brünnhilde dagegen ist es ein tiefes, kindlich-reines Gefühl des Verstoßen-Seins – aber nicht in der gleichen tragischen Tonalität. Und aus genau dieser Klarheit, aus dieser Reinheit, holt sie die Kraft, sich zu befreien – etwas zu erzwingen, dem selbst ein Gott nicht widerstehen kann. Das ist eine ganz andere Farbe.

Ich würde sagen: Brünnhilde ist strahlender, mädchenhafter – auch stimmlich höher angesiedelt. Sieglinde dagegen ist sinnlicher, stärker mit der irdischen, erotischen Liebe verbunden. Sie bleibt mehr im Menschlichen verankert, während Brünnhilde fast schon übermenschliche Züge trägt.

© Xiaojing Wang

klassik-begeistert: Sie haben schon viele Wagner-Heldinnen gesungen. Haben Sie eine Lieblingsrolle?

Manuela Uhl: Das ist schwierig zu sagen. Meistens ist meine Lieblingsrolle tatsächlich die, die ich gerade singe. Aber auf der Bühne habe ich oft Rollen gesungen, die entweder einen gewissen Wahnsinn oder eine starke Vision in sich tragen, und dabei trotzdem mädchenhaft wirken. Vom Typ her werde ich auf der Bühne oft für diese agilen, visionären Figuren besetzt. Und da passt Senta sehr gut. Ich glaube, ich habe etwa 17 Fliegender Holländer-Produktionen gemacht – diese Rolle ist mir wirklich ans Herz gewachsen.

Aber ich liebe auch Elsa. Sie ist viel passiver – da muss man als Sängerin viel mehr tun, um aus ihr eine Heldin zu machen. Aber Wagner hat in ihr definitiv eine Heldin gesehen, das muss man herausarbeiten. Und Elisabeth finde ich großartig – besonders wenn man in der gleichen Inszenierung auch Venus singt. Diese Gegenüberstellung ist darstellerisch eine große Herausforderung – und auch stimmlich. Und ich liebe Herausforderungen.

klassik-begeistert: Vielleicht hat das auch etwas damit zu tun, dass Sie am Meer wohnen und dadurch vielleicht eine tiefere Verbindung zum Fliegenden Holländer verspüren?

Manuela Uhl: Ja, da haben Sie wahrscheinlich recht. Ich will den Fliegenden Holländer jetzt nicht über alles stellen, aber der Bezug zum Meer ist mir wirklich wichtig. Ich bin am Bodensee aufgewachsen und hatte immer Wasser in der Nähe – es gehört irgendwie zu meinem Leben dazu. Mein Mann ist leidenschaftlicher Segler, und wir haben ganz bewusst beschlossen, an die Ostsee zu ziehen – und das sogar entgegen karrieretechnischer Überlegungen. Ich bin sehr naturverbunden und brauche die Energie des Wassers.

Photo Credit: Xiaojing Wang

Das Meer ist für mich auch ein Rückzugsort – ein Platz, um mich zu sammeln, zur Ruhe zu kommen. Tatsächlich habe ich die Senta einmal einen ganzen Sommer lang ausschließlich auf dem Boot gelernt – das war etwas ganz Besonderes. Und Wagner selbst wurde ja auch durch eine stürmische Flucht aus Riga per Schiff inspiriert. Diese Erfahrung – die Seekrankheit, die Stürme, die Orientierungslosigkeit – all das hat ihn tief bewegt und zur Atmosphäre des Stücks beigetragen. Ich kann das sehr gut nachvollziehen: diese Unruhe, das Getrieben-Sein, aber auch die Dankbarkeit, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

klassik-begeistert: Wir haben heute viel über das Überschreiten von Grenzen gesprochen. Als Sängerin haben Sie auf der Bühne ebenfalls die Möglichkeit, Grenzen zu überschreiten – etwa das Leben von Sieglinde zu erleben, ihre Gefühle nachzuempfinden.

Manuela Uhl: Ja, da haben Sie absolut recht. Es ist tatsächlich eine Art Befreiung von den Zwängen des normalen Daseins – dass man sich auf der Bühne plötzlich neu erfinden kann. Dieser Beruf macht es möglich, in ganz unterschiedliche Welten einzutauchen, die Perspektive zu wechseln – und sogar das Alter zu verändern. Das ist eine wunderbare Form von künstlerischer Freiheit.

klassik-begeistert: Sie haben 100 Rollen im Repertoire, gibt es da noch Pläne, Wunschrollen?

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Manuela Uhl: Ich hätte eigentlich letztes Jahr in Neuseeland die Isolde singen sollen, konnte aber krankheitsbedingt leider nicht reisen. Diese Partie möchte ich auf jeden Fall noch machen – sie reizt mich sehr für die Zukunft. Dasselbe gilt für Elektra. Allerdings möchte ich nicht, dass das als ein „Fachwechsel“ verstanden wird. Ich bin und bleibe im jugendlich-dramatischen Fach zu Hause. Und auch wenn das vielleicht schon eine gewisse Grenzüberschreitung ist – meine Stimme trägt es, die Expressivität ist da – liebe ich dennoch mein Kernrepertoire und möchte dort auch weiterhin verwurzelt bleiben.

Ich finde es wichtig, breit aufgestellt zu sein. Auch Elisabeth und Elsa möchte ich im Repertoire behalten – obwohl viele denken: Wenn man einmal Brünnhilde gesungen hat, kann man das nicht mehr glaubhaft verkörpern. Aber ich kämpfe sehr für die Reinheit des Tones, und die ist gerade diesen Rollen wichtig. Wagner wird ja oft sehr vibratoreich gesungen, aber ich versuche, die Stimme schlank zu halten. Ich versuche überhaupt, möglichst breit gefächert zu bleiben – auch durch das Liedrepertoire. Es hilft mir, die feinen, kleinen Farben in der Stimme zu bewahren.

Photo Credit: Xiaojing Wang

klassik-begeistert: Herzlichen Dank, liebe Manuela Uhl, dass Sie sich so viel Zeit für dieses Gespräch genommen haben.

Getong Feng, 24. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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