Blu-ray/CD-Besprechung:
Arnarsson türmt optische Reminiszenzen an die jeweilige Vergangenheit der Liebenden auf, lässt dabei aber außer Acht, dass die Beiden im Original sich noch im Teenageralter befinden. Hier mag ihn die Tatsache fehlgeleitet haben, dass er es bei der Besetzung 2024 konkret mit einem Paar zu tun hatte, das zusammen deutlich über hundert Jahre alt ist.
Wagner
Tristan & Isolde
Bayreuther Festspiele
Semyon Bychkov Dirigent
Thorleifur Örn Arnarsson Regie
Deutsche Grammophon
Blu-ray 004400736685
von Peter Sommeregger
Richard Wagners „Handlung in drei Aufzügen“ Tristan und Isold gilt als sein persönlichstes, emotionalstes Werk. Es in Bayreuth auf die Bühne zu bringen, heißt sich an der der Königsdisziplin zu versuchen. Die Neuinszenierung für die Festspiele 2024 vertraute man dem Isländischen Regisseur Arnarsson und dem Bühnenbildner Vytautas Narbutas an, für die Kostüme zeichnet Sibylle Wallum verantwortlich.
Es ist nicht einfach, unter ihnen den Hauptschuldigen für das eklatante Misslingen der Produktion zu ermitteln. Ein schlüssiges Konzept ist nicht zu entdecken, der Personenführung stehen die zum Teil grotesken Versatzstücke im Weg, und Isoldes überdimensioniertes, mit Zitaten vollgekritzeltes Kleid schrammt haarscharf an der Lächerlichkeit vorbei.
Keine guten Voraussetzungen also für dieses herausfordernde Werk. Arnarsson türmt optische Reminiszenzen an die jeweilige Vergangenheit der Liebenden auf, lässt dabei aber außer Acht, dass die Beiden im Original sich noch im Teenageralter befinden. Hier mag ihn die Tatsache fehlgeleitet haben, dass er es bei der Besetzung 2024 konkret mit einem Paar zu tun hatte, das zusammen deutlich über hundert Jahre alt ist.
Mit der Überfrachtung der Bühne einerseits mit Schiffselementen, andererseits mit Trödel aller Arten, verbaut er sich buchstäblich den Spielraum, den die Protagonisten benötigen würden, um frei agieren zu können. Die nicht ausreichend beleuchtete Bühne verschluckt optisch die Darsteller, da fällt kaum noch auf, dass der Regisseur auch noch wesentliche Handlungselemente verändert. Der Liebestrank wird nicht getrunken, das hymnische Liebesduett mutet eher wie der Streit eines alten Ehepaares an, Melot verletzt Tristan nicht, der aber später trotzdem an einer Verletzung sterben wird, am Ende vergiftet sich Isolde, was vielleicht der massivste Eingriff in die Intentionen Wagners ist.
Unter diesen negativen Vorzeichen hatten es die Sänger schwer, ihren Rollen Profil zu geben. Am besten gelang dies Andreas Schager, dessen Tristan in einer eigenen Liga spielt und mit schier unerschöpflichen vokalen Mitteln den Abend dominiert.
Günther Groissböcks König Marke ist mit schwarzem Bass ein ebenbürtiger Gegenspieler. Etwas schwächer der zu gemütlich gezeichnete Kurwenal von Ólafur Sigurdarson, der mit starkem Vibrato kämpfte.
Bereits eine Bayreuther Institution ist die Brangäne Christa Mayers, die mit balsamischem Mezzo starke Akzente setzte. Zwiespältig fiel die Leistung Camilla Nylunds aus. Die Sängerin hat sich in der Spätphase ihrer Karriere noch das hochdramatische Fach erarbeitet, dafür aber viel von den lyrischen Qualitäten ihres Soprans geopfert. Einige Spitzentöne gelingen vorzüglich, aber eine Hochdramatische ist Nylund per se nicht. Ihre Isolde bleibt ziemlich eindimensional, was aber auch der Regie geschuldet ist, die sie auf ein monströses Kostüm reduziert.
Semyon Bychkov legt sein Dirigat eher breit an, aber spätestens in Teilen des dritten Aktes gelingen ihm wunderbar herausgearbeitete, filigrane lyrische Passagen. In der Summe steht eine überzeugende musikalische Realisierung einer peinlich missglückten, so gut wie nicht stattfindenden Inszenierung gegenüber. Am Ende bejubelt das Publikum die Sänger und Bychkov, das Leitungsteam wird lautstark abgestraft.
Eine kleine Beckmesserei noch zum Artwork der Produktion: Tristan & Isolde liest sich ein wenig wie ein Firmenname. Der korrekte Titel ist Tristan UND Isolde. Der optisch störende Hinweis auf die Altersfreigabe der FSK kann bei vielen Konkurrenzlabels ganz einfach entfernt werden, hier leider nicht, was die Ästhetik doch stark beeinträchtigt.
Peter Sommeregger, 10. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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