Saint-Jean-Baptiste in Saint-Jean-de-Luz © Dr. Brian Cooper
Das teilweise mitfilmende Publikum ist begeistert vom Konzert des Orchestre National de France in einer schönen Kirche.
Bertrand Chamayou, Klavier
Orchestre National de France
Philippe Jordan, Dirigent
Maurice Ravel (1875-1937) – Pavane pour une infante défunte; Klavierkonzert G-Dur; Rapsodie espagnole; Alborada del gracioso; Boléro
Saint-Jean-de-Luz, Église Saint-Jean-Baptiste, 4. September 2025, 20 Uhr
von Brian Cooper
Dieser sinfonische Abend bleibt vor allem wegen der beeindruckenden Spielstätte in Erinnerung, der Kirche Saint-Jean-Baptiste in Saint-Jean-de-Luz. Sie ist geschichtlich nicht ganz unbedeutend, heiratete doch der Sonnenkönig, Louis XIV, am 9. Juni 1660 dort die Infantin Maria Teresa von Spanien, als eine der im Pyrenäischen Frieden von 1659 festgehaltenen Bedingungen.
Mit einer Infantin, zumindest dem Titel nach, begann auch das Programm des Abends: Ravels Pavane pour une infante défunte. 1899 geschrieben und elf Jahre später orchestriert, gehört es zu einer Reihe von Werken, die Ravel ursprünglich für Klavier geschrieben hatte.
Schon hier erwiesen sich die Holzbläser des Orchesters als herausragend. Das Solo-Horn war, um einen fußballerischen Ausdruck zu bemühen, „noch nicht auf dem Platz“, die Flöte dafür umso mehr.

Bertrand Chamayou, der Intendant, hatte gerade einmal drei Stunden zuvor im Klaviertrio brilliert. Nun war er Solist im Klavierkonzert G-Dur. Einmal mehr erwies sich bei diesem wunderbaren Ravel-Festival eine Kirche als akustisch nahezu völlig unproblematisch. Wenn man auch vielleicht nicht die allerkleinsten Feinheiten wahrnehmen kann wie beispielsweise in einer Elbphilharmonie, so waren doch einige Details bemerkenswert durchhörbar. Ich habe das Klavierkonzert oft gehört, und erst an diesem Abend wurde mir bewusst, wie subtil Ravel das Schlagwerk, etwa Gong und Becken, einsetzt. Das Horn war nun bei der tückischen Stelle im ersten Satz voll da, die Harfe ohnehin.

Chamayou gilt als einer der führenden Ravel-Interpreten, und das völlig zu Recht. Seine Introduktion im langsamen Satz führte dazu, dass gefühlt alle gebannt lauschten, was an diesem Abend nicht durchweg der Fall war. Englischhorn, Flöte und Oboe brillierten unauffällig zum Ende des zweiten Satzes. Und Philippe Jordan führte das Orchestre National de France elegant und auf hohem Niveau durch sämtliche Fährnisse des Klavierkonzerts, so auch im wilden Ritt des kurzen Finales.
In einer witzigen Ansprache vor seiner Zugabe sprach Chamayou davon, dass man das Gesamtwerk für Klavier bereits zwei Tage zuvor gegeben habe, diesbezüglich somit keine Pfeile mehr im Köcher, der Laden sei „leergekauft“ („plus rien dans le magasin“). Gelächter. Er wartete jedoch mit einer Kostbarkeit auf: seinem eigenen Arrangement des kurzen Stücks Trois beaux oiseaux du paradis.
Nach der Pause folgte dann sehr spanisch geprägtes Repertoire, das im Boléro mündete, dem mit Abstand bekanntesten Werk des Basken, das „leider keine Musik“ enthalte, so der Komponist. Zunächst aber begann die viersätzige Rapsodie espagnole mit einer einmal mehr starken Holzabteilung im Prélude à la nuit. Eine Wonne waren die Bass-Pizzicati der Malagueña, die perfekt zu hören waren. Luftig, leicht und elegant der dritte Teil, die Habanera, bevor die Feria genau das wurde, was der Titel besagt: ein Fest.

Alborada del gracioso, 1905 als Teil der Miroirs geschrieben und 1918 von Ravel orchestriert, wurde unter Jordans Leitung zu einer heißblütigen, schwungvollen Nummer, mit großartigem Fagottsolo und ebenso gutem Schlagwerk. Ravel setzt geschickt Kastagnetten ein, um spanisches Flair zu verbreiten. Jordan kostete alle kompositorischen Raffinessen des Schlusses aus, um das Publikum zu begeistern.
Das verhielt sich nur teilweise vorbildlich. Es bleibt mir schleierhaft, was zum Teufel es bringen soll, wenn man mit dem Smartphone, also in schlechter Klangqualität, Ausschnitte filmt oder, wie die Dame vor mir, den gesamten Boléro. Zumal Fernsehkameras mitfilmten und das Konzert irgendwann daher übertragen wird. Hinter mir war sogar ein emmerdeur, der mit der Blitzfunktion filmte, natürlich dauereingeschaltet. Der zufällig angetroffene Engländer, Andrew, der mir angenehm aufgefallen war, weil er ständig vor Konzerten mit dem letzten Roman von Javier Marías in Cafés abhängt, sagte hinterher treffend: „Die können das Konzert doch gar nicht genießen! Und die Anderen auch nicht!“
Dieses Verhalten einer Minderheit trübte eine ansonsten sehr gute Aufführung des Paradestücks. (Lobend sei besonders das Saxophon hervorgehoben.) Was bleibt, ist die besondere Atmosphäre in einer beeindruckenden Kirche und die Erkenntnis zum einen, dass Kirchen nicht per se für Orchester ungeeignet sind, und zum anderen, dass es leider zunehmend seltener wird, ungestört Musik hören zu können. Der Pessimist in mir bezweifelt, dass selbst eine Ansage vorweg Abhilfe schaffen würde.
Dr. Brian Cooper, 5. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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