Die Trumpfkarte der neuen „Norma“ ist der Pollione Stefan Pops

CD-Besprechung: Vincenzo Bellini, Norma  klassik-begeistert.de, 5. Oktober 2025

CD-Besprechung:

Vincenzo Bellini
Norma

Melody Moore  Norma
Stefan Pop  Pollione
Roxana Constantinescu  Adalgisa

Transylvania State Philharmonic
Pier Giorgio Morandi  Dirigent

San Francisco Classical Recording 2011163

von Peter Sommeregger

Vincenzo Bellinis bedeutendste Oper erlebte erst um die Mitte des letzten Jahrhunderts durch Maria Callas eine Renaissance auf der Opernbühne. Seither ist diese Oper mit dem überdimensionalen Nimbus der Ausnahmekünstlerin Callas für andere Interpretinnen belastet.

Für diese Neuaufnahme, die im Sommer 2024 im rumänischen Cluj stattfand, übernahm Melody Moore die Titelrolle. Ihr kräftiger Sopran verfügt durchaus über die technischen Voraussetzungen für diese anspruchsvolle Rolle – dass exponierte Passagen nicht unbedingt schön klingen, ist nur bedingt ein Manko. Auch die Callas stellte in ihrer Interpretation Wahrhaftigkeit des Ausdruckes über Schöngesang. Moore gelingt eine engagierte, glaubwürdige Interpretation der Druidenpriesterin.

Ihre Gegenspielerin Adalgisa wird von Roxana Constantinescu mit rundem, agilen Mezzosopran gesungen. Ein Problem besteht allerdings darin, dass das Timbre ihrer Stimme jenem von Melody Moore sehr ähnlich ist. Das erschwert die Identifikation der jeweiligen Sängerin, man muss tatsächlich dem Libretto folgen, um immer zu wissen, wer gerade singt. Zudem wird der erwünschte Effekt verschiedener Stimmlagen in den Duetten der beiden Frauen nicht erreicht. Dieses Manko relativiert sich allerdings, wenn man bedenkt, dass Bellini die Partien ursprünglich für zwei Soprane schrieb.

Star der Aufnahme ist eindeutig Stefan Pop, der dem Pollione genau jenes Macho-Gehabe verleiht, das die Figur unsympathisch, den Gesang aber interessant macht. Vor Jahren gewann Pop den Operalia-Wettbewerb Plácido Domingos und hat seither international Karriere gemacht. Sein Tenor hat Kraft, ist höhensicher und setzt sich mühelos auch gegen das Transylvania State Philharmonic Orchester durch. Er klingt über weite Strecken geradezu heldisch, auf die weitere Entwicklung seines Rollenspektrums darf man gespannt sein.

Als Normas Vater Oroveso macht Adam Lau trotz leichtem Bass-Tremolo eine insgesamt gute Figur. Noémi Modra als Normas Dienerin Clotilde, und Eusebiu Hutan als Flavio ergänzen die Besetzung.

Die Einspielung vermittelt durchaus atmosphärische Dichte und ist nach längerer Zeit wieder eine neue Interpretation von Bellinis Meisteroper, die speziell dank Stefan Pops Leistung hörenswert ist.

Peter Sommeregger, 4. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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