CD-Besprechung:
Wolfgang Amadeus Mozart
Flötenkonzert G-Dur, KV 313
Konzert für Flöte und Harfe C-Dur, KV 299
Flötenkonzert D-Dur, KV 314
Anna Besson, Flöte
Clara Izambert, Harfe
A Nocte Temporis
Reinoud van Mechelen, musikalische Leitung
Alpha Classics, Alpha 1115
von Dirk Schauß
Wer bei Mozart an die großen Opern oder an das Requiem denkt, liegt natürlich nicht falsch – aber man übersieht leicht, dass der Meister auch mit der Flöte ein paar ganz bezaubernde Dinge angestellt hat. Zugegeben, er war nicht gerade ihr größter Fan. Irgendwas mit „ich mag die Flöte nicht“ soll er mal gesagt haben. Wenn man aber diese neue Alpha-Classics-Aufnahme hört, möchte man ihm leise widersprechen.
Anna Besson, eine Flötistin mit der seltenen Mischung aus klanglicher Feinheit und einem kleinen Schuss Wagemut, hat sich Mozarts Flötenkonzerte vorgenommen – KV 313, 314 und das berühmte C-Dur-Konzert für Flöte und Harfe, KV 299. Begleitet wird sie von A Nocte Temporis, jenem wunderbar wachen Ensemble, das sie 2016 mit Reinoud Van Mechelen gegründet hat. Und das Ergebnis? Etwas mehr als eine Stunde Musik, die so frisch klingt, als hätte Mozart sie gestern geschrieben.
Das erste Konzert, KV 313 in G-Dur, beginnt federleicht – so durchsichtig, dass man leicht Angst hat, ein falscher Atemzug könnte die Balance stören. Doch Besson weiß genau, wie viel Luft sie braucht, um die Melodien schweben zu lassen. Das Adagio ist pure Ruhe – ein musikalischer Pulsschlag, der nie stillsteht, aber alles entschleunigt. Die Bläser leuchten, die Streicher atmen, und man merkt: Hier stimmt die Chemie. Dann dieses Rondo! Ein kleines Spiel aus Licht und Schatten, verspielt und ein bisschen verschmitzt, fast so, als würde Besson den Zuhörer necken: „Na, kommst du mit?“
Dann natürlich das berühmte Duo-Konzert KV 299, das Mozart in Paris für einen adeligen Vater und seine harfespielende Tochter komponierte – beide offenbar begabte Dilettanten, wie man damals sagte. Besson und die Harfenistin Clara Izambert machen daraus allerdings kein höfisches Lehrstück, sondern ein funkelndes Zwiegespräch. Das Allegro hat Schwung, aber nie Druck; das Andantino trägt einen leichten Anflug von Humor, so ein stilles Schmunzeln, das eher an Haydn erinnert als an den überfeinen Mozart. Und im Rondo wird’s dann richtig charmant: Flöte und Harfe tanzen umeinander herum, während das Orchester leise von der Seite kichert.
Was bei beiden Solistinnen beeindruckt, ist diese unangestrengte Meisterschaft. Da sitzt jeder Ton, aber es klingt nie nach Probelokal oder Studio – eher nach einem sehr guten Tag auf der Bühne. Besson phrasiert mit einer Art natürlicher Eleganz, als würde sie nicht darüber nachdenken, sondern einfach erzählen. Izambert wiederum zaubert auf der Harfe einen Klang, der gleichzeitig silbrig und warm ist, so als würde sie die Sonne in die Saiten strahlen lassen.
Das zweite Flötenkonzert, KV 314 – ja, das aus dem recycelten Oboenkonzert – klingt in dieser Aufnahme so lebendig, dass man das Wort „Umarbeitung“ am liebsten streichen möchte. Es ist schlicht ein Fest der Beweglichkeit. Im Allegro fließt alles, nichts stockt, nichts drängt. Das Adagio öffnet einen Raum voller Wärme, und im Finale darf’s auch mal tänzerisch werden. Besson spielt da mit so viel Genauigkeit und gleichzeitig solcher Freude, dass man innerlich mit dem Fuß wippt.
Und das Orchester? Wach, beweglich, aufmerksam. Kein Ton überflüssig, keine Geste zu viel. Man hört, dass A Nocte Temporis keine Truppe von Spezialisten ist, die auf Originalklang pochen, sondern Musiker, die miteinander reden – oder besser: zuhören. Van Mechelen dirigiert mit leichter Hand, gibt Impulse, aber lässt laufen, wenn’s läuft. Und es läuft.
Die Klangqualität verdient ein Extralob. Aufgenommen in einer kleinen Kirche, klingt alles weit, aber nicht hallig. Man hört das Atmen der Flötistin, das feine Klappern der Klappen – diese kleinen Nebengeräusche, die eine Aufnahme lebendig machen. Nichts steril, nichts geglättet. So, als säße man wirklich mitten drin, vielleicht in der dritten Reihe, leicht seitlich.
Was diese CD besonders macht, ist ihr Tonfall: freundlich, witzig, ein bisschen verspielt – wie Mozart selbst, wenn er gut gelaunt war. Besson und ihre Mitstreiter nehmen die Musik ernst, aber nicht zu ernst. Sie gönnen ihr kleine Freiheiten, lassen die Töne mal lächeln, mal flirten. Und das steckt an.
Am Ende bleibt dieses Gefühl, dass man gar nicht so viel über Mozart wissen muss, um diese Musik zu genießen. Sie erzählt sich selbst. Und Besson erzählt sie so, dass man ihr gerne zuhört – egal ob man Flötist ist oder einfach jemand, der einen freien Nachmittag mit schöner Musik verbringen will.
Kurz gesagt: Diese Aufnahme ist kein Pflichtprogramm, sondern Vergnügen pur. Elegant, lebendig, mit Witz und einem Hauch Unfug. Mozart hätte daran, man darf es ruhig vermuten, seine helle Freude gehabt.
Dirk Schauß, 13. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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