Dieser „Don Pasquale“ ist eine Hommage an das Prekariat und den schlechten Geschmack

CD/Blu-ray-Besprechung: Donizetti, Don Pasquale  klassik-begeistert.de, 14. Oktober 2025

CD/Blu-ray-Besprechung:

Unvoreingenommen würde man meinen, die Regie hätte in den Händen eines Anfängers gelegen. Wenn man aber bedenkt, dass Amélie Niermeyer es zu einigem Ruhm gebracht hat, so muss man sich fragen, wie ein solcher zustande kommt.

Donizetti
Don Pasquale

Orchestra Donizetti Opera
Coro dell’Accademia Teatro alla Scala

Iván López-Reynoso  Dirigent

Amélie Niermeyer  Regie

Dynamic 58067

von Peter Sommeregger

Diese Produktion von Donizettis komischer Oper wurde ursprünglich für das Opernhaus in Dijon entwickelt, die nun veröffentlichte Aufzeichnung fand im November 2024 im Teatro Donizetti in Bergamo statt.

Kritisch betrachtet ist der Plot der Oper tatsächlich stark aus der Zeit gefallen. Die Konstellation, alter Hagestolz will sich verheiraten, und wird von einem cleveren Vertrauten zum Schein mit einem sanften Mädchen verkuppelt, das sich aber schnell als herrschsüchtige Megäre entpuppt. Der alte Mann löst die Verbindung wieder und das Mädchen, in Wahrheit Geliebte eines Neffen, darf diesen nun heiraten. Wir begegnen diesem Stoff immer wieder, z.B. in Richard Strauss’ „Schweigsamer Frau“, wo sie allerdings durch das Libretto Stefan Zweigs erheblich subtiler angelegt ist.

Die Regisseurin Amélie Niermeyer verlegt die Handlung in die Gegenwart, was eigentlich nicht funktionieren kann. Alle Gegebenheiten der ursprünglichen Handlung sind heute so nicht mehr relevant, was zu einer durchgängigen Diskrepanz zwischen gesungenem Text und Bühnengeschehen führt.

Niemeyer versucht ganz explizit, die verschiedenen sozialen Schichten vom wohlhabenden Don Pasquale und dem Intrigenschmied Dr. Malatesta und der jungen Norina herauszuarbeiten. Dabei vergreift sie sich gewaltig, immerhin ist Malatesta Akademiker, und Norina als Geliebte des Neffen Ernesto praktisch bereits Teil von dessen Gesellschaftsschicht. Sie als in ihrem Auto hausende Aussteigerin zu zeichnen, ist nicht der einzige, aber ein gravierender Fehlgriff der Regisseurin.

Niermeyer ließ sich von Maria-Alice Bahra ein Bühnenbild und Kostüme entwerfen, die um den Preis der geschmacklosesten und unkleidsamsten ihrer Art wetteifern. Das Bühnenbild von zeitloser Beliebigkeit erweist sich streckenweise als reichlich ungeeignet für die Handlungsabläufe. Unvoreingenommen würde man meinen, die Regie hätte in den Händen eines Anfängers gelegen. Wenn man aber bedenkt, dass Amélie Niermeyer es zu einigem Ruhm gebracht hat, so muss man sich fragen, wie ein solcher zustande kommt.

Die musikalische Realisierung der Produktion trägt schwer an der szenischen Verunstaltung des Werkes.

Der Dirigent Iván López-Reynoso versucht mit dem Orchestra Donizetti Opera zu retten, was zu retten ist und begleitet die Sänger behutsam und sensibel. Die Besetzung ist qualitativ unterschiedlich.

Der Star der Aufführung ist zweifellos der Ernesto des Javier Camarena. Er verströmt den Schmelz seiner Tenorstimme, mehr wäre in dieser hilflosen Regie auch nicht möglich.

Roberto de Candia in der Titelrolle bemüht sich, das Klischee des übergewichtigen alten Mannes abzuliefern, was ihm auch gelingt.

Der Malatesta des Dario Sogos singt passabel, kann seiner Rolle aber nicht den Charme und Witz der Figur vermitteln.

Bleibt Giorgia Mazzola als Norina, die das bedauerlichste Opfer der Regie wird. Hässliche Kostüme und eine falsche Charakterisierung lassen fast vergessen, dass sie gesanglich durchaus stimmig agiert.

Diese Aufführung ist ein klassisches Beispiel dafür, wie schlechte Regie ein populäres Werk in Misskredit bringen kann.

Peter Sommeregger, 14. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Auf den Punkt 2: Gaetano Donizetti (1797 – 1848), Don Pasquale, klassik-begeistert.de, 24. April 2024

Gaetano Donizetti, Don Pasquale Staatsoper Hamburg, 23. April 2024 

Gaetano Donizetti, Don Pasquale, Royal Opera House, London, 14. Oktober 2019

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