Belcea Quartet © privat
Im Rahmen eines hochkarätigen Quartettabends wird dem Ensemble in Bonn diese Ehre zuteil. „Muss es sein? Es muss sein!“
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) – Streichquartett Nr. 19 C-Dur KV 465, „Dissonanzen-Quartett“
Benjamin Britten (1913-1976) – Streichquartett Nr. 2 C-Dur op. 36
Ludwig van Beethoven (1770-1827) – Streichquartett Nr. 16 F-Dur op. 135
Belcea Quartet:
Corina Belcea, Violine
Suyeon Kang, Violine
Krzysztof Chorzelski, Viola
Antoine Lederlin, Violoncello
Beethoven-Haus, Bonn, 25. November 2025
von Brian Cooper
Das Konzert des Belcea Quartet ist ausverkauft, wie so oft im Bonner Beethoven-Haus mit seinen nur 199 Plätzen. Dennoch bleiben etwa zehn Prozent der Plätze leer. An der arg umhergewirbelten Programmänderung dürfte das weniger gelegen haben, standen doch mit Mozarts „Dissonanzen-Quartett“ (statt Mendelssohns op. 12) und Benjamin Brittens zweitem Quartett (statt Fanny Hensel) attraktive Werke auf dem Programm. Und statt Beethovens op. 132 gab es eben sein op. 135, das 16. und letzte Streichquartett mit dem Finalsatz „Der schwer gefasste Entschluss“, in dem ein gravitätisches „Muss es sein?“ lebensbejahend von einem quirlig-emphatischen „Es muss sein!“ beantwortet wird.
Das international besetzte und vor knapp über 30 Jahren in London formierte Belcea Quartet, nach seiner Primaria Corina Belcea benannt, gab einen herausragenden Abend. Bereits die ersten Mozart-Takte versprachen Innigkeit im Zusammenspiel und eine Tiefe, die während des ganzen Abends beibehalten wurde. Fabelhaft, wie die Binnenstimmen sich quasi die Bälle zuwarfen. Der zweite Satz war von erlesener Zartheit, das Menuett spielerisch und das Trio stürmisch. Der Finalsatz blühte förmlich und endete in purer Schönheit.
Benjamin Brittens Streichquartette 1-3 sowie seine drei Divertimenti hat das Quartett bereits 2005 für EMI eingespielt, noch mit Alasdair Tait am Cello und der viel zu früh verstorbenen Geigerin Laura Samuel. Im Konzertsaal hört man diese Werke allzu selten und konnte somit die herbe Schönheit des zweiten Quartetts erleben, dessen Tonart, C-Dur, Tonalität verspricht, die auch weitestgehend bestehen bleibt. Das halbstündige Stück bietet mitnichten die schwere Kost, die einige vielleicht vermuten würden.
Es ist voller Atmosphäre, die durch geschickt eingesetzte Effekte erzeugt wird: Glissandi im Kopfsatz, geisterhafte unisono-Passagen im zweiten, und im langen sostenuto-Finalsatz, „Chacony“, eine Punktierung, die stets für Unruhe sorgt. Die Belceas fungierten als Anwälte einer hörens- und staunenswerten Musik.
Nach der Pause wurde dem Ensemble die Ehrenmitgliedschaft verliehen – eine Entscheidung, die in der Mitgliederversammlung des Vereins Beethoven-Haus genau zwei Monate vor diesem Abend einstimmig gefallen war. Der Direktor des Hauses, Malte Boecker, erinnerte mit warmen Worten an den Meisterkurs, den das Quartett im September 2024 gegeben hatte, sowie an dessen herausragende Beethoven-Interpretationen.

Eine Kostprobe gab es mit dem Schlusswerk des Abends, Beethovens op. 135. Das Ensemble erwies sich als Leuchtturm der Beethoven-Interpretation, und das in einer Zeit, da viele große Quartette aufhören oder aufgehört haben – Alban Berg, Artemis, Auryn, Emerson, Guarneri, und nun demnächst auch die Hagens, die gerade auf Abschiedstournee sind.
Im ersten Satz beeindruckte perfektes Zusammenspiel mit gemeinsamem An- und Abschwellen. Die rhythmischen Vertracktheiten des zweiten Satzes erklangen mit kristalliner Schärfe. Der langsame Satz war herzerweichend; in der ersten Wendung gen Moll stand die Zeit förmlich still. Und schließlich der letzte Satz: voller Dramatik in den insistierend wiederholten neun Akkorden (acht kurz, einer lang), mit wunderschönen solistischen Passagen etwa in Antoine Lederlins sonorem Cello.
Wie fast immer in dieser Spielstätte zeigte sich das Publikum von seiner besten Seite. Eine stille Zugabe von Thomas Adès, aus seinem Arcadiana op. 12 von 1994, beendete einen begeisternden Kammermusikabend.
Brian Cooper, 26. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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