Fotos © AUDI AG
Fest im Sattel lässt Sir Simon Rattle das Ingolstädter Stadttheater nach Walhall reiten, wenn er mit tönendem Blech und trillernden Flöten den Walkürenritt durch den Festsaal fegen lässt. Weltklasse-Wagner gibt’s nun auch in Ingolstadt!
Audi Sommerkonzerte
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Sir Simon Rattle, Dirigent
Michael Volle, Bariton
Anja Kampe, Sopran
Werke von Richard Wagner und Johannes Brahms
Stadttheater Ingolstadt, Festsaal, 13. Juli 2024
von Johannes Karl Fischer
Nach einem kurzen Übergang – ja, es wurde hier „nur“ der Walkürenritt und die Schlussszene des 3. Aufzugs gespielt – begann das eigentliche Highlight des Abends, ein halbstündiges Gesangsduell auf Wagner’schem Olympia-Niveau. Der Wotan des Abends, Michael Volle, legte seine Worte haushoch und souverän verständlich über das Orchester, dieser Göttervater wusste seine Burg zu beherrschen! Seine Stimme türmte über der restlichen Musik, als wäre nichts leichter, denn die wohl weltschwerste Bariton-Rolle über ein kräftiges Wagner-Orchester zu stemmen… Moment, der Sachs sei ja noch fordernder als Wotan, so Volle im Einführungsgespräch. Anderes Thema, egal. Probelauf für den neuen Mailand-Ring perfekt!
Auch Anja Kampe sang eine heldenhafte und selbstsichere Brünnhilde. Mit kräftiger, voluminöser und dennoch klarer Stimme bot sie ihrem bestrafenden Vater gesanglich stets die Stirn, die beiden auf entgegengesetzter Seite des Dirigentenpults stehenden Sänger lieferten sich ein Gesangsderby auf Weltklasse-Niveau. Auch ihre Textverständlichkeit strahlte im vollen Glanz, für eine Sopranistin nochmal eine besonders starke Leistung. Selbst ohne Untertitel und Bühnenbild war die Opernhandlung teils deutlich besser zu verstehen als in manchen szenischen Walküre-Darstellungen… Wagner für Kenner und Einsteiger zugleich!
Natürlich ist die eher trockene Akustik in dem optisch durch Betonwände dominierten Ingolstädter Festsaal kein Wiener Musikverein und nicht mal eine Münchner Isarphilharmonie. Egal, jenseits von ein paar Hardcore-Fans werden die meisten Ingolstädter wohl kaum für die perfekte Walküre extra nach Wien oder Berlin verreisen. Die Musik muss zu den Leuten gebracht werden, nicht die Menschen zur Musik! Vielleicht kann man ja so auch ein paar Leute für den neuen Kratzer-Ring in München begeistern. So weit ist das nicht…
Insgesamt durfte sich diese Bayerische Audistadt sehr glücklich schätzen, solch ein Feuerwerk der musikalischen Exzellenz zu Gast zu haben. Auch die zweite Sinfonie von Brahms meisterte Rattle mit links, ließ die Melodien fließen und selbst im energetischen Fortissimo immer freudig im Saal tanzen. Das Orchester lebte mit begeistertem Enthusiasmus in der Musik und riss das ganze Publikum mit in reißenden Strudel der Brahms’schen Musik.
Leider hatte der Dirigent offenbar die eine oder andere Dynamik in der Partitur übersehen… Sorry, das war einfach alles eine Spur zu laut, zu viel. Auf dem in dieser Musik vertonten sommerblauen Wörthersee schien teilweise Hochseeorkan zu herrschen, insbesondere der eigentlich eher ruhige zweite Satz füllte die Luft mit mindestens einem Ticken übereifrigen Klang. Nun ja, Brahms 2 mit sechs Bässen in einem eh schon eher lauten Saal… mutig.
Egal, insgesamt lieferte das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks einen Abend der musikalischen Extraklasse. Völlig makellos und fehlerfrei glänzten die Einzelstimmen, besonders in diesem Saal war jeder Einsatz klar präsent und präzise zu hören. Trotz der etwas übereifrigen Lautstärke flossen aus den Geigen zuckersüße Brahms-Klänge und aus dem Englischhorn innigste Wagner-Liebesmotive. Völlig zurecht folgte auf das Musik-Feuerwerk ein ähnlich lautes Applaus-Feuerwerk! Vielleicht war ja der eine oder andere Klassik-Neuling auch dabei…
Johannes Karl Fischer, 16. Juli 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at