Stadttheater Bern © Marvin Mears
Domenico Cimarosa (1749-1801) / Ouvertüre zur Oper « Il matrimonio segreto »
Luigi Tomasini (1741-1808) / Violinkonzert in G-Dur
Ludwig van Beethoven (1770-1827) / Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 ‘Pastorale’
Berner Symphonieorchester / La Banda storica
Nicholas Carter / Dirigent
Dmitry Smirnov / Violine
Stadttheater Bern, Bühne Bern, 1. Mai 2025
von Julian Führer
Das putzmuntere Schweizer Musikleben bietet für jeden Geschmack etwas. Fans der alten Musik haben die Auswahl unter mehreren Originalklangensembles, in Zürich etwa spielt am Opernhaus die Formation ‚La Scintilla‘ auf Originalinstrumenten, in Bern besteht seit 2022 innerhalb des Berner Symphonieorchesters das Ensemble ‚La Banda storica‘.
Das Berner Konzert hatte „Wien um 1800“ zum Thema und präsentierte zunächst die sehr agile Ouvertüre zu Domenico Cimarosas nicht weniger turbulenter Oper Il matrimonio segreto. Nicholas Carter, Chefdirigent der Bühnen Bern und kommender Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart, gestaltete mit ausladenden Armbewegungen, aber ohne Taktstock das Stück, das zeitlich wie stilistisch unverkennbar Parallelen zu Mozarts späten Opernouvertüren wie zu Le nozze di Figaro aufweist.

Luigi Tomasini ist als Komponist weit weniger bekannt als andere seiner Generation, aber er stand in engem Kontakt mit Joseph Haydn und ist gerade für die Violinliteratur nicht unwichtig. Die Überraschung des Abends verkündete Dirigent Carter in einer Art Anmoderation: Tomasinis Violinkonzert G-Dur ist anscheinend nie aufgeführt worden, der Berner Konzertmeister Dmitry Smirnov aber hat es in Wien im Archiv aufgespürt und die Noten für die jetzt 2025 anstehende Uraufführung eingerichtet – worauf Carter in einer schönen Geste die Bühne verließ, um Smirnov selbst nicht nur den Solopart, sondern auch die Leitung dieses Teils zu überlassen.
Tomasini steht hinter Mozart, Haydn und anderen Zeitgenossen heute in der zweiten Reihe; das in Bern uraufgeführte Konzert hält denn auch keine besonderen Überraschungen bereit mit einem zügigen ersten, langsamen zweiten und schnellen dritten Satz, die jeweils der Formsprache der Zeit genügen. Interessant war die reine Streicherbesetzung, die das Stück in die Nähe einer Serenade rücken ließ (Mozart Kleine Nachtmusik blitzte zwischendurch auf), und das organische Musizieren des stehend spielenden Ensembles. Ein besonders herzlicher Applaus galt dem (Wieder-)Entdecker und Solisten Dmitry Smirnov. Möge er weiter solches Finderglück haben!

Nach der Pause spielte La Banda storica noch einen Klassiker des Repertoires, Beethovens Symphonie pastorale. Man kann sie mit großem Orchester und gemäß späteren Klangidealen spielen (und damit so, wie Beethoven sie vielleicht auch gern gehabt hätte) oder mit den Möglichkeiten der Zeitgenossen (also so, wie Beethoven sie realistischerweise umsetzen konnte). Das Berner Ensemble spielte in einer sehr reduzierten Besetzung mit nur sechs ersten und fünf zweiten Violinen, drei Bratschen, zwei Celli und einem einzigen Kontrabass. Das Resultat ist eine hohe Transparenz des Klangs, aber auch eine hohe Einzelverantwortung, wenn einmal ein Ton abrutscht oder – auf Originalinstrumenten im Holz und bei den Hörnern nicht selten – nicht so geschmeidig einsetzt wie auf modernen Instrumenten.

Nicholas Carter dirigierte im ersten Satz tatsächlich „angenehme, heitere Empfindungen“, wie Beethoven es selbst formulierte, mit fein abgestufter Gliederung der Satzteile und großer Klarheit. Der Kontrast zu Cimarosa und Tomasini in Instrumentation und Klangfarben war sehr deutlich: Beethoven betont viel stärker die Basslinie und variiert seine Motive stärker, formt auch die Struktur stärker um und geht über die geltende Formsprache der Wiener Klassik teilweise weit hinaus. Das „lustige Zusammensein der Landleute“ im dritten Satz war gerade im Holz teilweise noch übermütiger als von Beethoven notiert. Zu Beginn dieses Satzes kamen vier Trompeten, zwei Posaunen und das Schlagwerk auf die Bühne, was auch optisch unterstrich, wie ländlich-lieblich der größere Teil dieser Symphonie gehalten ist. In der kleinen Besetzung wurde die Heftigkeit des Gewittersturms im vierten Satz deutlicher als in so manch anderer Aufführung. Das Ende ist versöhnlich, aber die Grundierung mit Blech und Bass ist doch eine ganz andere als bei Beethovens Vorgängern.
Das Konzert zeigte einmal mehr, wie lebendig das Schweizer Musikleben ist. Gerade in Bern wagt man derzeit einen Ring des Nibelungen, pflegt ein Originalklangensemble und zeigt ambitionierte Konzertprogramme. Weiter so!
Julian Führer, 3. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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