Eutiner Festspiele: Carl Maria von Webers Freischütz – ein zwiespältiges Erlebnis

Carl Maria von Weber, Der Freischütz, Romantische Oper in drei Akten   Eutiner Festspiele, 19. Juli 2024 Premiere 

Thomas Weinhappel (Kaspar), Festspielchor und Statisterie © ef-Achim-Krauskopf

Erst bei der Szene in der Wolfsschlucht passte dann alles zusammen. Kamen zu Beginn drei gesichtslose Nornen, ein Seil tragend, auf die Bühne, hier wohl als Reminiszenz an Richard Wagner gedacht, den großen Bewunderer Webers, so überzeugte der Rest der Szene durch eine einfallsreiche Personenführung und ausgefeilte Lichtregie, ein großes Lob geht an das Beleuchtungs-Team.


Carl Maria von Weber
Der Freischütz
Romantische Oper in drei Akten

Eutiner Festspiele, 19. Juli 2024, Premiere

Dirigent: Leslie Suganandarajah

Regie:
 Anthony Pilavachi
Bühnenbild: Jörg Brombacher
Kostümbild: Cordula Stummeyer
Lichtdesign: Rolf Essers
Chorleitung: Sebastian Borleis

Kammerphilharmonie Lübeck (KaPhiL!)
Chor der Eutiner Festspiele

von Axel Wuttke

Unter der Leitung von Leslie Suganandarahja spielten die Musiker der Kammerphilharmonie Lübeck, abgesehen von einigen Wacklern bei den Blechbläsern, einen inspirierten, feinsinnigen Weber, soweit es, bei den natürlich etwas gewöhnungsbedürftigen akustischen Bedingungen in einer Freilichtbühne, möglich ist.

Marius Pallesen (Max) © Daniel Lagerpusch

Der sympathische junge Tenor Marius Pallesen verfügt über eine sehr schön ausgebildete Stimme, die er sowohl lyrisch als auch dramatisch einsetzt. Ihm gelingt durch seine große Bühnenpräsenz und die hohe Gesangskultur, gepaart mit einer klaren Diktion und großer Spielfreude, ein eindringliches Portrait des unglücklichen Jägerburschen Max.

Ann-Kathrin Niemczyk (Agathe) © Daniel Lagerpusch

Auch ein Glücksgriff ist die Besetzung der Agathe mit der jungen, lyrisch dramatischen Sopranisten Ann-Kathrin Niemczyk. Mit herrlichem Legato, beseelten Piani und einer großen Innigkeit im stimmlichen Ausdruck und im Spiel, lässt die Sängerin keinerlei Wünsche offen.

Thomas Weinhappel (Kaspar) © Daniel Lagerpusch

Thomas Weinhappel gibt mit sehr schön timbrierter Stimme, großem schauspielerischen Ausdruck, gepaart mit einer starken Bühnenpräsenz und totalem Körpereinsatz, den um sein Seelenheil kämpfenden Kaspar. Einzig an einigen dramatischen Stellen sollte er darauf achten, die Gesangslinie nicht zu verlassen.

Océane Paredes als Ännchen fällt dagegen, trotz schöner Stimme, leider durch einige unschöne Spitzentöne und eine unklare Diktion, ab.

Laurence Kalaidjian (Kilian), Marius Pallesen (Max) und Thomas Weinhappel (Kaspar) © Daniel Lagerpusch

Stellvertretend für die anderen Partien sei Laurence Kalaidjian als stimmschöner, seine Rolle glaubwürdig und mit viel Elan spielender Kilian, genannt.

Marius Pallesen (Max), Laurence Kalaidjian (Kilian) und der Festspielchor © Daniel Lagerpusch

Von Anfang an ließ der Chor aufhorchen. Mit sehr hoher Homogenität, klanglicher Finesse und schauspielerischer Präsenz, war er ein wichtiger Bestandteil der Inszenierung. Auch hier war die Diktion mustergültig.

Und die Inszenierung? Hier findet nicht alles zusammen wie es soll. Anthony Pilavachi, der allein am Theater Lübeck über 20 umjubelte Produktionen gemacht hat, muss hier aufgrund der fehlenden Bühnentechnik und Theateratmosphäre hinter seinen Möglichkeiten zurückbleiben. Was hätte er auf einer Bühne, vor einem aufmerksamen Opernpublikum, gezaubert.

Die vielen feinsinnigen, ironischen, ja auch mal bösartigen und den Finger in so viele offene Wunden der Gesellschaft legenden Einfälle, gehen hier, auch aufgrund des leider in weiten Teilen nicht mit der Kunstform Oper und den Verhaltensweisen während einer Aufführung, vertrautem Publikum, einfach unter.

Thomas Weinhappel (Kaspar), Nina Maria Zorn (Samiel), Festspielchor © ef-Achim-Krauskopf

Wie bei den meisten Freischütz-Produktionen, wurde eine neue Textfassung der Dialoge erstellt. Sie enthält viele gute Einfälle und mach die Handlung greifbarer. Gegen die Besetzung des Samiels mit einer Frau ist nichts einzuwenden, allerdings erschließt sie sich in der Inszenierung nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Samiel immer wieder durch Anwesenheit und viele Kommentare in die Handlung eingreift, dies ist ein Fehlgriff.

Zumal die Schauspielerin Nina Maria Zorn als Samiel oft schlecht zu verstehen, wenig dämonisch und nicht recht glaubwürdig ist. Die Macht, über die Samiel verfügt, vermittelt sich nicht. Eine Dimension fehlt.

Thomas Weinhappel (Kaspar), Festspielchor und Statisterie © ef-Achim-Krauskopf

Erst bei der Szene in der Wolfsschlucht passte dann alles zusammen. Kamen zu Beginn drei gesichtslose Nornen, ein Seil tragend, auf die Bühne, hier wohl als Reminiszenz an Richard Wagner gedacht, den großen Bewunderer Webers, so überzeugte der Rest der Szene durch eine einfallsreiche Personenführung und ausgefeilte Lichtregie, ein großes Lob geht an das Beleuchtungs-Team.

Marius Pallesen (Max), Thomas Weinhappel (Kaspar), Festspielchor und Statisterie © ef-Achim-Krauskopf

Alles in allem ein musikalisch hochwertiger, aber auch zwiespältiger Abend, der das teilweise geradezu undankbare Publikum, das schon bei Beginn des Schlussapplauses aus dem Auditorium stürmte, in die Sommernacht entließ.

Axel Wuttke, 19. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung:

Max: Marius Pallesen
Kaspar: Thomas Weinhappel
Agathe: Ann-Kathrin Niemczyk
Ännchen: Océane Paredes
Kilian: Laurence Kalaidjian
Samiel: Nina Maria Zorn

Carl Maria von Weber, Der Freischütz, Romantische Oper Seebühne Bregenz, 17. Juli 2024 (Première)

Carl Maria von Weber, Der Freischütz – Romantische Oper Seebühne Bregenz, 17. Juli 2024 (Première)

Carl Maria von Weber, Der Freischütz Opernhaus Zürich, 28. Juni 2023

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