The Grange Festival, 18. Juni 2022
Am Tag nach dem musikalischen Höhenflug mit Verdis „Macbeth“ am Grange Festival, nach dem blutigen Königsdrama aus den mittelalterlichen schottischen Highlands, stand nun ein völlig anderes historisches Thema in einer ganz unterschiedlichen Kulturlandschaft auf dem Programm. Händels wunderbare Vertonung des brutalen Kampfes zwischen zwei mächtigen muslimischen Herrschern, historisch authentischen Figuren (im Gegensatz zu Macbeth; Shakespeare entnahm den Stoff den „Holinshed’s Chronicles“ aus dem 11. Jahrhundert): Zwischen Tamerlan (Contralto) oder Timur, der mit brutaler Effizienz über halb Asien und den Nahen Osten hinweggefegt war und seinem unterlegenen Widersacher, dem türkischen Sultan Bayezid. Die Oper aus dem Jahr 1724 beginnt mit dem im Kerker Tamerlans darbenden Sultan und endet mit dessen Freitod. Doch die eigentliche Hauptfigur dieser Oper ist Bayezids Tochter Asteria, welche der mächtige Tamerlan unbedingt zur Frau nehmen will. Asteria, die in den in den byzantinischen Prinzen Andronico (Contralto) – der ebenfalls am Hof Tamerlans weilt – verliebt ist, willigt scheinbar ein, plant aber Tamerlan zu ermorden. Asteria ist demnach die zentrale Figur, um die sich in dieser Oper alles dreht – und ausgerechnet die namhafte Sopranistin Sophie Bevan, welche die Asteria singen sollte, erkrankte wenige Stunden vor der Vorstellung. Doch das Glück wollte es wohl so!
Georg Friedrich Händel
(Libretto: Nicola Framcesco Haym), „Tamerlano“
von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)
Asteria ist demnach die zentrale Figur, um die sich in dieser Oper alles dreht – und ausgerechnet die namhafte Sopranistin Sophie Bevan, welche die Asteria singen sollte, erkrankte wenige Stunden vor der Vorstellung. Doch der Zufall wollte es, dass Caroline Taylor, eine junge, hochbegabte Choristin der Grange Festival Opera, die wir am Abend zuvor noch als eine der Hexen in „Macbeth“ gesehen hatten, für ein anderes Theater just die Rolle der Asteria einstudiert hatte. Dies allerdings in englischer Sprache – und hier wurde der „Tamerlan“ in der italienischen Originalfassung gegeben. Während die Zeit tickte und bereits die ersten Gäste in Abendkleid und Smoking auf dem Landgut inmitten der herrlichen Cotswolds-Landschaft eintrudelten, wurde diese Sängerin kontaktiert.
Startschuss zu einer glänzenden Solistenlaufbahn
Doch sie beherrschte die Rolle auf Englisch, alle anderen sangen in italienischer Sprache. Was tun? Die Lösung war einfach, wenn auch etwas bizarr: Während eine Schauspielerin auf der Bühne stumm die Asteria mimte, sang Caroline Taylor am Rand der Bühne im Abendkleid deren Rolle, und zwar sang sie, welche die Rolle auf Englisch einstudiert hatte, den italienischen Text Zeile für Zeile von Blatt. Nicht nur rettete sie diesen Abend – eine Absage der Vorstellung wäre unvermeidlich gewesen: Sie war schlichtweg fantastisch. Ihr glockenreiner, hochmelodiöser Sopran füllte mit geradezu schwebender Leichtigkeit den in „Shabby Chic“ gehaltenen Zuschauer- und Bühnenraum des leicht vergammelten Landhauses.
Die äußerst attraktive Caroline Taylor wurde so zum Mittelpunkt dieser äußerst ästhetischen, gesanglich durchwegs hervorragenden Aufführung von Händels „Tamerlano“ – und wenn ich mich nicht sehr täusche, war dieses Einspringen in letzter Minute nicht nur die Rettung dieser erstklassigen Aufführung, sondern der Startschuss zu einer glänzenden Karriere als Sängerin. Die bekannte Arie „Se potessi un dì placare“, höchst musikalisch interpretiert, wurde zum unbestrittenen Glanzstück dieses Abends. „Georg Friedrich Händel, “Tamerlano“
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