CD-Besprechung:
Ambroise Thomas
Psyche
Hungarian Philharmonic Orchestra
Hungarian National Choir
György Vashegyi
Palazzetto Bru Zane
von Peter Sommeregger
Der Komponist Ambroise Thomas hat im Laufe seines erfolgreichen Komponistenlebens 19 Bühnenwerke verfasst, von denen heute nur noch „Mignon“ und „Hamlet“ bekannt und auf den Spielplänen zu finden sind.
Die Oper „Psyche“ auf ein Libretto von Jules Barbier und Michel Carré wurde 1857 uraufgeführt. Gut zwanzig Jahre später, 1878, erstellte Thomas eine zweite Fassung mit gesungenen Rezitativen, statt der gesprochenen Dialoge der ersten Fassung.
Er passte sich damit dem herrschenden Zeitgeschmack an. Das unumgängliche Ballett wurde eingefügt, was zu einer Erweiterung auf vier Akte führte. Trotz des ursprünglichen Erfolges verfiel diese Oper aber bald in einen Dornröschenschlaf, aus dem sie erst das engagierte Palazzetto Bru Zane mit einer konzertanten Aufführung der ersten Fassung in Budapest im Februar 2025 erlöste, die einer Einspielung für Tonträger vorausging.
Das Libretto erzählt die mythologische Geschichte von Eros und Psyche auf ironische, ja fast frivole Art. Die Besetzung aller Partien wurde mit großer Sorgfalt ausgewählt. Ein wenig befremdlich, dass Eros hier eine Hosenrolle ist, die von Antoinette Dennefeld mit samtenem Mezzo vorzüglich gesungen wird, aber die Unterscheidung zur Psyche von Hélène Guilmette nicht einfach macht. Spielmacher und dominante Figur ist der Mercure, dem Tassis Christoyannis neben seinem noblen Bariton auch noch Witz und Spielfreude verleiht.
Auch die kleinen Nebenrollen sind vorzüglich besetzt und sorgen für eine sehr ansprechende gesangliche Realisierung der Partitur, die in ihren besten Momenten den Schwung und Charme eines Jacques Offenbach vorweg zu nehmen scheint.
Das Hungarian National Philharmonic Orchestra und dessen Chor erweisen sich als kompetenter Klangkörper für das spezielle französische Flair. Der Dirigent György Vashegyi leitet die Aufführung souverän und umsichtig.
Es ist abermals ein großes Verdienst der Organisation Palazzetto Bru Zane, das sich der Pflege und Wiederentdeckung von Werken der französischen romantischen Opernliteratur verschrieben hat, auch dieses, über hundert Jahre nicht mehr aufgeführte Werk einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Wie weit dies Anstoß auch für szenische Aufführungen sein könnte, sei dahingestellt. Verdienstvoll ist die Einspielung in jedem Fall, weil sie das Werk bleibend dokumentiert.
Peter Sommeregger, 27. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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