Textdeutlichkeit und technische Sicherheit scheinen vom Lehrer Dieskau an den Schüler Appl weitergegeben zu sein. Trotz unterschiedlicher Stimmlagen meint man in der Diktion des Tenors Anklänge an den Interpretationsstil des Lehrmeisters zu erkennen, Dieskaus Phrasierungskunst wird nicht kopiert, aber stand wohl bei der Erarbeitung der Lieder Pate.
Benjamin Appl
James Baillieu
Hommage à Dietrich Fischer-Dieskau
Alpha 1131
von Peter Sommeregger
Der Tenor Benjamin Appl war der letzte Privatschüler des „Liederpapstes“ Dietrich Fischer-Dieskau, zwischen Lehrer und Schüler entwickelte sich eine vertrauensvolle Beziehung. Dieskaus 100. Geburtstag nahm Appl nun zum Anlass, eine Hommage an den verehrten Lehrer in ungewöhnlicher Form zu veröffentlichen.
Sie besteht aus einem schmalen, aber inhaltsreichen Buch, dem eine randvolle CD beigelegt ist. Text und Auswahl der Lieder sind zu einem biographischen Kaleidoskop zusammengefügt, das tiefe Einblicke in Fischer-Dieskaus Leben und Karriere erlaubt. Appl standen dafür wohl originale Dokumente zur Verfügung, auch die tragischen Ereignisse in Dieskaus Leben werden nicht ausgespart. Der bittere Verlust der ersten Ehefrau Irmgard, die bei der Geburt des dritten Sohnes starb, aber auch die zwei kurzen nachfolgenden Ehen, die in Scheidungen endeten, ehe Dieskau in Julia Varady erneut eine kongeniale Partnerin fand. Auch das Schicksal von Dieskaus älterem Bruder Martin findet Erwähnung. Dieser litt an Epilepsie und wurde 1944 ein Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie.
Für alle diese biographischen Punkte hat Appl passende Lieder ausgewählt, deren Spektrum von Werken des Vaters Albert und des Bruders Klaus, über solche der Freunde Aribert Reimann und Benjamin Britten bis zu den großen Liedkomponisten Schubert, Brahms, Hugo Wolf u.a. reicht. Appl beweist mit seiner Auswahl, die sich teilweise fern vom gängigen Repertoire bewegt, auch profunde Kenntnisse der Lied-Literatur.
Begleitet vom Pianisten James Baillieu, und bei einem Lied zusätzlich vom Cellisten Bartolomeo Dandolo Marchesi, gelingen dem Sänger facettenreiche Interpretationen, die von Stilsicherheit und Eloquenz geprägt sind. Textdeutlichkeit und technische Sicherheit scheinen vom Lehrer Dieskau an den Schüler Appl weitergegeben zu sein. Trotz unterschiedlicher Stimmlagen meint man in der Diktion des Tenors Anklänge an den Interpretationsstil des Lehrmeisters zu erkennen, Dieskaus Phrasierungskunst wird nicht kopiert, aber stand wohl bei der Erarbeitung der Lieder Pate.
Der Band ist dreisprachig konzipiert und enthält neben den Liedtexten zahlreiche biographische Texte zu Dieskaus Leben, auch zu seinem familiären Hintergrund. Abgedruckt werden auch persönliche Dokumente und farbige Reproduktionen von Graphiken und Ölgemälden von der Hand Dieskaus. Das alles verbindet sich zu einer besonderen, sehr persönlichen Liebesgabe an den Lehrmeister. Dem Leser und Hörer erlauben sie tiefe Einblicke in Dieskaus Leben und in Appls Interpretationskunst.
Peter Sommeregger, 7. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt 286: Dietrich Fischer-Dieskau klassik-begeistert.de, 28. Mai 2025
Harbin Symphony Orchestra/Martin Fischer-Dieskau Harbin Concert Hall, 9. Mai 2025