Arnold Schönberg wird mit einer opulenten Edition geehrt

CD-Besprechung: Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko, Arnold Schönberg  klassik-begeistert.de, 7. September 2025

CD-Besprechung:

Eine Empfehlung für alle Freunde des Orchesters, Kirill Petrenkos, und dem Werk Arnold Schönbergs. Besser geht es nicht!

Berliner Philharmoniker
Kirill Petrenko

Arnold Schönberg

3 CD
1 Blu-ray

BPHR 250511

von Peter Sommeregger

Den 150. Geburtstag des Pioniers der musikalischen Moderne, Arnold Schönberg nehmen die Berliner Philharmoniker zum Anlass, dem Komponisten eine opulent ausgestattete Box zu widmen. Der Chefdirigent Kirill Petrenko hat mehrfach eine starke Affinität zum Werk Schönbergs erkennen lassen, so konnte man auf eine Reihe von Konzertmitschnitten der letzten Jahre zurückgreifen.

Das noch tonal komponierte Frühwerk „Verklärte Nacht“ wurde auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle vor reduziertem Publikum aufgeführt. Man hat das Gefühl, dass die besonderen Umstände dieses Konzertes die Intensität dieser wohl populärsten Komposition Schönbergs noch verstärkt hätte. Das ursprünglich für Streichsextett konzipierte Werk zeigt das Streicherensemble des Orchesters, souverän angeführt vom Konzertmeister Noah Bendix-Balgley, auf der Höhe seiner Virtuosität.

Bei der 2024 aufgeführten Kammersymphonie Nr. 1 herrschen im Konzertsaal wieder normale Zustände. Das diffizile Stück, das deutlich den Übergang in Schönbergs atonale Phase wiederspiegelt, gelingt der kleinen Besetzung der Philharmoniker unter einem höchst inspirierten Kirill Petrenko zu einem Kabinettstück subtiler Orchesterkultur.

Im Jahr 2023, exakt 95 Jahre, nachdem Wilhelm Furtwängler sie mit dem Orchester uraufgeführt hatte, erklangen in einem Konzert die Variationen für Orchester. Dieses abwechslungsreiche Stück, das nicht ohne eine gewisse Pfiffigkeit angelegt ist, gelingt den Instrumentalsolisten des Orchesters vorzüglich.

Schönbergs Violinkonzert entstand in den Jahren 1934-36, wurde aber erst im amerikanischen Exil 1940 uraufgeführt.

Chronologisch gesehen ist die Aufnahme des Violinkonzertes die älteste in der Box. Sie entstand bereits bei einem Konzert im März 2019. Solistin ist die moldawische Geigerin  Patricia Kopatchinskaja, die als Spezialistin für die Moderne gilt, und ihrem Ruf mehr als gerecht wurde.

Tollkühn stürzt sie sich in ihren Solopart, der wohl zu den kompliziertesten der jüngeren Geigenliteratur zählt. Diese Zwölftonmusik ist nicht unbedingt das, was das kulinarisch verwöhnte Publikum in der Philharmonie besonders schätzt, aber die Brillanz und die Virtuosität, mit der hier musiziert wird, reißen die Zuhörer am Ende doch zu Beifallstürmen hin. Das Werk ist trotz seiner komplizierten Wendungen strukturell hoch interessant, das Spiel der Solistin beobachten zu können, trägt deutlich zum Verständnis des Werkes bei.

Im gleichen Konzert wie die Kammersymphonie Nr. 1 wurde im Januar 2024 das Oratorium Die Jakobsleiter aufgeführt, das Schönberg auf einen eigenen Text 1915 zu schreiben begann, die Arbeit aber 1922 abbrach. Versuche einer späteren Vollendung des Werkes scheiterten, so ist das Werk Torso geblieben.

Schönbergs Text spiegelt seine intensive Beschäftigung mit dem Glauben wider, der Komponist wechselte vom Atheisten seiner Jugend erst zum Protestantismus, in späteren Jahren zum Judentum. Das Oratorium spiegelt diese Brüche durchaus wider.

Für das Konzert wurde eine ganze Reihe prominenter Sänger auch für die kleinen Partien aufgeboten. Wolfgang Koch führte sie als Gabriel mit sonorem Bass an. Den stärksten vokalen Eindruck hinterließ der Bariton Gyula Orendt als Auserwählter und die beiden Sopranistinnen Liv Redpath und Jasmin Delfs als Seele.

Die äußerst komplexe Partitur, die erst zehn Jahre nach Schönbergs Tod 1961 in Wien uraufgeführt wurde, sieht mehrere im Saal verteilte Fernorchester vor, der große Saal der Berliner Philharmonie bietet mit seinen verschachtelten Rängen dafür reichlich Gelegenheit.

So spröde sowohl Text als auch Musik des Werkes erscheinen, Schönberg gelang es, einen reizvollen, dichten Klangteppich zu schaffen, auf dem der vorzügliche Rundfunkchor Berlin, die Solisten und die verteilten Orchester ein raffiniertes Hörerlebnis möglich machten.

Die, wie alle Produktionen des Eigenlabels der Berliner Philharmoniker, opulent ausgestattete Box, die neben drei CDs eine Blu-ray-Disc mit allen Konzertmitschnitten enthält, zeigt sowohl Kirill Petrenkos Affinität zu Schönbergs Musik, als auch die solistische Brillanz der einzelnen Musiker. In der Interpretation dieser auch technisch immens schwierigen Werke haben sie Gelegenheit, diese nachdrücklich unter Beweis zu stellen.

Eine Empfehlung für alle Freunde des Orchesters, Kirill Petrenkos, und dem Werk Arnold Schönbergs. Besser geht es nicht!

Peter Sommeregger, 7. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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