Dieses Brahms-Album will eine künstlerische Freundschaft demonstrieren

CD-Besprechung: Brahms/Levit/Thielemann  klassik-begeistert.de, 15. November 2024

CD-Besprechung:

Brahms

Igor Levit
Wiener Philharmoniker
Christian Thielemann

Sony 19658897652

von Peter Sommeregger

Freundlich lächelndes Einverständnis, das suggeriert das Cover des aufwändig und geschmackvoll gestalteten Brahms-Albums, das auf drei CDs außer den beiden Klavierkonzerten von Johannes Brahms auch eine repräsentative Auswahl aus dessen Kompositionen für Klavier solo bietet.

Wer hätte es gedacht, die beiden Künstler, Pianist Igor Levit und Dirigent Christian Thielemann, beide in der Szene als mitunter schwierig bekannt, demonstrieren optisch und auch im Booklet harmonisches Miteinander. Thielemann verpflichtete Levit inzwischen auch als Solist bei seinem Einstandskonzert als GMD Unter den Linden in Berlin.

Die beiden so unterschiedlichen Klavierkonzerte von Brahms sind nicht nur für den Solisten herausfordernd. Einer kleinen Zahl von ikonischen Interpretationen auf Tonträgern steht eine Vielzahl weniger stimmiger Versionen gegenüber.

Die Voraussetzungen im gegebenen Fall erscheinen optimal. Da ist das Orchester der Wiener Philharmoniker, in deren DNA die Werke von Brahms förmlich eingeschrieben sind, dirigiert von einem mit dem Orchester bestens vertrauten Dirigenten, als Aufnahmeort der Goldene Saal des Wiener Musikvereins, den bereits Johannes Brahms kannte und schätzte, und ein bei aller Jugend auch bereits erfahrener Pianist.

Man fragt sich, warum am Ende die große Begeisterung ausbleibt. Keine Frage, es wird auf allerhöchstem Niveau musiziert. Aber der Aspekt der Tragik, ausgelöst durch die Erschütterung über den Selbstmordversuch Schumanns, die Brahms in das erste der beiden Konzerte einfließen ließ, kann man in Levits Spiel nicht entdecken, das bleibt akkurat und brav. So erlebt man eine Interpretation, die ein wenig zu glatt und an der Oberfläche bleibt.

Das zweite Konzert, mit einem Abstand von 20 Jahren entstanden und nicht weniger fordernd, liegt Levit mit seinem lyrischen Charakter besser, das Motiv des Liedes „Immer leiser wird mein Schlummer“ wird schön herausgearbeitet, der Dialog anfangs mit dem Horn, später mit dem Cello gelingt gut, aber die Hochromantik scheint Levits Sache nicht unbedingt zu sein.

Auf der dritten CD darf sich Igor Levit mit Solostücken aus Brahms’ Feder profilieren. Hier wirkt er freier, gelöster, muss nur auf sich selbst hören. Sieben Fantasien, drei Intermezzi, die sechs Klavierstücke op.118, und die vier op.119, sämtlich aufgenommen im Hannoverschen Leibniz Saal zeigen ihn auf der Höhe seines technischen Könnens. Als abschließender Track ist der Walzer op. 39/15 in einer vierhändigen Version gesetzt. Christian Thielemann und Igor Levit spielen ihn gemeinsam und setzen damit einen originellen Schlusspunkt, ebenfalls im Wiener Goldenen Saal eingespielt.

Empfehlen kann man die Aufnahme durchaus wegen ihrer technischen Perfektion, die interpretatorischen Einwände sind natürlich Geschmackssache.

Peter Sommeregger, 15. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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