CD-Besprechung:
Dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter Kent Nagano gelingt eine bemerkenswert dichte Interpretation, die erfolgreich versucht, die nicht von Brahms stammenden Abschnitte organisch in die Aufführung zu integrieren.
Johannes Brahms
Ein deutsches Requiem op. 45
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Kent Nagano Dirigent
Rekonstruktion der Uraufführung Bremen 1868
Chor der Klangverwaltung
Philharmonisches Staatsorchester
Kent Nagano
BIS -2720
von Peter Sommeregger
Das heute zum Kernrepertoire gehörige „Deutsche Requiem“ von Johannes Brahms hat seine endgültige, sieben Abschnitte enthaltende Fassung erst nach ersten Aufführungen der sechs Abschnitte unter Hinzufügung fremder Kompositionen erhalten. Mit dem Sopransolo „Ihr habt nun Traurigkeit“ in der Mitte des Werkes ist es heute weltweit häufig zu hören.
Kent Nagano hat nun den spannenden und verdienstvollen Versuch unternommen, die Gestalt des Werkes in jener Fassung zu rekonstruieren, in der sie am Karfreitag des Jahres 1868 im Bremer Dom unter der Leitung des Komponisten stattfand. Nach den Live-Konzerten in der Hamburger Elbphilharmonie im August 2022 ist deren Mitschnitt nun auch auf Tonträgern erschienen, und füllt eine Lücke des Repertoires.
Die nach dem dritten Abschnitt eingefügten Werke sind das Andante aus einem Violinkonzert Bachs, ein ebensolches von Giuseppe Tartini und eine von Joseph Joachim erstellte Fassung von Robert Schumanns Abendlied für Violine und Orgel.
Nach dem sechsten Abschnitt des Requiems wurde noch „Erbarme dich“ aus der Matthäus-Passion Bachs, ein Chor aus Händels „Messias“, die ebenfalls daraus stammende Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebet“ und das abschließende „Halleluja“ angefügt, eine im 19. Jahrhundert durchaus gängige Praxis.
Für die der Aufnahme zugrunde liegende Aufführung wurden insgesamt sieben Chöre aus der Region Hamburg unter dem Sammelbegriff Chor der Klangverwaltung aufgeboten. Die Violinsoli wurden von Veronika Eberle gespielt, an der Orgel ist Thomas Cornelius zu hören. Vokalsolisten sind der Bariton Johann Kristinsson und die Mezzosopranistin Kate Lindsey.
Ihnen und dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter Kent Nagano gelingt eine bemerkenswert dichte Interpretation, die erfolgreich versucht, die nicht von Brahms stammenden Abschnitte organisch in die Aufführung zu integrieren.
Der heutigen Aufführungspraxis ist damit die ursprüngliche Gestalt des Werkes entgegen gestellt, und eine Erinnerung an die Gepflogenheiten des seinerzeitigen Konzertbetriebes nahe gebracht. Neben dem musikwissenschaftlichen Wert dieser Rekonstruktion kann man sich auch über ein gelungenes, eindrucksvolles Konzert freuen.
Peter Sommeregger, 1. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD/Blu-ray-Rezension: Johannes Brahms Ein Deutsches Requiem klassik-begeistert.de, 23. August 2024
Johannes Brahms, Ein deutsches Requiem, op. 45, Goldener Saal des Musikvereins, 4. April 2022