Simon Rattles „Idomeneo“: Gute Zutaten allein garantieren noch kein Gelingen

CD-Besprechung: Mozart, Idomeneo  klassik-begeistert.de, 25. August 2025

CD-Besprechung

Das größte Problem der Einspielung sind die Tempi Sir Simons. Der „Idomeneo“ hat, noch als echte Seria konzipiert, ein gewisses Übergewicht an Rezitativen. Leider kostet Rattle aber gerade diese über Gebühr aus, wohl um seine lyrische Auffassung der Partitur zu unterstreichen.

Mozart   Idomeneo

Andrew Staples
Magdalena Kožená
Sabine Devieilhe
Elsa Dreisig

Chor und Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks
Sir Simon Rattle

BR Klassik 900215

von Peter Sommeregger

Wolfgang Amadeus Mozarts erste „große“ Oper, nur einen Steinwurf entfernt vom Ort der Uraufführung in München 1781, mit dem hoch gerühmten Chor und Orchester des Bayerischen Rundfunks und seinem Chefdirigenten Sir Simon Rattle, sowie einer Auswahl ausgezeichneter Solisten einzuspielen, kann doch nur ein gelungenes Projekt werden.

Dass Anspruch und Resultat aber zweierlei sind, dafür ist diese neue Aufnahme ein gutes Beispiel.

Keine Frage, das Münchner Spitzenorchester und sein Chor sind eine feste Bank, und werden ihrer Papierform auch durchaus gerecht. Auch von den Sängern ist jeder Einzelne für sich genommen eine gute Besetzung;
was nicht stimmt, ist die Ausgewogenheit der Stimmen.

Bei kaum einem anderen Komponisten ist der Zusammenklang in den Ensembles von solcher Wichtigkeit, wie bei Mozart. Hier liegen in diesem Fall die Defizite der Aufnahme.

Die Stimmen der drei Tenöre, Idomeneo, Arbace und der Oberpriester, unterscheiden sich im Timbre kaum voneinander. Ähnlich sieht es bei den Damen aus. Magdalena Koženás Idamante kann mit ihrem sehr schlanken Mezzosopran punkten, die beiden Soprane Sabine Devieilhe als Ilia und Elsa Dreisig als Elettra sind sich aber ähnlich, zu ähnlich. Das schadet der Dramaturgie des Stückes und lässt individuelle Profilierung erst gar nicht zu.

Andrew Staples’ Idomeneo ist zu wenig dominant, hier hätte man sich eine virilere, auftrumpfendere Stimme gewünscht, obwohl der Sänger die heraufordernden Koloraturen seiner Partie souverän meistert. Beim ihm, und dem Arbace, den Linard Vrielink äußerst kultiviert interpretiert, und dem Oberpriester Allan Claytons hat man ebenfalls Probleme, die Stimmen zu unterscheiden und muss im Libretto nachsehen, wer gerade singt.

Das größte Problem der Einspielung sind aber die Tempi Sir Simons.

Der „Idomeneo“ hat, noch als echte Seria konzipiert, ein gewisses Übergewicht an Rezitativen. Leider kostet Rattle aber gerade diese über Gebühr aus, wohl um seine lyrische Auffassung der Partitur zu unterstreichen.

Ähnlich verfährt er mit den Arien und Ensembles, nimmt damit dem Werk viel von seiner Dramatik. Etwas deutlicher gesagt, Rattle schleppt über weite Strecken, bei Mozart eine schwere Sünde. Vergleicht man die Spieldauer von Rattles Aufnahme mit anderen im Katalog, so liegt dieser bis zu 30 Minuten darüber, eine doch bedenkliche Abweichung.

Vokal schneiden die Damen erheblich besser ab, neben der unvermeidlichen Lady Rattle liefern sowohl Sabine Devieilhe als Ilia, als auch Elsa Dreisig als rachsüchtige Elettra sehr gute Leistungen ab, wobei Letztere eindeutig als Siegerin durchs Ziel geht.

Was bleibt, ist aber ein etwas zwiespältiger Eindruck.

Peter Sommeregger, 25. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Auf den Punkt 43: Idomeneo Elbphilharmonie, 2. Februar 2025

Wolfgang Amadeus Mozart, Idomeneo Staatsoper Unter den Linden, Premiere 19. März 2023

Wolfgang Amadeus Mozart, „Idomeneo“ Prinzregententheater, München, 24. Juli 2021

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