Tarmo Peltokoski und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen lassen den Champagner perlen

CD Besprechung: Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonien Nr. 35 „Haffner“ KV 385; Nr. 40 KV 550; Nr. 36 „Linzer“ KV 425  klassik-begeistert.de, 19. Juli 2024

Mozart / Tarmo Peltokoski

Das Album Mozart Symphonies ist ein mutiges Debüt.

Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonien Nr. 35 „Haffner“ KV 385; Nr. 40 KV 550; Nr. 36 „Linzer“ KV 425

Deutsche Grammophon, DG 486 5744

von Brian Cooper, Bonn

Vermutlich haben alle Menschen, die im Wortsinn „klassische“ Musik lieben, mindestens eine Aufnahme einer Sinfonie des Genies Wolfgang Amadeus Mozart im Schrank, oder im „Schtriehm aufm Schirm“. Vielleicht sogar eine Gesamtaufnahme.

Bei mir sind es zuvorderst Josef Krips mit dem Concertgebouworkest (Decca), natürlich Karl Böhm mit den Berlinern (DG), Neville Marriner (Philips), sowie einzelne Aufnahmen mit Herbert Blomstedt (40 und 41, Denon) und Leonard Bernstein (DG), dessen Jupiter-Sinfonie mit den Wiener Philharmonikern seit über zwanzig Jahren meine Silvestermusik ist:

Zum Jahreswechsel läuft stets der letzte Satz, um kurz nach halb zwölf wird die CD aufgelegt und der Winzerchampagner geöffnet. Es ist das wichtigste Fest des Jahres, denn man kann sich im Gegensatz zu Weihnachten die Gäste aussuchen, und angesichts der Pyroaggression muss schon, wer mit mir feiern will, zu mir kommen, der ich mich ab dem ersten Feuerwerksverkaufstag im trauten Heim verschanze, wie manche Kölner Freunde zu Karneval.

Nun legt der junge Finne Tarmo Peltokoski sein Debütalbum bei der Deutschen Grammophon vor. Es ist ein mutiges Mozart-Debüt mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, zwar ohne den ultrakomplexen Jupiter, doch bereits mit der „großen“ g-Moll-Sinfonie KV 550, der Linzer Sinfonie und der Haffner-Sinfonie, in der der junge Finne den Champagner so richtig sprudeln lässt. Wenn ich mich recht entsinne, wurde der letzte Satz in der Fernsehwerbung der 80er oder 90er für einen Sekt der minderen Klasse missbraucht.

Natürlich kennen wir sie alle, die Nörgler der Fraktion „früher war alles besser“, die allenfalls Karl Böhm hören: Mozart bitte nur mit den guten alten Meistern aus guten alten Zeiten. Aber warum sollten junge Menschen nicht das Recht haben, Mozart zu spielen, zu dirigieren? Schließlich wurde der Mann auch nur 35.

Hören wir rein, stellen wir fest, dass es – wie in der Politik, wie im Leben – ein Miteinander, ein Nebeneinander als Ideal geben sollte, im Orchester wie im Vergleich der Aufnahmen. Denn Peltokoski hat uns etwas zu sagen. Wie auch die alten Meister. Ein wenig Tellerrand täte uns gut. Und die Klangbalance ist hervorragend.

Sieht man vom nervigen Marketing auf der Rückseite der CD ab („Look out – here comes a genius!“ sowie „a talent of a century“), besticht diese Platte durchaus durch intelligente, manchmal überraschende Phrasierungen, etwa im zweiten Satz der Haffner-Sinfonie.

Die Sinfonie KV 550 insbesondere bietet einen reizvollen Mozartklang, der stets luftig und transparent ist. Das ist fein gespielt von den Bremern: mit Drive und beeindruckender Agogik. Kurzum, das lebt. Im langsamen Satz wird die Satzbezeichnung Andante beim Wort genommen: Es schreitet zügig voran, jedoch nicht zu schnell. Da ist kein spätjugendlicher Überschwang zu vernehmen, sondern vielmehr beseelt-pragmatischer Schönklang, der im Übrigen sämtliche Sätze durchzieht. Beim Menuett versteht man sofort, dass es sich um einen Tanz handelt, und der ist sogar ziemlich fetzig! Im Trio des Scherzos sind einige arabeske Verzierungen im Holz gewöhnungsbedürftig, aber nicht fehl am Platz.

Die Linzer Sinfonie, am Ende der CD, steht den beiden vorhergehenden Sinfonien in nichts nach. Schöne, warme Farben sind hier zu vernehmen, für die nicht nur die Streicher, sondern in diesem Fall vor allem die Holzbläser verantwortlich zeichnen, nicht zuletzt im Scherzo des Trios (ungewohnte Verzierungen auch hier). Etwas ruppig geraten einige Phrasen im Kopfsatz, aber das wird durch lebhaftes Spiel auf der Stuhlkante in allen vier Sätzen mehr als kompensiert.

Insgesamt sind in allen Sinfonien die Tempi schön gewählt, das Ganze klingt luftig und ist ein sehr guter Mozart, der mit den alten Meistern mithalten kann. Eine „Blindverkostung“ mit den Nörglern wäre interessant, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich für sie meine Winzerchampagner öffnen würde.

Dr. Brian Cooper, 19. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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