CD/Blu-ray Besprechung:
Das Resultat der dreistündigen Aufführung ist eine erfrischende, erstaunlich kurzweilige und musikalisch virtuose Realisierung der Partitur Porporas. So macht Oper Freude!
Nicola Porpora
Polifemo
Franco Fagioli
Julia Lezhneva
Stefan Plewniak Dirigent
Justin Way Regie
Orchestre de l’Opera Royal
CVS 159
von Peter Sommeregger
Die vom Label Chateau de Versailles Spectacles dankenswerter Weise auch einem breiteren Publikum zugänglich gemachten Produktionen des Hoftheaters im Schloss von Versailles sind neben einer Ohren- auch ganz besonders eine Augenweide.
Nicht nur die Wiederentdeckung vergessener Opern der Barockzeit erfreut, es ist auch der fast immer geglückte Versuch, die Werke im Geist und mit den Mitteln ihrer Zeit stilsicher auf die kleine Bühne zu bringen. Diese Produktionen stehen im wohltuendem Gegensatz zu der heute üblichen Praxis, Opern und ihre Libretti neu zu interpretieren, ihnen eine auch optisch eher triste Neudeutung zu verpassen. Dabei wird immer vergessen, dass die Kunstform Oper immer für Ästhetik, Schönheit und Freude für das Auge gedacht war.
Der Komponist Nicola Porpora war lange Zeit beinahe vergessen, die Renaissance der Barockoper hat auch seine Werke wieder in den Fokus gerückt. Porpora war für seine kunstvoll verzierten Arien berühmt, seine Anforderungen an die Interpreten sind dementsprechend hoch.
In seiner nahezu dreistündigen Oper „Polifemo“ beschränkt er sich auf
5 Protagonisten, denen er ein wahres Feuerwerk an Trillern, Läufen, Koloraturen inklusive Registerwechseln abverlangt. Mit Franco Fagioli als Acis und Julia Lezhneva als Galatea, Paul-Antoine Bénos-Dijan als Ulisse, Éléonore Pancrazi als Calipso und in der Titelrolle José Coca Loza stand ein Ensemble zur Verfügung, dass diese Herausforderungen brillant erfüllt.
Franco Fagioli ist einer der prominentesten Counter-Tenöre, seine Stimme hat sich in den letzten Jahren leicht verändert, aber nichts von ihrem technischen Raffinement verloren. Man kann sich an seinen ausladenden Arien kaum satt hören. Julia Lezhneva entzückt abermals durch die Frische und scheinbare Leichtigkeit ihres virtuos geführten Soprans. Zusammen mit Fagioli ist sie so etwas wie das Traumpaar der barocken Szene.
Paul-Antoine Bénos-Dijan, der sich in den letzten Jahren ebenfalls an die Spitze der Sänger barocker Musik gesetzt hat, verleiht den Arien des Ulisse Schönheit des Ausdrucks und tiefe Empfindung. Er findet in Éléonore Pancrazis samtweichem Mezzo eine perfekte Gegenspielerin. José Coca Loza kann sich in der relativ kleinen Titelrolle des Polifemo mit klangschönem Bass profilieren.
Die musikalische Basis schafft das Orchestre de l’Opera Royal unter der umsichtigen Leitung von Stefan Plewniak. Dem Regisseur Justin Way gelingt eine Inszenierung, die mit flottem Tempo, und den Stilmitteln des Barocktheaters vertrauend, den Sängern Raum für ihre Spielfreude schafft. Eine blendende Idee ist es, Tänzer der Académie de danse baroque in einer ironischen Choreographie in die Handlung einzubeziehen.
Das Resultat der dreistündigen Aufführung ist eine erfrischende, erstaunlich kurzweilige und musikalisch virtuose Realisierung der Partitur Porporas. So macht Oper Freude!
Üppig und optisch ansprechend erneut die Ausstattung der Box, die neben einem umfangreichen Booklet die Audio-Aufnahme auf drei CDs, sowie eine DVD der Aufführung enthält.
Peter Sommeregger, 18. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
La Voce Strumentale, Julia Lezhneva Kammermusiksaal Berlin, 10. Oktober 2022
Lieses Klassikwelt 52, Barockoper in Bayreuth, klassik-begeistert.de