The Freischütz Project
Insula Orchestra
Laurence Equilbey
Erato 01902951095437
Das Ereignis der Aufnahme ist die Agathe von Johanni van Oostrum. Ihr glockenreiner, technisch perfekter Sopran kostet alle Facetten dieser anspruchsvollen Rolle aus, der Farbenreichtum ihrer Stimme stellt sie in eine Reihe mit den großen Interpretinnen dieser Partie. Auf ähnlich hohem Niveau befindet sich das Ännchen von Chiara Skerath, die dieser Partie alles Soubrettenhafte nimmt, ohne die für beide Arien erforderliche Beweglichkeit der Stimme vermissen zu lassen.
von Peter Sommeregger
Diese brandneue, kombinierte CD/DVD-Einspielung von Carl Maria von Webers „Freischütz“ verwirrt auf den ersten Blick: „The Freischütz Project“ liest man auf dem Cover. Erst nach der Lektüre des Booklets wird klar, dass es sich um eine Produktion der Oper handelt, die an verschiedenen Häusern gezeigt werden sollte. Ob es angesichts der über uns hergefallenen Covid 19-Pandemie überhaupt dazu kam, bleibt unklar.
Leider bekommt man keineswegs die gesamte Oper geboten, nur gut die Hälfte ist – in zum Teil unterschiedlichen – Auszügen auf CD und DVD zu erleben. Diese wurden auch bei verschiedenen Aufführungen mitgeschnitten. Stammt die Audio-Aufnahme aus dem Pariser Théâtre des Champs-Élysées, so wurde das Video in der Opéra de Rouen in der Normandie aufgezeichnet.
Die französische Dirigentin Laurence Equilbey leitet das von ihr begründete Insula Orchestra, einen Klangkörper, der sich hauptsächlich dem romantischen Repertoire widmet und dazu auf Instrumenten der Zeit spielt. Die internationale Sängerbesetzung wird durchaus höchsten Ansprüchen gerecht. Der junge Tenor Stanislas de Barbeyrac verfügt über einen technisch gut geführten lyrischen Tenor, der aber auch dieser doch schon eher dem Spinto-Fach zuzurechnenden Partie gewachsen ist und mit seinem farbenreichen Timbre erfreut. Etwas rauer, aber damit rollendeckend gibt Vladimir Baykov den Bösewicht Kaspar. Anas Séguin ist mit schneidendem Spott der Bauer Kilian, Thorsten Grümbel lässt als Kuno väterlich-sonore Töne hören, Christian Immler leiht seinen Bass dem alles verzeihenden Eremiten. Eine positive Überraschung ist Daniel Schmutzhard, der beweist, dass man aus der kurzen Rolle des Ottokar etwas machen kann- wenn man es kann.
Das Ereignis der Aufnahme ist die Agathe von Johanni van Oostrum. Ihr glockenreiner, technisch perfekter Sopran kostet alle Facetten dieser anspruchsvollen Rolle aus, der Farbenreichtum ihrer Stimme stellt sie in eine Reihe mit den großen Interpretinnen dieser Partie. Auf ähnlich hohem Niveau befindet sich das Ännchen von Chiara Skerath, die dieser Partie alles Soubrettenhafte nimmt, ohne die für beide Arien erforderliche Beweglichkeit der Stimme vermissen zu lassen.
Es ist ein hochkarätiges Ensemble, das Laurence Equilbey zur Verfügung steht, und sie breitet ihren Sängern und dem accentus-Chor einen üppigen romantischen Klangteppich aus. Gerade die hohe musikalische Qualität der Aufführung macht es schwer verständlich, warum sie nicht komplett veröffentlicht wird.
Dieses Bedauern betrifft den optischen Teil schon sehr viel weniger. Das Regieteam cie 14:20 mit Clément Debailleul und Raphaël Navarro an der Spitze verfremdet den Stoff stark und setzt hauptsächlich auf technisch unterstützte Effekte wie Hologramme, Licht-Installationen, usw. Die Natur, der Wald tauchen nur in Projektionen und Videos auf, Requisiten werden komplett ausgespart. Da man nur gut die Hälfte der Oper zu sehen bekommt, ist ein abschließendes Urteil schwer zu fällen, aber der Ansatz erscheint zu sehr abstrakt. Schade, dass die Produktion nur ihr eigener großer Querschnitt ist.
Peter Sommeregger, 6. Februar 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at