Das Liedschaffen des Komponisten Erich J. Wolff erlebt eine überfällige Renaissance

CD-Rezension:

Erich J. Wolff

Complete Songs 1

Daniel Johannsen Tenor
Samantha Gaul Sopran
Klaus Simon Klavier

Naxos 8.574451

Complete Songs 2

Ida Aldrian Mezzosopran
Klaus Simon Klavier

Naxos 8.574557

von Peter Sommeregger

Der Pianist Klaus Simon stieß vor einigen Jahren auf die nahezu vergessenen Lieder des Komponisten Erich J. Wolff, die er nun, unterstützt von Radio Bremen und dem CD-Label Naxos, in ihrer Gesamtheit wieder zugänglich machen will.

Der 1874 in Wien als Sohn jüdischer Eltern geborene Jakob Wolff änderte seinen Vornamen später in Erich, Jakob behielt er in der französischen Version, Jacques, als zweiten Vornamen bei. Als Zeitgenosse von Arnold Schönberg, mit dem er auch befreundet war, folgte er in seinen Werken aber nicht dessen Hinwendung zur Atonalität. Er machte sich bereits früh als Klavierbegleiter bei Liederabenden einen Namen, nicht wenige große Sänger schworen auf die Qualität seiner Begleitung, darunter die gefeierte niederländische Mezzosopranistin Julia Culp.

Wolff nahm die Anregungen anderer Liedkomponisten auf, entwickelte aber durchaus früh einen eigenständigen Stil, der einen Bogen von den spätromantischen Liedern eines Robert Schumann zu den Zeitgenossen Gustav Mahler, Richard Strauss und Franz Schreker spannte, sie aber niemals kopierte. Sein Liedschaffen umfasst weit über 150 Titel, die zwar ursprünglich alle verlegt wurden, aber später in Vergessenheit gerieten, nachdem der Komponist mit nur 38 Jahren während einer Amerika-Tournee 1913 in New York einem Ohrenleiden erlegen war.

Die Machtergreifung der Nazis führte ab 1933 in Deutschland, und ab 1938 auch in seiner Heimat Österreich, zu einem Verbot seiner Musik, was den Nachruhm Wolffs nachhaltig verhinderte.

Inzwischen sind die ersten beiden CDs der auf Vollständigkeit angelegten Reihe erschienen. Sie springen im Programm zwischen den Opuszahlen, die Auswahl lag wohl bei den Gesangssolisten.

Auf der ersten CD ist der Tenor Daniel Johannsen, bei zwei Liedern von der Sopranistin Samantha Gaul unterstützt, zu hören. Ähnlich wie Gustav Mahler hat Wolff eine größere Zahl von Gedichten aus der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“, aber auch Lieder nach Gedichten des populären Richard Dehmel vertont. Eine Besonderheit dieser CD sind die drei Melodramen nach Pierrot, in denen der Tenor als Rezitator fungiert. Johannsens bewegliche Stimme verleiht den Liedern Frische, seine Textverständlichkeit ist ausgezeichnet.

Die zweite CD wird ausschließlich von der Mezzosopranistin Ida Aldrian bestritten, die dem ganz unterschiedlichen Charakter der Liedgruppen durch starke Nuancierung ihres satten Mezzosoprans Farbe gibt. Besonders bestechen die vier Kinderlieder nach Texten Dehmels. Pianist Klaus Simon macht sich zu einem berufenen Anwalt Wolffs und führt den Klavierpart engagiert aus.

Diese ersten Aufnahmen wecken die Neugier auf weitere Kompositionen Wolffs. Neben dem kompletten Liedschaffen existiert noch Klavier- und Kammermusik aus seiner Feder, die ebenfalls im Rahmen dieser Edition zur Veröffentlichung vorgesehen sind.

Wünschenswert wäre auch eine Einspielung des wunderbar lyrischen Violinkonzertes. Diesen Komponisten dem Vergessen zu entreißen, ist eine lohnende Aufgabe, wie schon die ersten beiden CDs beweisen.

Peter Sommeregger, 27. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

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