Marek Janowskis „Un ballo in maschera“: Für Verdi braucht man große Stimmen

CD-Rezension: Giuseppe Verdi, Un ballo in maschera, Orchestre Philharmonique de Monte Carlo, Marek Janowski  klassik-begeistert.de, 17. Juni 2023

Fazit: Für Verdi benötigt man große, versierte Sängerpersönlichkeiten. Zwei Schwalben machen in diesem Fall noch keinen Sommer.

CD-Rezension:

Giuseppe Verdi
Un ballo in maschera

Orchestre Philharmonique de Monte Carlo
Transylvania State Philharmonic Choir
Marek Janowski

Pentatone PTC 5187 048

von Peter Sommeregger

Nachdem die Vinyl-Schallplatte erstmalig die Aufnahme kompletter Opern ermöglichte, entwickelte sich schnell eine rege Aufnahmetätigkeit. Die konkurrierenden Labels DECCA, EMI, Deutsche Grammophon und Philips wetteiferten um Stars, mit denen aufwändige Produktionen eingespielt wurden. Trotz teilweise stolzer Preise funktionierte der Markt, die Defizite im Klassikbereich konnten die Konzerne mit Überschüssen aus dem Pop-Bereich leicht finanzieren.

Diese Zeiten schienen unwiederbringlich vorbei, lange Zeit erschienen Opern nur noch in Live-Aufnahmen. Erst in jüngerer Zeit werden vereinzelt Opern wieder im Studio aufgenommen. Dahin sind aber die Zeiten, wo es für jede Stimmlage mehrere Spitzensänger gab, heute ist die Besetzung einer Studioproduktion erheblich schwieriger geworden.

Die jüngste Einspielung des Dirigenten Marek Janowski, der in der Vergangenheit ikonische Aufnahmen wie Webers „Euryanthe“ und Wagners „Ring des Nibelungen“ in Dresden produzierte, ist ein trauriges Beispiel für den Niedergang der Gesangskultur. Für Verdis „Ballo in maschera“ benötigt man fünf Interpreten der Spitzengarnitur, was in diesem Fall aber nicht befolgt wurde. Zwar stand mit dem jungen Freddie De Tommaso in der Rolle des Riccardo einer der aufstrebenden jungen Tenöre zur Verfügung, der seinen Part mit kräftiger Stimme, schönen Farben und metallischer Höhe anreicherte, von kleinen Schwierigkeiten bei Registerwechseln abgesehen. Auf sehr hohem Niveau auch die Wahrsagerin Ulrica von Elisabeth Kulman, die ihren satten, dunklen Mezzosopran geschmeidig auch durch die höheren Passagen ihrer Partie führt. Damit sind die Aktiva der Sängerbesetzung allerdings auch schon erschöpft. Der amerikanische Bariton Lester Lynch hat zwar gegenüber früheren Aufnahmen seinen Gesangsstil, vor allem seine Diktion erfreulich verbessert, aber sein Renato lässt jeglichen baritonalen Schmelz vermissen. Mit „Eri tu“ hat ihm Verdi eine seiner schönsten Bariton-Arien in die Kehle gelegt, bei Lynch überwiegt aber das trockene, fahle Timbre.

Ähnlich enttäuschend fällt die Hosenrolle des Pagen Oscar von Annika Gerhards aus. Diese Partie verlangt einen frischen, hellen und sehr hohen Sopran, was wir hören ist lediglich eine mühsame Bewältigung des Notentextes.

Das besetzungstechnische Desaster ist aber mit der Amelia von Saioa Hernández erreicht. Zwar fehlt es der Sopranistin nicht am Volumen der Stimme, die aber extrem hart und trocken klingt. In den Ensembles sticht sie mit Messerschärfe heraus, die Stimme scheint außerdem nicht mehr gut fokussiert und verfügt leider über kein ansprechendes Timbre.

Die Comprimarii sind passabel besetzt, ohne besonders aufzufallen. Interessant die Tatsache, dass die Chorpassagen separat und zeitversetzt 2021 im rumänischen Cluj aufgenommen wurden, was wohl den Corona-Bedingungen geschuldet war. Das Orchestre Philharmonique de Monte Carlo spielt unter Janowski einen süffigen Verdi, beim Dirigenten vermisst man aber einen starken Gestaltungswillen, lediglich in den Ensembles gelingen ihm interessante Elemente. Mit einer mehr inspirierenden Sänger-Besetzung hätte sich das Ergebnis wahrscheinlich anders angehört.

Fazit: Für Verdi benötigt man große, versierte Sängerpersönlichkeiten. Zwei Schwalben machen in diesem Fall noch keinen Sommer.

Peter Sommeregger, 17. Juni 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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