Bariton Florian Götz und das Grundmann-Quartett finden einen neuen Zugang zu Schubert’s Winterreise

CD-Rezension: Schubert, Winterreise  klassik-begeistert.de, 19. Dezember 2023

CD-Rezension:

Schubert
Winterreise

Florian Götz  Bariton
Grundmann-Quartett

Genuin Gen 23819

von Peter Sommeregger

An Einspielungen von Franz Schuberts Liederzyklus „Winterreise“ herrscht wirklich kein Mangel. Praktisch jeder Liedersänger entwickelt früher oder später den Ehrgeiz, diesen Zyklus zu singen, ihn eventuell auch auf Tonträgern zu verewigen.

In den letzten Jahren erschienen mehrere Aufnahmen, die von der originalen Besetzung mit einer Singstimme und dem Klavier abwichen, darunter finden sich teilweise interessante interpretatorische Ansätze.

Nun legt auch der Bariton Florian Götz eine Einspielung ungewöhnlicher Art vor. Begleitet wird er nicht von einem Konzertflügel, sondern von den vier Musikern des Grundmann-Quartetts. Dieses, nach dem Oboenbauer Jacob Friedrich Grundmann, der im 18. Jahrhundert lebte, benannte Ensemble besteht aus Englischhorn, Violine, Viola und Violoncello. Die Damen Bettina Ihrig (Viola), Ulrike Titze (Violine) und Ulrike Becker (Violoncello) sowie Eduard Wesly am Englischhorn bilden diese Formation.

Tatsächlich erweitern diese Instrumente das Klangspektrum des Werkes nicht unerheblich. Speziell das Englischhorn kann immer wieder markante Akzente setzen, nicht nur im Lied „Die Post“, in dessen Text ja explizit ein Posthorn erwähnt wird. Florian Götz, der sein Gesangsstudium in London und Weimar absolvierte, ist gleichermaßen auf der Opernbühne und auf dem Konzertpodium anzutreffen. Er versteht es, mit seinem agilen, relativ hoch gelegenem Bariton vokale Feinheiten und Farben zu erzeugen, die seiner Interpretation eine sehr persönliche Note geben. In Verbindung mit dem virtuos aufspielenden Grundmann-Quartett entsteht so eine ungewohnte, in ihrem Klangbild aber durchaus überzeugende Fassung des vertrauten Werkes.

Ungewöhnlich ist das Einfügen einer für Englischhorn und Streichtrio bearbeiteten Klaviersonate zwischen die beiden Abtheilungen des Zyklus. Atmosphärisch gelingt dies stimmig, bleibt aber letzten Endes doch ein Fremdkörper.

Florian Götz bemüht sich auch erfolgreich um eine Vertiefung der Texte Wilhelm Müllers, den man lange, unberechtigterweise als Poet minderer Qualität unterschätzt hat. In Wahrheit ist seine scheinbar naive Dichtung ganz dem Zeitgeist der Entstehungszeit verhaftet, und in gewisser Weise doppelbödig. Die ausführenden Künstler dieser Aufnahme, an der nur eingefleischte Puristen Anstoß nehmen könnten, bieten ein alternatives Klangbild, das zu einem weiteren, vertieften Verständnis des Werkes führt.

Peter Sommeregger, 19. Dezember 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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