Die Lieder des Komponisten Wilhelm Kienzl lohnen eine Wiederentdeckung

CD-Rezension:

Wilhelm Kienzl
Four Song Cycles

Malte Müller  Tenor
Werner Heinrich Schmitt  Piano

TOCC 0736

von Peter Sommeregger

Der Komponist Wilhelm Kienzl, ein gebürtiger Oberösterreicher, ist heute vielen Musikliebhabern kein Begriff mehr. Seine 1895 an der Berliner Hofoper uraufgeführte volkstümliche Oper „Der Evangelimann“ war bis tief ins 20. Jahrhundert sehr populär, heute kennt man daraus höchstens noch die Tenor-Arie „Selig sind, die Verfolgung leiden“. Der 1941 verstorbene Komponist hat aber ein umfangreiches Werk hinterlassen, darunter eine Vielzahl von Liedern für Solostimmen, aber auch für Chöre.

Aktuell werden die Lieder des Komponisten vereinzelt wieder aufgeführt, auch mehrere Platteneinspielungen sind entstanden. Die aktuell neu erschienene CD erschließt nun abermals Teile von Kienzls insgesamt 238 Liedern. Der Tenor Malte Müller, am Flügel begleitet von Werner Heinrich Schmitt, hat sich vier Liederzyklen Kienzls angenommen, es sind Kompositionen auf Texte von Friedrich Rückert, und weiterer Lyriker, darunter Joseph von Eichendorff und Peter Rosegger. Die Widmungsträger waren in ihrer Zeit bedeutende Sänger, was ein interessanter Hinweis auf die Rezeptionsgeschichte dieser Zyklen ist.

Kienzls Tonsprache ist teilweise noch volkstümlich, enthält aber auch durchaus spätromantische Elemente und lässt bereits Anklänge an die Moderne hören – der Komponist war noch bis etwa 1926 aktiv. Die Lieder haben anspruchsvolle Texte, dem trägt der Tenor Malte Müller mit erfreulich wortdeutlichem Gesang Rechnung. Die Stimme Müllers verfügt über ein großes Volumen, er hat sich bereits auch an Wagner versucht, das ermöglicht ihm einen robusten Zugriff auf die durchaus anspruchsvollen Gesanglinien.

Im Pianisten Werner Heinrich Schmitt hat er einen kongenialen Partner, der den vom Komponisten originell gestalteten Klavierpart bis ins Detail auslotet.

Man kann dieser Produktion nur weite Verbreitung wünschen, sie könnte ein wichtiger Beitrag zur wünschenswerten Neubewertung des zu Unrecht fast vergessenen Komponisten Wilhelm Kienzl sein.

Peter Sommeregger, 25. Oktober 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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