Wenn Franziska Stürz und Stefan Frey, die Moderatoren des kleinen, feinen, sonntäglichen Operettenmagazins von BR Klassik, durch die Lande reisen und ihre „Operetten-Frösche“ verteilen, geht ein Raunen durch die Szene.
Welches Stück hat überzeugt und konnte die Idee von einer „gut gemachten, originellen und zeitgemäßen Operettenproduktion“ in diesem Monat am besten umsetzen? Seit 2016 vergibt der „Operetten-Boulevard“ diese Preise und der erste „Frosch“ der Saison 2025/26 erreichte im Oktober das Festival „Herbsttage“ im niederösterreichischen Blindenmarkt.
Oscar Straus und sein „Schokoladensoldat“ stehen von 3. bis 26. Oktober 2025 auf dem Programm der Herbsttage Blindenmarkt
DER SCHOKOLADENSOLDAT
Operette von Oscar Straus (Musik)
sowie Rudolf Bernauer und Leopold Jacobson (Libretto)
Fassung für die Herbsttage Blindenmarkt von Marcus Ganser (Regie und Bühnenbild) und Thomas Böttcher (Musikalische Leitung)
Kammerorchester Ybbsfeld
Konzertmeisterin Ulla Obereigner
Chor, Crew und Studio der Herbsttage Blindenmarkt
Premiere am 3. Oktober 2025
Livestream vom 26. Oktober 2025 (über YouTube abrufbar)
von Ralf Krüger
Es ist Krieg (in der Operette). Die Bulgaren kämpfen gegen die Serben. In der Villa des Bulgaren Popoff träumen Mutter Aurelia, Tochter Nadina und die Verwandte Mascha von ihren heldenhaften Männern an der Front, von den Schlachten, die sie schlagen. Da überrascht sie ein Mann, ein Flüchtling in serbischer Uniform, im Haus – und bittet einfach nur um ein Bett, um mal wieder schlafen zu können.
Es stellt sich heraus, dass dieser angebliche Serbe in Wirklichkeit ein Schweizer ist. Leutnant Bumerli ist nicht fürs Schießen und für Kanonen zuständig, sondern für die Verpflegung der kämpfenden Truppe. Er hat lieber Pralinen im Waffengürtel als Munition.
Man könnte meinen, Der Schokoladensoldat sei eine Anti-Kriegs-Operette. In Zeiten, da Alarmsirenen testweise durch unser Land hallen und Politiker versuchen, uns das Wort „Kriegstüchtigkeit“ ins Vokabular einzuimpfen, da überzeugt die Operette mit dem, was sie seit Jacques-Offenbachs-Zeiten immer ganz gut konnte: Sticheln, Parodieren, durch den Kakao ziehen…
Heldentum, Heldenverehrung und Siegesfeiern nimmt sie kräftig auf die Schippe. Als Kasimir Popoff dann endlich wieder zu Hause ist, meint er, so ein Krieg „mache nur Beschwerden, man kann erschossen werden!“

Die Operette hält nun inne und sagt: Nach der Pause ist Frieden. Da gibt es die üblichen Verdächtigen und Verwicklungen, da gibt es kompromittierende Fotos, die in Anzügen und Bademänteln versteckt sind und schließlich wird geheiratet. Und der Operettenfreund bekommt eine Einlagen-Arie geschenkt: „Ich bin eine Frau, die weiß was sie will.“ Einst von Fritzi Massary am Berliner Metropol-Theater gesungen, ist es hier das Auftrittslied der Mascha, die mit kleinem Ballett und Frauen-Power-Animation für Stimmung sorgt.

Die Handlung des Schokoladensoldaten wird in Blindenmarkt in einzelne Seiten eines übergroßen Comics eingebettet. Ein Comic, wie man es kennt, mit hübschen Zeichnungen, coolen Sprüchen und den berüchtigten Wortkürzungen, die der Duden nicht akzeptieren würde. Dieser Comic bildet als Videoanimation den Bühnenhintergrund und korrespondiert eindrucksvoll mit den klassischen Requisiten des analogen Theaters, wie Tisch, Bett und Treppe.
Nun könnte man natürlich mit einer einzelnen Bildänderung das Publikum beeinflussen, es manipulieren – man kennt das ja von den „sozialen Medien“ her. Aber die Regie hat einen großartigen Gleichklang zwischen Ensemble, Musik und Comic hinbekommen. Kein Lied, kein Dialog wird vom Comic derart beeinflusst, dass es untergeht. Im Gegenteil, es ergänzt die tolle Leistung der Theaterleute!
Für seine im Jahre 1908 im Theater an der Wien uraufgeführte Operette, die damals Der tapfere Soldat hieß, komponierte Oscar Straus wieder entzückende Klänge. Es sind keine Ohrwürmer, die bleiben, aber doch Hits, die in eine Operette hineingehören. Auch der Handlung angepasste leichte Militärmusik und eine schmachtende Arie über den „Held meiner Träume“ sind dabei.

Der „Operetten-Frosch des Monats“ ging zurecht nach Blindenmarkt! Hier wurde ein Stück Musikgeschichte wiederentdeckt und ohne Regie-Experimente auf die Bühne gebracht. Einfach nur zur Freude des Publikums.
Beim Schlussapplaus prangten im Comic, über den Köpfen des großartigen Ensembles, die Worte „Super-Hero“. Ja, sie waren Helden, die Darsteller und Mitwirkenden. Wenn man überlegt, welch geringe Einwohnerzahl die Marktgemeinde aufweist, so glaubt man, dass Jede und Jeder aus der Nachbarschaft mit angepackt hat, um das Event zu stemmen. Dank des Internets geht es nun auch hinaus in die Welt.
Ein großes Dankeschön dafür von Berlin nach Niederösterreich!!!
Ralf Krüger, 29. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Johann Strauss (jun.), Die Fledermaus Musiktheater an der Wien, 20. Oktober 2025
Der Vogelhändler, Operette von Carl Zeller Volkstheater Rostock, 7. Juni 2025 Premiere
Prinzess Rosine, Operette von Paul Lincke Theater im Palais Berlin, 7. Juni 2025