Der Vogelhändler Operette von Carl Zeller © Ove Arscholl
Wir erleben einen kurzweiligen Abend in einem wunderbaren maritimen Ambiente mit schmissigen Melodien, viel Humor, bunten Farben und Charme.
Der Vogelhändler
Operette von Carl Zeller
Norddeutsche Philharmonie Rostock, Opernchor des Volkstheaters, Singakademie Rostock e.V.
Musikalische Leitung: Eduardo Browne Salinas
Nachdirigat: Danyil Ilkiv
Volkstheater Rostock, 7. Juni 2025 Premiere
von Dr. Petra Spelzhaus
Wenn eine eine Reise tut, dann kann sie was erleben. Normalerweise kommen meine Rezensionen aus dem Süden der Republik, da wo Bayern München regiert. Ein Ostseeurlaub hat mich jetzt ich in den hohen Norden verschlagen, dem Revier von Hansa Rostock.
Da das Volkstheater Rostock noch immer auf seinen Neubau wartet, wird der Vogelhändler in die Halle 207 der Neptunwerft verlegt. Es hämmert und sägt, grau gewandete Werftarbeiter schwingen ihre Werkzeuge durch die Luft, während sich die Ouvertüre erhebt. Der Clou der Inszenierung: Die Operette ist ein Stück im Stück.
Regisseur Rainer Holzapfel hat die Handlung seiner letzten Rostocker Inszenierung aus der Rheinfalz direkt in das Hier und Jetzt der Industriehalle verlegt.
Die Hausregisseurin (Kurfürstin) Agnes Selma Weiland plant die Aufführung der Operette „Der Vogelhändler“. Die abstrusen Verwicklungen und Verwechslungen der Protagonisten entwickeln sich bereits in dieser Vorbereitungsphase zum Stück. Adam, der Vogelhändler aus Tirol, wird gegen seinen Willen als Hauptentertainer engagiert, wendet sich in den Wirrungen seiner Christel ab, um sie am Ende – wie es sich in einer ordentlichen Operette gehört – wiederzugewinnen. Der Rostocker „Vogelhändler“ endet vor der eigentlichen Aufführung, die Geschichte ist auserzählt und ausgesungen.

Hauptrequisite ist eine überdimensionierte Holzkiste, aus der die Darsteller steigen. Im Laufe der Inszenierung wird diese sukzessive zur Operettenbühne und Schatzkiste. Anfangs hat man das Gefühl, die Kiste schluckt den Sound des Orchesters. Die Pause nutzen die Soundtechniker sinnvoll. Im zweiten Akt ist der Zusammenklang von Sängern und Orchester deutlich ausgewogener.

Der Cast macht einen guten Job. Die Hausregisseurin Agnes Selma Weiland überzeugt darstellerisch als Chefin des Hauses mit ihrer großen Stimme. Stephanos Tsirakoglou singt mit souveränem Bariton und Allongeperücke den aus der Zeit gefallenen dekadenten Baron Weps. Jakob Kleinschrot mimt mit viel Schmäh und Schmelz in der Stimme den lebenslustigen Vogelhändler Adam. Lediglich am Tiroler Dialekt könnte an der ein oder anderen Stelle noch etwas gefeilt werden.

Ganz stark ist Agostina Megoni gesanglich wie darstellerisch als selbstbewusste Christel von der Post. Frederic Böhle verkörpert in seiner Rockrolle herrlich die Baronin Adelaide, die in ihrem fliederfarbenen Kleid an Mrs. Doubtfire erinnert. Er/sie kann sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass das Rostocker Volkstheater aus Kostengründen Männer in Frauenkleider stecken müsse.

Überhaupt werden immer wieder kleine Spitzen und sehr viel Lokalkolorit in das Stück eingebaut. Der kürzlich verstorbene Papst Franziskus wird besungen, aber auch Alice Weidel/Björn Höcke sowie Trump/Putin bekommen ihr Fett weg.
Wir erleben einen kurzweiligen Abend in einem wunderbaren maritimen Ambiente mit schmissigen Melodien, viel Humor, bunten Farben und Charme.
Um beim Fußballvergleich zu bleiben: Ich plane mal wieder einen Besuch bei Hansa Rostock ein.
Dr. Petra Spelzhaus, 9. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Weitere Aufführungen im Rahmen des Volkstheatersommers in Halle 207:
9. Juni 2025, 12. Juni 2025 und 19. Juni 2025. Das Stück soll im Oktober 2025 ins Große Haus umziehen.
Giacomo Puccini, La Bohème Volkstheater Rostock, 21. Januar 2024
Prinzess Rosine, Operette von Paul Lincke Theater im Palais Berlin, 7. Juni 2025
Johann Strauss Junior, Operetten-Pasticcio Musikverein, Wien, 29. März 2025
Ich glaube nicht, dass die Profis meines favorisierten Fußballclubs, des 1. FC Union, zu Operettenklängen trainieren. Aber einmal gab es diese “Hochzeit” zwischen Fußball und Operette – in Paul Abrahams “Roxy und ihr Wunderteam”, in Ungarn als “3:1 für die Liebe” uraufgeführt. Ich habe den Spaß vor einigen Jahren szenisch an der Komischen Oper Berlin genießen können, im Frühjahr lief das Werk konzertant an der Oper Graz. Ausgeschlossen sind dabei Randale, Pyrotechnik und Bratwurst im Brötchen, aber die Stimmung ist gut.
Ralf Krüger, Berlin-Köpenick