"Es gab so viel wunderbare Musik in diesem Jahr" – klassik-begeistert-Reporter berichten, Teil 1

Die Klassik- und Opern-Favoriten 2024, Teil 1  klassik-begeistert.de, 29. Dezember 2024
Meine Lieblingsmusik 2024

Glücksklee © Benes Oeller, blog.naturimgarten.at

Die Autorinnen und Autoren von klassik-begeistert.de besuchen mehr als 1000 Konzerte und Opern im Jahr. Europaweit! Als Klassik-Reporter sind sie ganz nah dran am Geschehen. Sie schreiben nicht über alte Kamellen, sondern bieten den Leserinnen und Lesern Stoffe aus den besten Opern- und Konzerthäusern der Welt. Was haben sie gehört, gespürt, gesehen, gefühlt, gerochen? 

Ich danke allen Klassik-Reportern von klassik-begeistert für die Begeisterung, mit der sie ihrem Handwerk nachgehen. Nur durch Euer Engagement, Euer Wissen, Euer Gehör und vor allem durch Eure Schreibkunst ist klassik-begeistert.de zum größten deutschsprachigen Klassik-Blog in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgestiegen. Und das ohne Pause seit 2018.

Ich wünsche allen Autorinnen und Autoren sowie allen Leserinnen und Lesern einen geschmeidigen Flug ins hoffentlich friedvollere Jahr 2025.

Herzlich,

Andreas Schmidt, Herausgeber

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Selten aufgeführte Werke nimmt das Publikum oft mit Begeisterung auf

Das Angebot an hochkarätigen Konzerten in ganz Mitteleuropa – sagen wir: von Amsterdam bis Luzern, übers dicht bespielte Rheinland und das Ruhrgebiet, und das auch noch in so vielen fantakustischen* Konzerthäusern – ist kaum zu erfassen. Wer genug Zeit und das nötige Kleingeld hat, kann jeden Tag innerhalb eines beliebig gesetzten Radius die Weltklasse hören. Oder schlechte Konzerte, wie neulich jenes von Concerto Köln in der Philharmonie, das trotz eines so interessanten Programms mit gleich zwei selten gespielten Komponistinnen zum Ärgernis des Jahres 2024 wurde.

Und das bringt mich zu meinem Plan für die Zukunft: Portfolio diversifizieren, mehr Jazz, gute Popmusik in kleinen Schuppen, mehr Kleinkunst, und bei der Klassik rigoros selektieren. Das Programm wird mir immer wichtiger: Ich höre inzwischen lieber die Fünfte von Vaughan Williams oder Martinů, die Dritte von Harris oder die Vierte von Ives statt die x-te Neunte von Dvořák. Statt also eines der vielen unverschämt guten Konzerte hervorzuheben, die ich 2024 erleben durfte, erwähne ich stellvertretend die drei oben verlinkten, bei denen selten aufgeführte Werke gewagt und vom Publikum oft mit Begeisterung aufgenommen wurden. Dafür gebührt den Häusern, Konzertveranstaltern, Programmplanerinnen und natürlich insbesondere den Musikerinnen und Musikern ein ganz großer Dank!

Dr. Brian Cooper, Bonn

* akustisch fantastischen

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Musik sagt mehr als tausend Worte

Was macht einen Abend zu dem musikalischen Ereignis des Jahres 2024? Ist es die Intensität, mit der die Auferstehung in Mahlers Sinfonie Nr. 2 unter Lorenzo Viotti mit dem Gürzenich Orchester erlebbar wird? Oder wenn das Abschlusskonzert des Pärnu Music Festivals den ganzen Saal zum Kochen bringt? Oder wenn wir Opernraritäten wie Ottorinos Respighis „La Fiamma“ oder Hans Pfitzners „Palestrina“ hören dürfen?

Neben all den großartigen Musikerlebnissen, kam der Gänsehautmoment des Jahres 2024 ganz unscheinbar daher und völlig unerwartet.

Nach der Vorstellung feiert die gesamte Deutsche Oper am Rhein den Abschied Axel Kobers als GMD. Auch das Publikum ist hierzu herzlich eingeladen. Es liegt schon ein Flirren in der Luft, als sich langsam die Bühne im Foyer mehr und mehr mit Sängerinnen und Sängern des Ensembles und des Chores füllt. Wie von der Leine gelassen, voller Freude stimmen sie „Hello Axel!“ zur Melodie von „Hello Dolly“ an. Der Text ist witzig und pfiffig, mit kleinen liebevollen Spitzen versehen. Wir fühlen uns an so manche Feier im eigenen Familienkreis erinnert – mit einem großen Unterschied: Der Gesang des Ensembles klingt hervorragend.

So viel Freundschaft, Liebe und Dankbarkeit wird spürbar. Selbst als nahezu Unbeteiligte bleiben unsere Augen nicht trocken. Das, was an diesem Abend zu spüren ist, vermögen Worte nicht auszudrücken. Das kann nur Musik.

Petra und Dr. Guido Grass, Köln

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Hector Berlioz’ „Roméo et Juliette“ – ein unauslöschbarer Konzertabend in der Laeiszhalle

Schon wieder ist ein ganzes Jahr wie im Fluge durchgerauscht, mit all seinen Licht- und Schattenseiten! Auch 2024 gab es davon auch in der Welt von Oper, Konzert und Ballett reichlich Berichtenswertes.

Für mich persönlich haben nunmehr zum zweiten Mal in Folge die Symphoniker Hamburg die Spitzenposition errungen. Auch wenn ich hinsichtlich der Hamburger Laeiszhalle gespaltene Gefühle hege – hervorragende Akustik, aber fürchterlich enge Sitzreihen, in denen man selbst im Rangbereich wie in der Holzklasse eines Fliegers versuchen muss, Thrombose-frei durchzuhalten – sind die hier zu erlebenden Konzerte fast immer eine musikalische Offenbarung.

Für 2024 war dieses für mich die Aufführung von Hector Berlioz’ „Roméo et Juliette“ unter der musikalischen Leitung des Chefdirigenten Sylvain Cambreling unter Mitwirkung des Slowakischen Philharmonischen Chores und der Gesangssolisten Catriona Morison, Alt, Cyrille Dubois, Tenor, und Luca Pisaroni, Bass.

Berlioz’ wunderschöne Tonschöpfung, oft als „Symphonie dramatique“ bezeichnet, packte und berührte das Publikum, aber auch die ausführenden Musiker selbst, wie man unschwer beobachten konnte. Eine sinfonische Tondichtung, konzertante Oper und Oratorium in einem – einfach nur grandios. Derartige Konzertabende bleiben unauslöschbar.

Dr. Holger Voigt, Kaltenkirchen bei Hamburg

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Mein Stern am Gesangshimmel 2024 geht an: Jakob Józef Orlińsky (Altus)

Dieser junge Mann hat mich mit zwei völlig unterschiedlichen Konzerten

– Ende April in der Staatsoper „The Art of Jakub Józef Orliński“ mit seinem gefühlvoll begleitenden Freund Michael Biel am Piano

– und Mitte September in der Elbphilharmonie mit dem Instrumentalensemble Il Pomo d’Oro berauscht.

Seine Ausstrahlung, seine Erscheinung, seine Liedauswahl, sein körperlicher Einsatz, seine einzigartige Stimme, seine Stimmtechnik waren meine Highlights in diesem Jahr!

Mein Weihnachtswunsch: bitte bitte dringend 2025 wiederkommen. Bis dahin höre ich die wunderbaren CDs dieses Ausnahmekünstlers.

Iris Röckrath, Hamburg

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Erl war der absolute Hammer

Konzert:

Riccardo Mutis geniale Interpretation von Bruckners Achter in Salzburg, spirituell in erhabener Langsamkeit durchlebt. Und Teodor Currentzis Mahlers Fünfte in Berlin, hoch aufwühlend und dynamisch differenziert wie selten zuvor gehört.

Oper:

Zum einen war Wagners „Ring“ in Erl ein absolutes Highlight, nach unzähligen verkorksten Inszenierungen europaweit endlich einmal mit einfachen Mitteln großartig von Brigitte Fassbaender inszeniert. Und: Strauss’ „Capriccio“ konzertant in Salzburg, sublim und in denkbar größter Noblesse erkundet vom genialen Strauss-Experten Christian Thielemann und angeführt von der trefflichen Elsa Dreisig als Gräfin Madeleine.

Kirsten Liese, Berlin

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Diese Musik berührt, bei Ihr berühren sich Himmel und Erde

Aus der Fülle durchweg hochkarätiger Konzerte, die ich anno 2024 erleben durfte, einen Top-Favoriten zu küren, ist schwerlich möglich. Zumindest nicht, wenn es vorrangig um exzellente spieltechnische Qualität geht, die ohnehin bei nahezu allen Interpreten selbstverständlich ist.

Als so ganz anders habe ich indes den Auftritt der St. Florianer Sängerknaben aus dem österreichischen Linz empfunden, die Anfang September im Rahmen des Bremer Musikfests konzertierten. Was machte gerade dieses  Konzert so besonders? Gewiss auch die wunderschön hellen Stimmen. Mehr noch aber beeindruckte mich, was vor allem den ganz jungen Sängern eigen ist: eine Unbedarftheit beim Vortrag sowohl tiefsinniger religiöser Inhalte (z.B. „Locus iste“) als auch heiter folkloristischer Texte („Griaß enk alle mitanaund“), die gleichermaßen konzentriert und mit sichtbar inbrünstiger Sangesfreude vorgetragen wurden.

Noch im Grundschulalter, agierten die Youngsters des Chores durchweg als verlässlicher Teil des Chores; manch einer war gelegentlich aber auch für einen Augenblick einfach bei sich selbst, etwa wenn er so ganz ohne Rücksicht aufs Publikum tief gähnte oder, vor sich hin träumend, gar mit dem Finger in der Nase bohrte: Momente völliger Unbefangenheit, in denen es menschelte – was derart indes nur seitens der Zuhörer in den vorderen Reihen wahrnehmbar war. Doch das ist eben auch ganz lebensnahe, irgendwie anrührende Musik, bei der sich, wie es so schön heißt, tatsächlich Himmel und Erde zu berühren scheinen. Dazu braucht es auch nicht immer pompöse Orchesterkonzerte…

Dr. Gerd Klingeberg, Ritterhude bei Bremen

Die Lieblingsopern und -konzerte von klassik-begeistert im Jahr 2023 31. Dezember 2023

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