„Was passt besser zu Barockmusik als purpurne Mäntel und glänzende Rüstungen, welche die Protagonisten als ihre eigenen Denkmäler erscheinen lassen?“
DVD-Rezension: Georg Friedrich Händel, „Rinaldo“
Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino
Federico Maria Sardelli
DYNAMIC 57896
von Peter Sommeregger
Im September 2020, also noch während der Corona-Beschränkungen, erlebte diese Produktion von Händels Erfolgs-Oper Rinaldo ihre Premiere in Florenz. Es handelt sich um eine Co-Produktion mit dem Teatro La Fenice in Venedig.
Den durch die Pandemie bedingten Auflagen trug man in mehrfacher Beziehung Rechnung. Händels Oper, das erste seiner Londoner Bühnenwerke, wurde auf exakt zwei Stunden gekürzt, was zwar den Verzicht auf einige Arien bedeutete, gleichzeitig aber der Dramaturgie des Stückes durchaus gut bekam. Reduziert war wohl ebenfalls das Orchester, bei dem vergleichsweise dünnen Applaus am Ende konnte man erahnen, dass wohl auch das Publikum nur in kleiner Zahl im Saal anwesend sein durfte.
Für Regie, Bühnenbild und Kostüme zeichnete Pier Luigi Pizzi verantwortlich. Der italienische Regie-Altmeister hat auch mit 90 Jahren nichts von seiner Kreativität verloren. Wie er aus der Bewegung von Stoffbahnen dramaturgische Effekte zaubert, die Protagonisten auf Pferdeskulpturen sitzend , die wiederum auf rollenden Podesten montiert sind und durch Bühnenarbeiter bewegt werden, agieren lässt, ist sehenswert. So simpel diese Grundidee auch ist, sie wirkt optisch höchst eindrucksvoll und ästhetisch. Was passt besser zu Barockmusik als purpurne Mäntel und glänzende Rüstungen, welche die Protagonisten als ihre eigenen Denkmäler erscheinen lassen?
Das offenbar in seiner Stärke reduzierte Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino sorgt unter seinem Dirigenten Federico Maria Sardelli für einen schlanken, transparenten Klang. In der Titelrolle des Rinaldo kann sich der junge italienische Countertenor Raffaele Pe mit sicherer Technik und schönem Timbre souverän behaupten. Andrea Patucelli als sein Gegenspieler Argante kontrastiert mit seinem kräftigen Bass, der Tenor Leonardo Cortellazzi komplettiert die Männerstimmen, die bewusst mit drei verschiedenen Stimmlagen besetzt wurden. So wies Händel jedem der Protagonisten eine spezielle Stimmfarbe zu.
Die Sopranistin Carmela Remigio setzt für die Zauberin Armida ihren großen, wuchtigen Sopran durchaus differenziert ein. Was man vermisst, ist eine Pianokultur, die Zwischentöne sind nicht unbedingt Remigios Sache. Diese gelingen dafür der Gegenspielerin Almirena in Gestalt von Francesca Aspromonte vorzüglich, die neben einem ansprechenden Timbre auch eine ausgezeichnete Technik mitbringt und sich so an die erste Stelle der vokalen Leistungen der Aufführung setzt.
Die ausgewogene Besetzung und die außergewöhnlich originelle Optik der Produktion verfehlen ihre Wirkung nicht. Das Publikum im Saal feiert die Sänger und das Leitungsteam ausgiebig, der Altmeister Pizzi beweist einmal mehr, dass er nach wie vor zu den interessanten Opernregisseuren zu rechnen ist. Eine originelle, außergewöhnliche Arbeit.
Peter Sommeregger, 26. Juni 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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