DVD-Rezension:
Damrau und Kaufmann haben ihr fünftes Lebensjahrzehnt längst vollendet, das sieht, und das hört man auch. Man hat es mit durchaus gutaussehenden und erfahrenen Künstlern zu tun, keine Frage. Aber von dem jugendlichen Überschwang, der in all diesen Liedern enthalten ist, haben sich die Sänger schon deutlich entfernt. In ihrem Fall klingt es mehr nach Reminiszenz vergangener Tage, was durchaus auch seinen Reiz hat.
Love Songs
by Schumann and Brahms
Diana Damrau
Jonas Kaufmann
Helmut Deutsch
Unitel c-major 766104
von Peter Sommeregger
Bereits mehrfach tourten und touren der Tenor Jonas Kaufmann und die Sopranistin Diana Damrau mit dem Pianisten und prominenten Liedbegleiter Helmut Deutsch und wechselnden Programmen durch die Konzertsäle.
Der neu auf DVD und Blu-ray erschienene Mitschnitt wurde im April 2022 im berühmten Goldenen Saal des Wiener Musikvereinsgebäudes aufgezeichnet. Auf dem Programm standen Lieder und Duette von Robert Schumann und Johannes Brahms. Das beherrschende Thema: die Liebe in all ihren Spielarten und Variationen.
Das wollte man nun auch in der optischen Präsentation bebildern, was die beiden Sänger zum Dauerflirt auf dem Podium nötigte. So mussten die beiden, anderweitig glücklich verheirateten Künstler einander anschmachten und kleine zärtliche Gesten in ihre Interpretation einbauen. Auf der Opernbühne ist das normal, auf dem Podium wirkt es aber reichlich aufgesetzt und zu einer anderen Altersklasse gehörig.
Damrau und Kaufmann haben ihr 50. Lebensjahrzehnt längst vollendet, das sieht, und das hört man auch. Man hat es mit durchaus gutaussehenden und erfahrenen Künstlern zu tun, keine Frage. Aber von dem jugendlichen Überschwang, der in all diesen Liedern enthalten ist, haben sich die Sänger schon deutlich entfernt. In ihrem Fall klingt es mehr nach Reminiszenz vergangener Tage, was durchaus auch seinen Reiz hat.
Die bereits lang andauernden Karrieren der beiden Sänger haben natürlich Spuren hinterlassen. Damrau versucht aktuell eine Art Fachwechsel, von der Adele zur Rosalinde, von Sophie zur Marschallin. Tatsache ist leider, dass ihre mühelose, glockenreine Höhe inzwischen deutliche Gebrauchsspuren zeigt. Noch kann sie weitgehend Schärfen vermeiden, aber eine gewisse Vorsicht ist in ihrer Gestaltung nicht zu überhören.
Ihr Tenor-Partner Jonas Kaufmann hat seinen robusten Tenor in den letzten drei Jahrzehnten nicht geschont. Er wirkt gut disponiert, aber ein gefühlvolles Piano will ihm nicht mehr so recht gelingen, Otello und Tristan haben die Stimme naturgemäß verändert.
Das Programm ist sehr üppig bemessen, über 40 einzelne Titel werden dem enthusiastischen Publikum im offenbar ausverkauften Saal geboten, der Jubel steigert sich von Liedgruppe zu Liedgruppe. Die kluge Auswahl und Zusammenstellung der Titel ist wohl Helmut Deutsch geschuldet, den man aktuell als einen der besten Begleiter bezeichnen kann, Kaufmann hat er seinerzeit auch unterrichtet.
In den Duetten verbinden sich die beiden Stimmen nicht optimal, dagegen gelingen die Alleingänge durchaus, von kleinen Schärfen abgesehen, souverän. Ein wenig befremdlich die Veränderung der beiden berühmten Brahms-Lieder „Vergebliches Ständchen“ und „Von ewiger Liebe“ zum Duett. Da geht der Reiz der Verstellung der Stimme verloren. Schuberts „Erlkönig“ würde man ja auch nicht als Terzett aufführen.
Insgesamt bewegt sich das Konzert auf hohem Niveau, aber unausgesprochen schwebt das Wort „noch“ über dem Abend. Wir erleben Künstler im Herbst ihrer Karrieren, es kann also nur um die Liebe in reiferen Jahren gehen.
Peter Sommeregger, 2. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD-Rezension: The Sound of Movies, Jonas Kaufmann klassik-begeistert.de, 11. September 2023