Foto © QUIMERA/Erik Ruiz y Mikio Watanabe
Festival Paax GNP, Mexico, Playa del Carmen
27. Juni 2024 bis 7. Juli 2024
Bekannte Klänge auf unbekanntem Terrain. Mitten im mexikanischen Dschungel stellt Alondra de la Parra die Erste von Brahms in ein neues Licht. Bruckner statt Beethoven scheint bei dieser glänzenden Interpretation der Ziehvater der Komposition. Das Orchester des Festivals Paax GNP in Hochform. Sacha Rattle und Sara Ferrández als Solisten bei Bruchs Doppelkonzert ebenso.
von Jürgen Pathy
„Of course there are spiders and snakes here – we are in the middle of the jungle“, betont der Concierge des Xcaret Arte Hotels. Einem All-inklusive-Paradies am karibischen Meer – türkisblaues Wasser, Palmen und südamerikanische Lebensfreude inbegriffen. Die Schlangen sind bislang noch ferngeblieben, die Spinnen ebenso. Selbst bei Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“ dringt man nicht so weit in die Partitur vor, dass Papageno die Riesenschlange erdrosseln müsste. Nach der Ouvertüre ist Schluss im Salon Diego, dem Hauptkonzertsaal im Luxusresort. Genügend Spielraum, um dem Schub der Zuspätkommenden die Möglichkeit zu bieten, in andere Werke zu tauchen.
Brahms scheint in Mexiko strahlend hell
Bruchs „Kol Nidrei“ in einem Arrangement für Orchester und Viola als auch dessen selten gespieltes Doppelkonzert für Klarinette und Viola. Dass man als Zuhörer dabei auf federleichten Melodien schwebt, ist der „solista importante“ zu verdanken. Sara Ferrández, dunkles Haar, spanische Wurzeln. Neben Sacha Rattle an der Klarinette, liegt es an der jungen Bratschistin, dass man dem Publikum den „contrasta“ zu Brahms recht deutlich vermitteln kann. Davon muss nämlich auch noch die Rede gewesen sein. Bei den kurzen Ansprachen, mit denen sich Dirigentin und Festivalleiterin Alondra de la Parra ans Publikum wendet. In spanischer Sprache selbstverständlich.
„Sinfonia Brahms de uno“, war noch zu verstehen. Viel weiter reichen meine Spanischkenntnisse nicht. Dass Brahms’ erste Symphonie, die in c-Moll, allerdings nicht nur an Beethovens Kompositionsstil angelehnt sein dürfte, hat die feurige Mexikanerin ans Tageslicht gebracht. Bruckner – der sticht bei dieser Interpretation ganz klar hervor. Harmoniesprünge und Wechsel in einer Tour. Überhaupt bei den letzten beiden Sätzen, denen Alondra de la Parra viel mehr Aufmerksamkeit schenkt als andere Kollegen. Sonst steht der dramatische Eröffnungssatz oft im Mittelpunkt.
In Mexiko hingegen bilden alle vier Sätze ein Gleichgewicht, das dieses Meisterwerk in einem neuen Licht erstrahlen lässt. Transparenz und Optimismus statt Trübsal und Schwermut. Ein Konzept, das beim Paax GNP Festival generell den Ton angeben dürfte. Strahlende Gesichter, wohin man blickt. Nicht nur beim La Orquesta imposible, das sich aus blutjungen Südamerikanern und arrivierten Musikern aus europäischen Orchestern zusammensetzt. Berliner Philharmoniker, Tonhalle Zürich und Wiener Symphoniker, um nur einige zu nennen. Auch im Publikum, das einen Querschnitt durch den kompletten südamerikanischen Kontinent abzubilden scheint. Brahms, Bruch, klassische Musik generell funktioniert auch an der mexikanischen Karibikküste.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 2. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at