Samuel Hasselhorn erklimmt den Gipfel der Liedgestaltung

Franz Schubert, Winterreise, Samuel Hasselhorn  Pierre-Boulez-Saal, Berlin, 27. November 2025

 

Samuel Hasselhorn nähert sich den Texten Wilhelm Müllers und dem Notentext Schuberts mit hoher Sensibilität an, er schöpft die emotionale Tiefe jedes einzelnen Liedes bei akribischer Textdeutlichkeit in allen Facetten aus, schreckt auch vor Steigerungen ins forte nicht zurück, wo sie angebracht scheinen.

Franz Schubert
Winterreise

Samuel Hasselhorn   Bariton
Ammiel Bushakevitz   Klavier

Pierre-Boulez-Saal, Berlin, 27. November 2025

von Peter Sommeregger

Der Abend im ausverkauften Pierre-Boulez-Saal beginnt ungewöhnlich. Statt des ersten Liedes der „Winterreise“ betätigt der Pianist Ammiel Bushakevitz eine Art Drehorgel, die verfremdete Motive aus dem Zyklus spielt, ehe Bariton Samuel Hasselhorn mit seinem Gesang einsetzt.

Schuberts später Liederzyklus, düster und schwermütig, stellt den einsamen Höhepunkt seines Liedschaffens dar. Der Komponist wusste bereits um seine tödliche Krankheit, was sicher in die Gestaltung dieser 24 Lieder einfloss. Samuel Hasselhorn nähert sich den Texten Wilhelm Müllers und dem Notentext Schuberts mit hoher Sensibilität an, er schöpft die emotionale Tiefe jedes einzelnen Liedes bei akribischer Textdeutlichkeit in allen Facetten aus, schreckt auch vor Steigerungen ins forte nicht zurück, wo sie angebracht scheinen. Dem Sänger kommt seine Erfahrung als Opernsänger sicher zugute, er begleitet seinen Gesang auch mimisch überzeugend.

Was an seiner Interpretation besonders besticht, ist die höchst differenzierte Gestaltung jedes einzelnen der Lieder, die in ihrem Charakter doch recht unterschiedlich sind, und die labile Stimmung des einsamen Wanderers widerspiegeln. Hasselhorn hat sein Publikum fest im Griff, gebannt liegt ihm der gesamte Saal zu Füßen, man könnte die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören, bis eine offenbar sehr erregte Dame nach dem „Lindenbaum“ ein höchst unpassendes „Bravo“ ruft und zu applaudieren beginnt, was gnadenlos niedergezischt wird.

Hasselhorns mehr als nur kongenialer Begleiter ist Ammiel Bushakevitz am Flügel, der wesentlichen Anteil am Tiefgang dieses Abends hat. Es ist eine hervorragende Idee, das letzte Lied, „Der Leiermann“ nicht am Flügel, sondern mit der Drehorgel zu begleiten. Man kann feststellen, dass die anfänglichen Bedenken gegen den neuen Konzertsaal unberechtigt waren. Zumindest für Liedgesang scheint die Akustik geradezu ideal zu sein. Ein begeistertes Publikum will Hasselhorn fast nicht gehen lassen, vermag aber nicht, noch eine Zugabe zu erzwingen.

Ein Abend, der Hoffnung macht, dass die Gesangskultur noch eine Zukunft hat.

Peter Sommeregger, 28. November 2025, für
klassik- begeistert.de und klassik-begeistert.at

Franz Schubert, Winterreise, Johannes Martin Kränzle klassik-begeistert.de, 22. November 2025

Matthias Goerne, Bariton, Daniil, Trifonov Klavier Musikverein Wien, Großer Saal, 24. November 2025

Musiktheater: Schubert, Winterreise Theater Bremen, Premiere, 7. Dezember 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert