Sommer in Lesmona 2025 © Frank Pusch
Freiluft-Klassik-Festival „Sommer in Lesmona 2025“
20. bis 22. Juni 2025 in Knoops Park im Bremen-Lesum/St. Magnus
Programm:
Ausschnitte aus Werken von Peter Iljitsch Tschaikowsky, Antonín Dvořák, Felix Mendelssohn Bartholdy, Gioachino Rossini, Wolfgang Amadeus Mozart, Luigi Mengoli u.a.
Giuseppe Mengoli Dirigent
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Menamenamò Band
von Dr. Gerd Klingeberg
In heimeligem Park-Ambiente exzellent dargebotene, unterhaltsam zusammengestellte Klassik, kombiniert in ungewohntem Cross-over mit zumeist stilistisch völlig anders gearteten Ensembles: das macht seit 30 Jahren den besonderen Reiz des alljährlichen, von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen initiierten Freiluft-Festivals „Sommer in Lesmona“ aus.
Ganz ohne Wetterkapriolen, bei wolkenlosem Himmelsblau und strahlendem Mittsommer-Sonnenschein konnte das diesjährige, mit großer Vorfreude von begeisterten, teils gar von sehr weit eigens angereisten Zuhörern herbeigesehnte Ereignis auf der von hohen Bäumen umsäumten Lichtung im weitläufigen Knoops Park im Bremer Norden eigentlich nur gut werden. Und die hohen Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Bereits am Freitagabend war es gestartet mit einem bunten Klassikmix.
Entspannung mit Kammermusik und Literatur
Die Teestunde am Samstagnachmittag war einem musikalisch-literarischen Streifzug gewidmet. Lebendig und einfühlsam artikulierend verlas der aus Film und Fernsehen bekannte Mime Devid Striesow zur Jahreszeit und zum Anlass passende Texte, darunter humorige Szenen aus William Shakespeares „Der Traum einer Mittsommernacht“ und herzbewegende, sinnlich-romantische Erinnerungen aus Ingmar Bergmanns „Wilde Erdbeeren“.
Für den musikalischen Rahmen sorgte ein aus Kammerphilharmonikern zusammengesetztes Streichquartett samt beigeordneter Traversflöte. Federleicht und in nuancierter Gestaltung intonierten sie Teile aus Mozarts berühmter „Kleiner Nachtmusik“. Die sanft schwingenden Harmonien von Jacques Offenbachs „Barcarolle“ (aus „Hoffmanns Erzählungen“) vermittelten wohlige Träume; das überaus feinsinnig angegangene Andante espressivo aus Felix Mendelssohn Bartholdys Streichquartett op. 44/1 bezauberte mit anrührend inniger Melodik. Kurzum: Ein wunderschöner, rundum entspannter Nachmittag, um die Seele im Sonnenschein baumeln zu lassen.

Italienisches Flair und mitreißende Folklore
Höhepunkt des „Sommer in Lesmona“-Festivals war wie in jedem Jahr das diesmal schwerpunktmäßig italienischer Musik gewidmete Große Orchesterkonzert am langen Samstagabend. Los ging’s mit einem rasanten Trommelwirbel von Gioachino Rossinis Ouvertüre zu „Die diebische Elster“. Die ersten Takte kamen noch etwas verstolpert, aber der noch junge, aber schon recht erfahrene italienische Dirigent Giuseppe Mengoli hatte die Lage schnell wieder im Griff. Mit Schwung und Schmackes ging das Orchester ans Werk, nuanciert gestaltend und in gewohnt perfekter Darbietung. In üblicher Manier hatte das vorrangig auf hochkarätige Klassik fokussierte Kammerphilharmonie ein stilistisch so gänzlich anders geartetes Ensemble zu Gast – mit der eher nichtssagenden, aber doch lautmalenden Bezeichnung „Menamenamò“.
Das von Luigi Mengoli, dem Vater des Dirigenten gegründete Quintett aus dem südapulischen Spongano (Provinz Lecce) hat sich der Volksmusik seiner italienischen Heimat verschrieben. In mühsamer langjähriger Kleinarbeit hat Vater Mengoli an die 5000 folkloristische Texte und Melodien gesammelt und präsentierte daraus einige überaus reizvolle Kostproben. Die eingängigen Liedsequenzen, das traditionelle Zusammenspiel von Gitarre, Mandola, Klarinette und Tamburin, dazu schlichter, gleichwohl enthusiastisch lebensfroher Gesang, der von ruralen Mühen und romantischer Liebe und den kleine Freuden ländlichen Lebens erzählt, vermittelten unmittelbar eine ganz eigene, zutiefst fesselnde Atmosphäre. Ausnehmend gut gelungene Arrangements betonten zusätzlich den spezifischen Charakter dieser Musik, bei der sich die Kammerphilharmonie als wandlungsfähiges Orchester in fein ausbalancierter Klangkulisse mit einbrachte. Eine exzellent von einem Meister seines Faches ausgesteuerte Verstärkung sorgte zudem für einen ungetrübten Hörgenuss, bei dem keine Nuance verloren ging.

Tanzmusik als Antidot bei Tarantelbiss
Beim „Saltarello“ aus Mendelssohns „Italienischer Sinfonie“ brillierte das Orchester mit pointierter, mitreißender Ausführung; bei Puccinis „Hexensabbat“ brachte es gekonnt feurige Dramatik und ungezügelte Wildheit zum Ausdruck. Menamenamò antwortete mit „Antidotum tarantulae“, dem ältesten, aus dem 15. Jahrhundert überlieferten Lied aus Mengolis Sammlung, einem eingangs noch verhalten klangvollen, dann kaskadierend aufwallenden Tanz, der dereinst mangels hilfreicher Arzneien beim schmerzhaften Biss einer giftigen Tarantel Linderung verschaffen sollte.
Das gemütvolle Notturno aus Mendelssohns „Sommernachtstraum“ und das Glitzern unzähliger Wunderkerzen sorgte für eine zauberhaft lauschige Atmosphäre im abendlichen Rund der gut zweieinhalbtausend Zuhörer. Verblüffung und Staunen rief danach ein ausgedehntes, rhythmisch mit allen Raffinessen gespicktes Tamburin-Solo von Carlo De Pascali hervor: schier unglaublich, welche verschiedenartigen Effekte mit einem derart simpel gebauten Schlaginstrument von einem wahrhaften Könner erzeugt werden können.

Das reguläre Programm endete mit den zunächst hymnischen, dann zunehmend ins expressiv Pathetische bis naturgewaltig emphatisch aufwallenden Harmonien des Finalsatzes aus Tschaikowskys Sinfonie Nr. 5, stringent im Tutti mit Verve und in ausgeprägt energischer Herangehensweise mit allen nur möglichen Schattierungen und Facetten dargeboten von einem in Top-Form aufspielenden Orchester.
Lang anhaltender Beifall folgte. Aber selbst zu später Stunde hatte das Gros der Zuhörer noch längst nicht genug, so dass Menamenamò und die Kammerphilharmonie mit einigen Zugaben überleiteten zur traditionellen Open-Air-Filmnacht, bei dem alljährlich der namensgebende Kultfilm „Sommer in Lesmona“ mit Katja Riemann gezeigt wird.
Dr. Gerd Klingeberg, 22. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at