Haendels “Giulio Cesare” erobert die Herzen des Publikums der Philharmonie in Luxemburg

Georg Friedrich Haendel, Giulio Cesare  Philharmonie Luxemburg, 19. Oktober 2023

Philharmonie Luxemburg, 19. Oktober 2023

Cecilia Bartoli © Uli Weber

Cecilia Bartoli ist wieder zu Gast in der Philharmonie in Luxemburg. Nach ihrem großen Erfolg letztes Jahr mit “La clemenza di Tito” von Mozart, beglückt sie das Luxemburger Publikum dieses Mal mit der Oper “Giulio Cesare” von Georg Friedrich Haendel. Aber sie ist dabei nicht alleine: ein brillantes Solistenensemble und ein ebenso gut aufgelegtes Orchester, Les Musiciens du Prince-Monaco, unter der Stabführung ihres musikalischen Leiters, Gianluca Capuano, runden einen sehr gelungenen konzertanten Opernabend in der Philharmonie ab.

Georg Friedrich Haendel (1685 – 1759)
Giulio Cesare
Opera seria in drei Akten (Libretto: Nicola Francesco Haym)

Gianluca Capuano, Dirigent
Les Musiciens du Prince-Monaco

Giulio Cesare        Carlo Vistoli
Cleopatra               Cecilia Bartoli
Tolomeo                 Max Emanuel Cenčić
Cornelia                  Kristina Hammarström
Sesto                         Kangmin Justin Kim
Achille                       José Coca Loza


von Jean-Nico Schambourg

“Giulio Cesare in Egitto”, meistens als “Giulio Cesare” abgekürzt, wurde mit großem Erfolg uraufgeführt am 20. Februar 1724 am Londoner “King’s Theater” am Haymarket. Es ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten Opern von Georg Friedrich Haendel. Dieser hat später einige Revisionen der Partitur vorgenommen, auch um den stimmlichen Ansprüchen und Anlagen verschiedener Sänger entgegenzukommen. Nach einiger Zeit des Erfolges verschwand die Oper dann allerdings für lange Zeit von den Spielplänen der Opernhäuser. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurde sie wiederentdeckt. Es war zu der Zeit “modern”, die männliche Titelrolle für einen Bariton zu transponieren.

In der ursprünglichen Fassung wurden die Rollen von Giulio Cesare und Tolomeo von den beiden Contralto-Kastraten Francesco Bernardi (“Senesino”) und Gaetano Berenstadt gesungen. In der heutigen konzertanten Aufführung, werden die beiden Rollen übernommen von den beiden Countertenören Carlo Vistoli und Max Emanuel Cenčić.

Carlo Vistoli © Nicola Allegri

Carlo Vistoli hat die schwierige Aufgabe in die Fußstapfen des, zu Zeiten der Uraufführung, führenden Kastraten Senesino zu treten. Dessen Timbre und Virtuosität hatten ihn zu einem regelrechten Star der Londoner Opernszene gemacht. Vistoli meistert die hohen Anforderungen der Titelrolle bravourös.

Sein Countertenor besitzt die nötige Spannweite und Agilität, um die Rolle des Giulio Cesare zu interpretieren. Mit klarer Stimme porträtiert er sowohl den Kriegshelden und Eroberer, als auch den Liebhaber. Ob schwindelerregende Koloraturen oder zärtliche Liebesmelodien, er singt sich mit Leichtigkeit durch die Partitur.

Er scheut auch nicht davor zurück, die Schönheit einzelner Töne in den Hintergrund zu stellen, um den theatralischen Effekt zu betonen. So schleudert er, zum Beispiel am Anfang der Oper, Tolomeo mit fast tenoraler Bruststimme das Wort “Empio” (Elender) entgegen, um seine Abscheu über dessen Mord an Pompeo auszudrücken.

Der Fiesling Tolomeo wird von Max Emanuel Cenčić gesungen. Diese Rolle ist im Vergleich zur Titelrolle mit keiner so extremen Stimmlage bedacht. Aber auch sie verlangt vom Interpreten die Wiedergabe vieler Gemütslagen. Dies wird von Cenčić in jeder Hinsicht überzeugend realisiert.  Seine Stimme ist ein wenig dunkler timbriert als diejenige von Vistoli, steht diesem in der Virtuosität des Singens aber in keiner Weise nach.

Max Emanuel Cenčić © Lukasz Rajchert

Wurde der Sesto bei der Uraufführung als Hosenrolle von einem Sopran gesungen, so übernimmt hier ein weiterer Countertenor die Rolle des Rache schwörenden Sohnes des von Tolomeo getöteten Pompeo.

Kangmin Justin Kim © Staatsoper Hamburg

Kangmin Justin Kim wirft sich mit vollem Engagement in die Ausführung der emotional eher begrenzten Partie von Sesto: Rache und Verzweiflung sind die einzigen Gefühle, die sich in der ihm zugeschriebenen Musik wiederfinden. Kim trifft diese aber perfekt. Mit klarer, heller Stimme bewältigt er alle rasenden Koloraturen seiner Arien, unter anderem seiner Auftrittsarie “Ombra del genitore”.

Er weiß auch die ruhigere Arie “Cara speme, questo core” mit sehr viel Gefühl zu gestalten.

Kristina Hammarström hat vor einigen Jahren die Titelpartie dieser Oper aufgenommen. Als Cornelia, der Witwe des getöteten Pompeo, besticht sie an diesem Abend durch die Eleganz ihres Vortrags und die Ausgeglichenheit ihrer Stimme. Die Arien der Cornelia sind alle gekennzeichnet von tiefer Trauer über den getöteten Ehemann, sowie liebevoller Angst um dessen Sohn Sesto. Diese Gefühle gibt ihre Interpretation perfekt wieder.

José Coca Loza als Achille ist die einzige tiefe Männerstimme dieser Oper. Sein Bass verfügt über genügend Elastizität und Spannweite um die Rolle des fiesen Gehilfen Tolomeos, den er zum Schluss der Oper verrät, zu gestalten.

Mittelpunkt und Hauptattraktion der Aufführung ist natürlich die Cleopatra von Cecilia Bartoli. Im ersten Jahr unter ihrer Leitung, hat sie 2012 diese Oper ins Programm der Salzburger Festspiele zu Pfingsten aufgenommen. Ihre Cleopatra erntete dabei große Zustimmung. Ein Jahrzehnt später begeistert ihre Gestaltung der ägyptischen Königin noch immer.

Cecilia Bartoli © Kristian Schuller

In den ersten Szenen ist sie, meines Erachtens nach, eine etwas zu kindische Cleopatra, was ihr allerdings auch nicht hilft, manch stimmliche Schärfe in der hohen Stimmlage zu verstecken. Im zweiten Teil des Abends entwickelt sie sich zu einer sehr rührenden ägyptischen Königin, die nicht nur um ihren Thron, sondern auch um das Leben ihres geliebten Giulio Cesare glaubhaft bangt. Ihre Arie “Se pietà di me non senti” im zweiten Akt, sowie vor allem die Arie “Piangerò la sorte mia” im dritten Akt, füllt sie mit großer Emotionalität. Wunderbar, wie ihre Piani dabei durch den Saal schweben.

 Wenn ihre Stimme in den letzten Jahren auch vielleicht ein wenig an Geschmeidigkeit und Glanz verloren haben mag, ihre “geläufige Gurgel”, die Agilität für ihre Koloraturen, hat sie sich vollends erhalten. Und diese läßt sie gegen Ende der Oper in ihrer Bravourarie “Da tempeste il legno” regelrecht explodieren. Ihr Gesichtsausdruck und ihr Gesang leuchten dabei regelrecht auf und vermitteln die Freude Cleopatras über das finale Happy End der Handlung. Dabei hat sie auch noch nebenbei die Nerven, während des rasanten Koloraturlaufes, einem Zuschauer in den ersten Reihen mit Handzeichen charmant lächelnd mitzuteilen, dass Filmen nicht erlaubt ist! Am Ende dieser Arie gibt es eine Applausexplosion seitens des Publikums.

Mit dem Orchester Les Musiciens du Prince-Monaco, dessen Mitbegründerin die Bartoli ist, verfügt sie über einen kongenialen instrumentalen Partner, der bravourös und präzise von seinem musikalischen Leiter Gianluca

Musiciens du Prince-Monaco ©  Alain Hanel

Capuano dirigiert wird. Das Spielen auf alten Instrumenten bereitet diesem Ensemble absolut keine Probleme. Nicht nur im Ensemble klingt das Orchester atemberaubend. So werden aus verschiedener Arien mit Begleitung durch Solo-Instrumente, wie zBsp Violine, Harfe, Horn, regelrechte Duette, ja fast sogar Duelle der Virtuosität. In diesen Momenten weiß der Zuhörer oft nicht, was er am meisten bewundern soll: die stimmliche Leistung der Sänger oder diejenige der begleitenden Instrumentalisten.

Alle Elemente sind somit zusammen gekommen, um dem Publikum einen großen Opernabend zu bescheren. Dieses dankt allen Interpreten mit begeistertem Applaus und Standing Ovations, bis dass das ganze Ensemble den Schlusschor “Ritorni omai nel nostro core” als kleine Zugabe wiederholt.

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